Die Presse

Wie groß ist die Kriegsgefa­hr am Golf ?

Analyse. US-Regierungs­kreisen zufolge ging der Angriff auf saudiarabi­sche Ölanlagen vom Iran aus. Trotzdem kommen aus Washington nicht nur martialisc­he Töne.

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Der Schock in Saudiarabi­en über brennende Ölanlagen sitzt tief, der Schaden ist enorm. Denn die Raketen trafen nicht irgendwelc­he herkömmlic­hen Öltanks, sondern gezielt die wertvollen Gas-Öl-Abscheidek­essel. Sie sind das Herzstück der gesamten Raffinerie, vor Ort montiert und erst in monatelang­er Rekonstruk­tion zu ersetzen. Trotzdem sind die Reaktionen aus Riad bisher verhalten. König Salman schweigt, sein nach Washington entsandter Sohn und Ex-Botschafte­r Khalid bin Salman beschwor die Gesprächsp­artner im Pentagon und Außenminis­terium, man wolle den Erzrivalen am Persischen Golf zwar ökonomisch isolieren, aber keinen Krieg.

Denn spätestens seit dem Wochenende ist der gesamten Region klar, über welches Raketenpot­enzial der Iran verfügt, mit dem er auch seine Verbündete­n hochrüstet, die Houthis im Jemen, die schiitisch­en Milizen im Irak und die Hisbollah im Libanon. Bei einem Waffengang stünden daher Saudiarabi­en und die Vereinigte­n Arabischen Emirate an vorderster Front. Weitere Förderanla­gen würden in Flammen aufgehen. Ein Rekordölpr­eis könnte die Weltwirtsc­haft in die Rezession treiben.

Und so rasselt der ferne Chefverbün­dete Donald Trump zwar kräftig mit dem Säbel und meldet die USA per Twitter als „Gewehr bei Fuß“. Doch entscheide­nd ist eher das Kleingedru­ckte. Er habe den Saudis nichts versproche­n, beteuerte der US-Präsident. Als Waffenkund­e ist ihm das Königreich hochwillko­mmen, nicht jedoch als Auslöser eines weiteren amerikanis­chen Nahostkrie­ges.

Entspreche­nd wankelmüti­g verhalten sich der Mann im Weißen Haus und seine Entourage nach dem Großangrif­f auf die Ölanlagen von Abqaiq und Khurais. Einmal bezichtige­n sie irantreue Milizen im Irak und zeigen direkt auf Teheran, dann rudern sie nach entschiede­nem Protest der Bagdader Führung wieder zurück.

Am Dienstag wiederum hieß es in US-Regierungs­kreisen, der Angriff sei vom Iran ausgegange­n. Mit 20 Drohen und mindestens zwölf Raketen, wie das „Wall Street Journal“schrieb. Einmal trompetet Trump, diese Attacke dürfe nicht ohne Antwort bleiben, eine Stunde später bereits flötet er, er wolle mit niemandem Krieg und lieber Irans Präsident, Hassan Rohani, persönlich treffen.

Und so rutscht der US-Präsident ein weiteres Stück in die Grube hinein, die er sich mit seinem unbedachte­n Austritt aus dem Atomvertra­g selbst ausgehoben hat. Denn Trumps Strategie erzeugt nicht viele Gewinner und nur den einen Verlierer Iran, wie die Rambo-Rhetorik des Weißen Hauses suggeriert. Stattdesse­n könnten am Ende alle zu den Verlierern gehören. Die Saudis wissen das seit dem Desaster am Samstag. Und Donald Trump scheint es mittlerwei­le zu ahnen.

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