Die Presse

„Trump spielt die Karten der USA falsch aus“

Interview. Der frühere US-Vize-Außenminis­ter Bill Burns über Trumps „einzigarti­ge“Außenpolit­ik, dessen „törichten“Ausstieg aus dem Iran-Atomabkomm­en – und die geopolitis­chen Auswirkung­en bei einer Wiederwahl des US-Präsidente­n.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Die Presse: Sie haben unter fünf US-Präsidente­n und zehn Außenminis­tern gedient. Wie würden Sie Donald Trumps Außenpolit­ik beschreibe­n? Haben Sie schon einmal etwas Vergleichb­ares in Ihrer aktiven Karriere gesehen? William Burns: Ich habe vieles in meiner Karriere gesehen. Aber Trumps Zugang zu Außenpolit­ik ist in vielerlei Hinsicht einzigarti­g. Und der historisch­e Moment dafür könnte nicht unpassende­r sein. Die USA sind nicht mehr der einzige dominante Akteur auf der Weltbühne. Es gibt große Verschiebu­ngen in der internatio­nalen Machtbalan­ce.

Diese Transforma­tion begann, bevor Trump die Bühne betrat. Ja, und die Amerikaner sind auch schon vor ihm müde geworden, sich in der Welt zu engagieren. Doch Trumps unilateral­es Rezept ist in dieser Ära des Umbruchs fehlgeleit­et. Es wäre sinnvoller denn je, in Allianzen zu investiere­n und Koalitione­n aufzubauen.

Ausgerechn­et jener Mann, der Amerika wieder groß machen will, beschleuni­gt also den Rückgang des Einflusses in der Welt. Trump höhlt nicht nur Amerikas Ruf und Einfluss aus, sondern auch Institutio­nen wie das State Department. Ich bin kein Niedergang­sprophet. Der unipolare Moment ist vorbei, beschleuni­gt durch Fehler wie den Irak-Krieg 2003. Doch solche Momente währen nie ewig in der Geschichte. Wir hätten immer noch bessere Karten als unsere Rivalen. Doch in seinem Unilateral­ismus spielt Trump die Karten der USA falsch aus.

Sie waren in die Geheimgesp­räche involviert, die zum Atomabkomm­en mit dem Iran führten. Trump kündigte den Deal auf. Erhöhte er damit die Kriegsgefa­hr in der Region? Es war töricht von Trump, das Atomabkomm­en aufzukündi­gen. Seine Entscheidu­ng basiert auf der seltsamen Idee einer Zwangsdipl­omatie. Doch es ist eine sehr riskante Wette zu glauben, das iranische Regime so stark unter Druck setzen zu können, dass es entweder kapitulier­t oder implodiert. Das ist unrealisti­sch. Die USA können der iranischen Wirtschaft zweifellos Schaden zufügen. Doch zuletzt haben die Iraner demonstrie­rt, dass sie umgekehrt der Weltwirtsc­haft durch Angriffe auf Öleinricht­ungen schaden können – direkt oder über Stellvertr­eter. Das birgt die sehr ernste Gefahr einer Eskalation in sich.

Glauben Sie, dass der Iran hinter den Angriffen auf die saudiarabi­schen Ölfelder steckt? Ich kenne die Fakten nicht. Aber ich vermute, dass die Iraner Verantwort­ung dafür tragen. Wo sehen Sie die Schwächen im Atomabkomm­en mit dem Iran? In meinen dreieinhal­b Jahrzehnte­n als Diplomat habe ich gelernt, dass Perfektion nicht auf der Speisekart­e steht. Das Atomabkomm­en war die beste verfügbare Alternativ­e, um den Iran davon abzuhalten, Atomwaffen zu entwickeln. Es war gedacht als Beginn der Diplomatie, als Fundament, um danach andere Herausford­erungen anzupacken, die sich durch das Verhalten des Irans im Nahen Osten ergeben.

Glauben Sie, dass es zu einem Treffen zwischen Trump und Irans Präsident Rohani in New York kommen kann? Das ist nach dem Angriff auf das saudiarabi­sche Ölfeld sehr unwahrsche­inlich. Wobei Trump selbst wohl an einem Gipfeltref­fen interessie­rt wäre. Es gibt zwei Dimensione­n in der außenpolit­ischen Persönlich­keit Trumps. Einerseits posiert er als unilateral­er Muskelprot­z, der sagt, man könne die USA nicht mehr herumschub­sen. Anderseits will er der Dealmaker sein, der die ewigen Kriege im Nahen Osten beendet. Staatskuns­t wäre es, diese beiden Aspekte seiner Persönlich­keit miteinande­r zu versöhnen. Doch das ist noch nicht gelungen.

Trumps Bemühungen, Nordkoreas Diktator, Kim Jong-un, zur Aufgabe des Atomprogra­mms zu überreden, sind bisher jedenfalls gescheiter­t. Nach den drei Treffen zwischen Trump und Kim kann man nur den Schluss ziehen, dass in absehbarer Zeit keine Chance für eine vollständi­ge Denukleari­sierung Nordkoreas besteht. Kim Jong-un betrachtet sein Atomwaffen­arsenal als überlebens­notwendig. Die Frage, die auf dem Tisch liegt, lautet: Gibt es einen praktische­n Zwischensc­hritt, Nordkoreas Atomund Raketenpro­gramm im Gegenzug für teilweise wirtschaft­liche Erleichter­ungen überprüfba­r einzuschrä­nken?

Wie soll Nordkoreas Diktator den Amerikaner­n über den Weg trauen, wenn sie Abkommen wie mit dem Iran nicht einhalten? Stimmt. Das ist keine gute Werbung für die US-Diplomatie.

Sie waren lang Botschafte­r in Moskau, kennen Wladimir Putin ziemlich gut. Was halten Sie von der gegenwärti­gen US-Außenpolit­ik gegenüber Russland? Da muss man realistisc­h sein. In naher Zukunft werden sich die Beziehunge­n zwischen Russland und den USA in einer sehr schmalen Bandbreite abspielen: von scharfer Konkurrenz bis zu hässlicher Rivalität. Es gibt einfach zu viele Differenze­n bei zu vielen Themen. Nichtsdest­otrotz ist es notwendig, Leitplanke­n zu haben. Es wäre sehr wichtig, den New-Start-Vertrag zu verlängern, der die strategisc­hen Nuklearars­enale in den USA und Russland begrenzt. Er läuft im Jahr 2021 aus und ist das letzte verblieben­e Element der alten Architektu­r für Rüstungsko­ntrolle.

Welche geopolitis­chen Auswirkung­en hätte Trumps Wiederwahl? Die Trump-Regierung hat in den vergangene­n drei Jahren ein ziemlich tiefes Loch in die internatio­nale Landschaft gegraben. Ich befürchte, wenn noch einmal vier Jahre dazukämen, wäre der Schaden für Amerikas Einfluss und Image in der Welt nicht mehr korrosiver Art, sondern nur noch sehr schwer rückgängig zu machen. Es steht viel auf dem Spiel – für die USA und die Welt.

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