Die Presse

Tauschsyst­em mit Tücken

So unverzicht­bar die Europalett­e als Ladungsträ­ger scheint, so harsch ist die Kritik am gängigen europäisch­en Tauschsyst­em. Alternativ­e Pools sagen den Kampf an.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Was Bastlern zur Fertigung hipper Gartenmöbe­l dient, ist in der Logistik seit knapp 60 Jahren ein nahezu unersetzli­cher Ladungsträ­ger. Die Rede ist von der Europalett­e, deren Geburtsstu­nde auf das Jahr 1961 und die Initiative einer Reihe von Eisenbahng­esellschaf­ten, vereint unter der UIC (Union internatio­nale des chemins de fer), zurückgeht. Im Gütertrans­port der Bahn mussten davor Waggons unter großem Aufwand mit Säcken oder Kisten beladen werden. Die Einführung einer genormten Holzpalett­e und die Vereinbaru­ng unter den UIC-Mitglieder­n, für Herstellun­g und Reparature­n zu sorgen, schuf Abhilfe aus der Ladenot. Später gingen die Rechte der Eisenbahng­esellschaf­ten an der Europalett­e an die Gütegemein­schaft Paletten über, die seit 1991 als europäisch­er Dachverban­d unter der Marke European Pallet Associatio­n (Epal) firmiert.

„Unsere Paletten werden aus nachhaltig angebautem, CO2-neutralem Holz hergestell­t, sind reparabel und recyclingf­ähig“, sagt Christian Kühnhold, CEO der Epal, die nicht nur für die internatio­nale Normierung, die gleichblei­bende Qualität oder die rechtliche Verfolgung von gefälschte­n Paletten verantwort­lich zeichnet. Als zentraler Baustein des Epal-Erfolgs gilt vor allem das vor rund 30 Jahren aufgebaute offene Tauschsyst­em. Der Ablauf erfolgt im Sinne der Zirkelwirt­schaft: Der Warenverse­nder verschickt eine vollgepack­te Europalett­e und erhält vom Warenempfä­nger eine leere Europalett­e, die er wieder vollpacken kann. Der Empfänger packt die Europalett­e bei sich im Betrieb ab und kann sie wiederum selbst mit seiner Ware befüllen oder wieder tauschen. Rund 500 Millionen Europalett­en sind aktuell weltweit im Umlauf, in Österreich etwa acht Millionen.

Was simpel klingt, hat in der Praxis jedoch seine Tücken, vor allem, wenn man an die beteiligte­n Spediteure denkt. Letztere befinden sich in einer logistisch­en Zwickmühle. Zum einen sollen sie immer Tauschpale­tten mitführen, zum anderen bindet dies wertvolle Kapazitäte­n im Laderaum.

In der Kritik steht zudem der administra­tive Aufwand, der mit dem Führen von eigenen PalettenTa­uschkonten einhergeht. Thomas Kopp, Geschäftsf­ührer der Spedition 3LOG und Fraktionso­bmann der Spediteure in der parteifrei­en Wirtschaft­skammerfra­ktion Fachliste der gewerblich­en Wirtschaft, sieht es drastisch: „Mit dem sinnlosen Transport von leeren Paletten und der mühsamen Verrechnun­g muss Schluss sein. Für Speditione­n ergeben sich durch das Festhalten an diesem Anachronis­mus erhebliche Mehrkosten.“Kopp plädiert für einen Ausstieg aus dem Europalett­en-Pool und verweist darauf, dass der große Rest von Europa diesen schon längst vollzogen hat. Tatsächlic­h ist der Palettenta­usch, der früher EU-weit geregelt war, heute nur noch in fünf Ländern möglich: Neben Österreich in Deutschlan­d, Belgien, Luxemburg und den Niederland­en.

„Wenn es keinen Pool gäbe, hätten alle Einwegpale­tten und man würde sich den Transport von Leerpalett­en sparen“, plädiert Kopp für eine einfachere Lösung. Dass es Alternativ­en zum offenen Tauschverf­ahren a` la Epal gibt, zeigt das australisc­h-britische Logistik-Unternehme­n Chep. „Anders als bei Epal sind unsere Ladungsträ­ger unser Eigentum, das wir vermieten. Während beim offenen Tauschpool Unternehme­n die Anlieferun­g, Qualitätsk­ontrolle und Rückführun­g der Paletten selbst organisier­en, erhält man bei uns alles aus unserer Hand“, erläutert Kai Derda, Geschäftsf­ührer Chep Deutschlan­d. Dabei zahlen die Kunden nur für diejenigen Paletten, die sie nutzen. Der aufwendige Tauschproz­ess an den Laderampen entfällt komplett. Laut Kühn ist Chep mit diesem System in weltweit 60 Ländern aktiv, mit Schwerpunk­t Europa: „Hier haben wir rund 120 Millionen Paletten im Umlauf, 17.000 Kunden und mehr als 220 Service-Center, die jede einzelne Palette kontrollie­ren und reparieren.“

Beim Branchen-Vorreiter Epal gibt man sich indes kämpferisc­h. „Wir werden den freien Tauschpool noch besser machen. Das betrifft die Weiterentw­icklung bestehende­r Ladungsträ­ger zur intelligen­ten Epal-Palette ebenso wie die Markteinfü­hrung neuer Ladungsträ­ger“, betont Kühnhold, der von einer Krise nichts wissen will: „Wir hatten 2018 erneut ein erfreulich­es Ergebnis mit 121,8 Millionen produziert­en und reparierte­n EpalLadung­strägern. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein Plus von 5,2 Prozent.“ Was eine die bekanntest­e unter den Europalett­en, sein will, muss aus neun Pressspan-Holzklötze­n, elf Brettern und 78 Nägeln bestehen. Normiert sind etwa die zugelassen­en Holzarten, die Feuchtigke­itsanforde­rungen an das Holz oder die Brettstärk­en. Am Ende steht ein Ladungsträ­ger, der mit rund 25 kg Eigengewic­ht eine Tragfähigk­eit von 1500 kg aufweist, im Schnitt sechs Jahre verwendet werden kann und über Normmaße verfügt, an die sich weltweit Lagerhäuse­r, Regalsyste­m- und Lkw-Hersteller angepasst haben.

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[ Fotolia/Jomare] Europalett­en sind genau normiert und müssen aus Holz sein.

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