„Trump spielt die Karten der USA falsch aus“
Interview. Der frühere US-Vize-Außenminister Bill Burns über Trumps „einzigartige“Außenpolitik, dessen „törichten“Ausstieg aus dem Iran-Atomabkommen – und die geopolitischen Auswirkungen bei einer Wiederwahl des US-Präsidenten.
Die Presse: Sie haben unter fünf US-Präsidenten und zehn Außenministern gedient. Wie würden Sie Donald Trumps Außenpolitik beschreiben? Haben Sie schon einmal etwas Vergleichbares in Ihrer aktiven Karriere gesehen? William Burns: Ich habe vieles in meiner Karriere gesehen. Aber Trumps Zugang zu Außenpolitik ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Und der historische Moment dafür könnte nicht unpassender sein. Die USA sind nicht mehr der einzige dominante Akteur auf der Weltbühne. Es gibt große Verschiebungen in der internationalen Machtbalance.
Diese Transformation begann, bevor Trump die Bühne betrat. Ja, und die Amerikaner sind auch schon vor ihm müde geworden, sich in der Welt zu engagieren. Doch Trumps unilaterales Rezept ist in dieser Ära des Umbruchs fehlgeleitet. Es wäre sinnvoller denn je, in Allianzen zu investieren und Koalitionen aufzubauen.
Ausgerechnet jener Mann, der Amerika wieder groß machen will, beschleunigt also den Rückgang des Einflusses in der Welt. Trump höhlt nicht nur Amerikas Ruf und Einfluss aus, sondern auch Institutionen wie das State Department. Ich bin kein Niedergangsprophet. Der unipolare Moment ist vorbei, beschleunigt durch Fehler wie den Irak-Krieg 2003. Doch solche Momente währen nie ewig in der Geschichte. Wir hätten immer noch bessere Karten als unsere Rivalen. Doch in seinem Unilateralismus spielt Trump die Karten der USA falsch aus.
Sie waren in die Geheimgespräche involviert, die zum Atomabkommen mit dem Iran führten. Trump kündigte den Deal auf. Erhöhte er damit die Kriegsgefahr in der Region? Es war töricht von Trump, das Atomabkommen aufzukündigen. Seine Entscheidung basiert auf der seltsamen Idee einer Zwangsdiplomatie. Doch es ist eine sehr riskante Wette zu glauben, das iranische Regime so stark unter Druck setzen zu können, dass es entweder kapituliert oder implodiert. Das ist unrealistisch. Die USA können der iranischen Wirtschaft zweifellos Schaden zufügen. Doch zuletzt haben die Iraner demonstriert, dass sie umgekehrt der Weltwirtschaft durch Angriffe auf Öleinrichtungen schaden können – direkt oder über Stellvertreter. Das birgt die sehr ernste Gefahr einer Eskalation in sich.
Glauben Sie, dass der Iran hinter den Angriffen auf die saudiarabischen Ölfelder steckt? Ich kenne die Fakten nicht. Aber ich vermute, dass die Iraner Verantwortung dafür tragen. Wo sehen Sie die Schwächen im Atomabkommen mit dem Iran? In meinen dreieinhalb Jahrzehnten als Diplomat habe ich gelernt, dass Perfektion nicht auf der Speisekarte steht. Das Atomabkommen war die beste verfügbare Alternative, um den Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu entwickeln. Es war gedacht als Beginn der Diplomatie, als Fundament, um danach andere Herausforderungen anzupacken, die sich durch das Verhalten des Irans im Nahen Osten ergeben.
Glauben Sie, dass es zu einem Treffen zwischen Trump und Irans Präsident Rohani in New York kommen kann? Das ist nach dem Angriff auf das saudiarabische Ölfeld sehr unwahrscheinlich. Wobei Trump selbst wohl an einem Gipfeltreffen interessiert wäre. Es gibt zwei Dimensionen in der außenpolitischen Persönlichkeit Trumps. Einerseits posiert er als unilateraler Muskelprotz, der sagt, man könne die USA nicht mehr herumschubsen. Anderseits will er der Dealmaker sein, der die ewigen Kriege im Nahen Osten beendet. Staatskunst wäre es, diese beiden Aspekte seiner Persönlichkeit miteinander zu versöhnen. Doch das ist noch nicht gelungen.
Trumps Bemühungen, Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, zur Aufgabe des Atomprogramms zu überreden, sind bisher jedenfalls gescheitert. Nach den drei Treffen zwischen Trump und Kim kann man nur den Schluss ziehen, dass in absehbarer Zeit keine Chance für eine vollständige Denuklearisierung Nordkoreas besteht. Kim Jong-un betrachtet sein Atomwaffenarsenal als überlebensnotwendig. Die Frage, die auf dem Tisch liegt, lautet: Gibt es einen praktischen Zwischenschritt, Nordkoreas Atomund Raketenprogramm im Gegenzug für teilweise wirtschaftliche Erleichterungen überprüfbar einzuschränken?
Wie soll Nordkoreas Diktator den Amerikanern über den Weg trauen, wenn sie Abkommen wie mit dem Iran nicht einhalten? Stimmt. Das ist keine gute Werbung für die US-Diplomatie.
Sie waren lang Botschafter in Moskau, kennen Wladimir Putin ziemlich gut. Was halten Sie von der gegenwärtigen US-Außenpolitik gegenüber Russland? Da muss man realistisch sein. In naher Zukunft werden sich die Beziehungen zwischen Russland und den USA in einer sehr schmalen Bandbreite abspielen: von scharfer Konkurrenz bis zu hässlicher Rivalität. Es gibt einfach zu viele Differenzen bei zu vielen Themen. Nichtsdestotrotz ist es notwendig, Leitplanken zu haben. Es wäre sehr wichtig, den New-Start-Vertrag zu verlängern, der die strategischen Nukleararsenale in den USA und Russland begrenzt. Er läuft im Jahr 2021 aus und ist das letzte verbliebene Element der alten Architektur für Rüstungskontrolle.
Welche geopolitischen Auswirkungen hätte Trumps Wiederwahl? Die Trump-Regierung hat in den vergangenen drei Jahren ein ziemlich tiefes Loch in die internationale Landschaft gegraben. Ich befürchte, wenn noch einmal vier Jahre dazukämen, wäre der Schaden für Amerikas Einfluss und Image in der Welt nicht mehr korrosiver Art, sondern nur noch sehr schwer rückgängig zu machen. Es steht viel auf dem Spiel – für die USA und die Welt.