Gerichtsdolmetscher: „Mehr Geld“
Protest. Österreichs Gerichtsdolmetscher legten am Mittwoch die Arbeit nieder. Sie beklagen ihre Einkommenssituation und das – damit zusammenhängende – Schrumpfen der Branche.
Die Szene passt zum Gesamtbild: Die Justiz, vor allem die Bezirksgerichte, klagen seit Monaten über dramatische personelle Engpässe; insbesondere Kanzlei- und Schreibkräfte fehlen. Nun stimmen auch die Gerichtsdolmetscher mit ein. Am Dienstag legten diese bundesweit ihre Arbeit nieder und hielten einen Aktionstag ab. Ihre Forderung ist schnell erklärt: Sie wollen höhere Honorare.
Bezeichnenderweise fand die Informationsveranstaltung der Übersetzer im Straflandesgericht Wien statt, viele waren aus den Bundesländern angereist. Schon vorab hatte sich die Richtervereinigung solidarisch erklärt. Ebenso sind die Staats- und die Rechtsanwälte auf der Seite der Dolmetscher. Deren Situation lässt sich anhand von Zahlen illustrieren: Im Jahr 2006 gab es in Österreich ungefähr 1400 Gerichtsdolmetscher. Aktuell sind es 720. Davon sind 540 im Gerichtsdolmetscher-Verband organisiert.
Verbandspräsidentin Andrea Bernardini führt das Schrumpfen der Branche auf die dürftige Entlohnung zurück. Dabei bekam sie am Dienstag Schützenhilfe von Neos-Justizsprecherin Irmgard Griss (sie war 30 Jahre lang Richterin): Selbstverständlich gebe es einen Zusammenhang zwischen der Entlohnung und „der Attraktivität des Berufs“.
Bernardini beklagte, dass das Justizministerium zwar Verständnis für die finanzielle Situation der Übersetzer zeige, aber auf Budgetknappheit verweise. Griss: „Auf dem Geld sitzt nicht das Justizministerium, sondern das Finanzministerium.“
Derzeit verdienen Gerichtsdolmetscher 24,50 Euro für die erste halbe Stunde, die sie in einer Verhandlung vor einem Strafgericht übersetzen. Jede weitere halbe Stunde wird mit 12,40 Euro (vor Steuern und Abgaben) entlohnt. Bernardini fordert nun 50 Euro pro halber Stunde. Bei Übersetzungen bekommen die Dolmetscher pro tausend Zeichen (ohne Leerzeichen) 15,20 Euro. Das entspricht einem Zeilenhonorar von 79 Cent. Der Verband fordert nun 1,80 Euro.
Anders ist die Regelung im Zivilverfahren. Dort machen sich die Gerichtsdolmetscher das Honorar mit den (privaten) Parteien aus – dort müssen Letztere (und nicht der Staat) für die Entlohnung aufkommen. Der Regeltarif beträgt 72 Euro pro Prozessstunde, kann aber eben nach Vereinbarung höher sein.
Auch die Gesamtzahl der Gerichtsdolmetscher für Österreich sollte angehoben werden, fordert der Verband. Auf 2000 bis 3000 Dolmetscher. So gebe es derzeit etwa für Arabisch Engpässe, erklärt Bernardini. Zudem sei die Berufsgruppe überaltert. Das Durchschnittsalter „knapp 60“.
Wer Dolmetscher werden will, muss entweder ein Dolmetscherstudium verbunden mit zwei Jahren Praxis aufweisen – oder fünf Jahre Praxis. Die Zertifizierungsprüfung umfasst einen theoretischen und einen praktischen Teil. Letzterer besteht aus einer simulierten Gerichtsverhandlung. betrage derzeit
Die frühere SPÖ-Justizministerin Maria Berger (nach einer Station am Europäischen Gerichtshof, Luxemburg, mittlerweile in Pension) trat bei der Veranstaltung ebenfalls auf. Sie erinnerte an die von ihr ins Leben gerufene Petition „Rettet die Justiz“, die sich unter anderem für die Erhöhung des Justizbudgets starkmacht. Und 12.600 Unterschriften gesammelt hat.
Jetzt-Mandatar Alfred Noll machte darauf aufmerksam, dass trotz sinkender Dolmetscherzahlen und damit trotz eines knapperen Angebots die Preise, gemeint: Honorare, nicht – wie man meinen könnte – steigen, sondern sinken. Aus dem Justizressort heißt es, Minister Clemens Jabloner sehe „Reparaturbedarf“. Eine Verordnung, die eine Inflationsabgeltung bei der Honorierung regle, sei zur Diskussion gestanden, aber am fehlenden Budget gescheitert. Jedenfalls wolle er das Thema Gerichtsdolmetscher in seinen Wahrnehmungsbericht schreiben, welchen er der künftigen Ressortspitze bei Amtsübergabe überreichen werde.