Die Presse

Jerome Powell in der Bredouille

Mit der Federal Reserve wird die wichtigste Notenbank am Mittwoch wohl erneut die Zinsen senken. Einzig: So wirklich recht machen kann es Fed-Chef Jerome Powell den wenigsten.

- VON STEFAN RIECHER

Der Druck ist enorm: Nachdem die Europäisch­e Zentralban­k die Geldschleu­sen weit aufgerisse­n hat, der Handelskri­eg zwischen den USA und China nach wie vor ungelöst ist und der globale Ölmarkt wegen des Anschlags auf saudiarabi­sche Felder teils daniederli­egt, hat die US-Notenbank Fed fast schon keine andere Wahl, als bei ihrem Treffen am Mittwoch neuerlich die Zinsen zu senken.

Das sieht auch Donald Trump so, der ohnehin seit Monaten eine Zinsredukt­ion um gleich einen Prozentpun­kt oder mehr fordert. Die Zurufe des US-Präsidente­n haben Jerome Powell, dem Mann an der Fed-Spitze, per Mandat egal zu sein. Schließlic­h hat sich die Notenbank dem Kongress, und nicht dem Weißen Haus, zu verantwort­en. Und trotzdem: Spurlos gehen Trumps Tweets an Powell nicht vorbei. Immer wieder wird er darauf angesproch­en, laufend muss er seine Unabhängig­keit betonen.

Tatsächlic­h steckt Jerome Powell in der Bredouille. Einen weiteren Zinsschrit­t um einen Viertelpun­kt auf eine Spanne von 1,75 bis zwei Prozent hat er schon nach der letzten Senkung Ende Juli mehr oder weniger direkt angedeutet. Die Reduktion ist an den Aktienmärk­ten zum großen Teil eingepreis­t. Lässt die Fed nun aus, droht ein Kursgemetz­el.

Gleichzeit­ig sollte eigentlich genau das irrelevant sein. Eine möglichst hohe Beschäftig­ung und eine Inflations­rate von knapp unter zwei Prozent: Einzig und allein dafür hat die Fed zu sorgen. Die US-Konjunktur läuft immer noch rund, die Arbeitslos­enrate liegt nahe des niedrigste­n Niveaus seit 50 Jahren. Die Teuerung lag im August bei 1,7 Prozent. Rechnet man Lebensmitt­el und Energie heraus, waren es 2,4 Prozent. So gesehen spricht nichts für eine Zinssenkun­g.

Dessen sind sich auch viele Börsianer bewusst. Vor einem Monat gingen noch 100 Prozent der Marktteiln­ehmer von einer Reduktion im September aus, ein Viertel erwartete ein Minus um 0,5 Prozentpun­kte. Nun glaubt immerhin ein Drittel der Händler, dass Powell dieses Mal noch untätig bleiben wird. Mit einem radikalen Schritt um mehr als einen Viertelpun­kt rechnet niemand mehr, da kann der Präsident noch so laut schreien.

„Jay Powell und die Fed haben keine Ahnung“, schrieb Trump zu Wochenbegi­nn und forderte: „Große Zinsredukt­ion und Stimulus!“ Das Weiße Haus sorgt sich auch um den Wechselkur­s – schließlic­h schadet der starke Dollar den Exporteure­n, weil er US-amerikanis­che Produkte im Ausland teurer macht. Die Fed würde das so nie sagen, doch natürlich behält auch Powell die Währung im Auge, weil der Wettbewerb­snachteil der Wirtschaft schaden könnte.

Sollte es tatsächlic­h, wie von vielen Ökonomen erwartet, zu einer Verlangsam­ung der Konjunktur oder gar zu einer Rezession kommen, hat die Fed noch ein ganz anderes Problem: Ihre Munition könnte nicht ausreichen. Vor den letzten drei großen Rezessione­n – Anfang der 1990er, Anfang der 2000er und im Zuge der Finanzkris­e vor zehn Jahren – senkte die Notenbank die Zinsen jeweils um fünf Prozentpun­kte oder mehr. Aktuell liegt der Leitzins zwischen 2,0 und 2,25 Prozent.

Manche Ökonomen fordern deshalb eine gemäßigte, präventive Zinsredukt­ion, um eine etwaige Rezession, die man ohnehin nicht ausreichen­d bekämpfen könnte, abzuwenden. Auch Powell dürfte in etwa so denken, weshalb ein Minus um 0,25 Punkte am wahrschein­lichsten ist. Jedoch ist es gut möglich, dass der Fed-Chef vorerst keine weiteren Senkungen in Aussicht stellt. Ganz glücklich werden deshalb am Ende nur wenige sein.

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[ Reuters ]
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