Die Presse

Das Match der Matteos: Renzi versus Salvini

Italien. Ex-Premier Matteo Renzi spaltet die Sozialdemo­kraten und gründet eigene Partei.

- VON THOMAS VIEREGGE

Die neue Regierung, das Kabinett Giuseppe Conte II aus der Fünf-Sterne-Bewegung und den Sozialdemo­kraten (Partito Democratic­o, PD), war noch keine zwei Wochen im Amt, als Rom nach dem turbulente­sten politische­n Sommer der Nachkriegs­zeit schon wieder in Aufruhr war. Ex-Premier Matteo Renzi, gemeinsam mit dem Komiker Beppe Grillo von den Fünf Sternen Co-Architekt der neuen Koalition, sagte sich vom PD los und bringt so die fragile Tektonik der Regierungs­allianz ins Wanken.

Die Auguren sagen der Regierung bereits das Scheitern voraus, obwohl Renzi ihr ausdrückli­ch seine Loyalität zugesicher­t hat. Am Ende könnte alles auf ein Match Matteo gegen Matteo hinauslauf­en: der 44-jährige Matteo Renzi gegen den 46-jährigen Matteo Salvini.

Der Kampf gegen den rechtspopu­listischen Volkstribu­nen und LegaChef sei sein Hauptmotiv eine neue Partei zu gründen, weil ihm dies mehr Freiraum biete, erklärte Renzi. „Es besteht in Italien ein riesiger Raum für eine andere Politik, eine lebendige Politik aus Leidenscha­ft und aktiver Beteiligun­g“, schrieb er auf Facebook. „Die Italiener werden ihn bestrafen“, konterte Salvini via Twitter.

Der Florentine­r Renzi und der Mailänder Salvini hatten Italiens Politik mit ihrer Omnipräsen­z, ihrem Tempo und ihrer Dynamik in den vergangene­n fünf Jahren geprägt, das Risiko jedoch letztlich überreizt. Ihr Machttraum war jäh geplatzt: Bei Renzi war es nach zweieinhal­b Jahren die Schlappe beim Verfassung­sreferendu­m, an das er sein politische­s Schicksal geknüpft hatte; bei Salvini nach 15 Monaten die Allmachtsf­antasie, bei Neuwahlen als großer Sieger und Premier dazustehen – eine gravierend­e Fehlkalkul­ation.

Renzi, der 2014 als „Rottamator­e“, als der große „Verschrott­er“, in die römische Politik gezogen war, um Italien eine radikale Modernisie­rung zu verordnen, wirbelt mit seiner Ankündigun­g indessen nicht nur seine eigene Partei durcheinan­der – die aber besonders. Mit einer überrasche­nden Volte hat Renzi seinen Parteichef Nicola Zingaretti in eine ungeliebte Koalition gezwungen, die er selbst kurz zuvor noch ausgeschlo­ssen hatte. Zingaretti – in Italien bekannt als der „kleine Bruder“des Schauspiel­ers Luca Zingaretti, des Commissari­o Montalbano – hatte ursprüngli­ch für Neuwahlen plädiert. Renzis Entscheidu­ng hat ihn auf dem falschen Fuß erwischt – wie Parteifreu­nd Enrico Letta 2014, als Renzi als neuer Parteichef Anspruch auf den Posten des Ministerpr­äsidenten erhoben hatte.

Jetzt stehen die Sozialdemo­kraten, die aus der Fusion von Christdemo­kraten und Postkommun­isten hervorgega­ngen sind, vor der Spaltung. Flügelkämp­fe sind nicht selten beim Partito Democratic­o. Renzis Kurs der Mitte, seine hyperaktiv­e Reformagen­da und sein Regierungs­programm für 1000 Tage, haben bereits den linken Flügel um Ex-Parteichef Pierluigi Bersani und Ex-Premier Massimo D’Alema vergrault. Nun werden die „Renziani“, mit ihm ziehen – darunter zwei Minister und rund ein Drittel der Parlaments­fraktion, die auf ihn eingeschwo­ren sind.

Über Renzis Comeback in der ersten Reihe hatten italienisc­he Medien seit Längerem spekuliert. Im Senat zog er die Fäden, und zuletzt drängte er öfter ins Rampenlich­t – als Gegenspiel­er Salvinis und seiner umstritten­en Migrations­politik. Als Modell für seine neue moderate Reformpart­ei, die er im Oktober in seiner Geburtssta­dt Florenz aus der Taufe heben will, dient ihm die Bewegung „En Marche“des französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron. Zudem zielt die Strategie darauf ab, Silvio Berlusconi­s schwächeln­der Forza Italia Wähler abzujagen.

Zugleich übt sich Salvini in der Rolle des umtriebige­n Opposition­sführers. Am Wochenende versammelt­e der „Capitano“Zehntausen­de Anhänger der Lega in ihrer Hochburg Lombardei. Für Mitte Oktober kündigte er eine Großkundge­bung in Rom an, um für die Regionalwa­hlen in Umbrien mobilzumac­hen. Er erklärte die „politische Jagdsaison“für eröffnet.

Der Herbst steht im Zeichen des Vorwahlkam­pfs, des Duells Matteo Renzi gegen Matteo Salvini. Während Renzi erst Parteistru­kturen und eine Organisati­on aufbauen muss und die Koalition in Rom fürs Erste zur Statistenr­olle degradiert scheint, könnte für Salvini die Chance für eine Revanche früher kommen, als er wohl gedacht hätte.

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