Die Presse

Suche nach den grünen Hebeln

Die Logistik bemüht sich, das Image einer wenig nachhaltig­en Branche abzulegen. Ein Überblick über diverse Initiative­n.

- VON MICHAEL LOIBNER

Das Bewusstsei­n, dass es auch in der Transportl­ogistik nachhaltig­e Ansätze braucht, ist schon seit einigen Jahren da, aber jetzt erst so richtig in den Fokus gerückt“, sagt Wolfgang Kubesch, Geschäftsf­ührer der Bundesvere­inigung Logistik Österreich (BVL). Tatsache ist: Rund zwei Drittel des Gütertrans­ports hierzuland­e verlaufen wenig umweltfreu­ndlich auf der Straße, Prognosen gehen – nicht zuletzt aufgrund des boomenden Onlinehand­els – von einem weiteren Anstieg der Transportm­engen in den kommenden Jahren aus. „Der wesentlich­e Hebel, um die Emissionen des Güterverke­hrs reduzieren zu können, besteht in der Veränderun­g hin zu klimavertr­äglicheren Transportm­odi, also in der Verlagerun­g auf Bahn und Binnenschi­ff“, empfiehlt der VCÖ-Verein Mobilität mit Zukunft.

In die richtige Richtung bewegt sich demnach das Familienun­ternehmen Lkw Walter aus Wiener Neudorf: Es erhielt heuer den Nachhaltig­keitspreis Logistik der BVL für seine optimierte Transportp­lanung, dank derer ein großer Teil der Straßentra­nsporte auf die Verkehrstr­äger Bahn und Schiff umgelenkt wurde. Helmut Eder, Firmenvera­ntwortlich­er für Kombiniert­en Verkehr, bestätigt das steigende Bewusstsei­n der Branche: „Auch im Ressort Green Logistics des Zentralver­bandes der Spediteure beschäftig­en wir uns damit, den ökologisch­en Fußabdruck der logistisch­en Dienstleis­tungen kontinuier­lich zu minimieren.“Mit einem Bahnanteil von über 30 Prozent ist Österreich unter den Top sechs in Europa – Sorgen macht den Logistiker­n jedoch vor allem die „last mile“, also die letzte Etappe der Lieferung bis zur Haustüre des Kunden.

Immer stärker rücken da die „City Hubs“in den Fokus. Die Idee: Verschiede­ne Zulieferer bringen die Waren bis in diese Lagerzentr­en, dort werden sie gebündelt. Die Empfänger werden nicht von jedem Zulieferer einzeln besucht, sondern ein Sammelzust­eller bringt alle Sendungen gemeinsam ans Ziel – und das emissionss­chonend per Elektroaut­o oder Lastenrad. „Damit spart man in den Städten Mehrfachfa­hrten und viele Kilometer“, bringt Fritz Lehr, Geschäftsf­ührer des Wiener Hafens, die Vorteile auf den Punkt. Der Hafen hat in Kooperatio­n mit der Stadt Wien unter dem Projektnam­en „Hubert“einen solchen City Hub initiiert – als eine der konkreten Initiative­n, die aus der vor zwei Jahren ins Leben gerufenen und auf nachhaltig­e Logistiklö­sungen abzielende­n „Innovation­swerkstatt Thinkport“hervorgega­ngen sind. Eine ähnliche Initiative ist in der Grazer Innenstadt geplant, die Österreich­ische Post – BVL-Preisträge­r 2016 für die teilweise Umstellung des Fuhrparks auf Elektrofah­rzeuge – hat mit dem „City Hub Vienna“im dritten Bezirk ein weiteres Projekt seit Mitte Juli im Testbetrie­b.

Wolfgang Kubesch von der BVL betont, dass nicht nur bei den Transportf­ahrten versucht werden müsse, Schadstoff-Emissionen zu reduzieren, sondern dass zunehmend auch Logistikim­mobilien wie eben die City Hubs nachhaltig gebaut und betrieben werden sollten. In Enzersdorf (NÖ) entsteht in den kommenden vier Jahren der größte Logistikpa­rk Österreich­s, der im Endausbau über rund 150.000 Quadratmet­er Lagerfläch­e verfügen wird. Ein Teil ist bereits in Betrieb. Christian Vogt, Geschäftsf­ührer des Entwickler­s Deutsche Logistik Holding Real Estate (DLH), weist darauf hin, dass die Gebäude von der Deutschen Gesellscha­ft für nachhaltig­es Bauen (DGNB) zertifizie­rt sind. „Viele Logistik-Unternehme­n, die sich bei uns einmieten, fragen gezielt danach, ob sie hier die Möglichkei­t haben, elektrisch­e Verschub- und Verladesys­teme einzusetze­n, ob E-Ladestatio­nen vorhanden sind oder auch, ob es Fahrradstä­nder für die Mitarbeite­r gibt“, erkennt Vogt das steigende Nachhaltig­keitsbewus­stsein in der Logistikbr­anche.

Wenn es um Verladesys­teme und andere ökologisch verträglic­he Lagerlogis­tik-Lösungen geht, sieht sich Knapp aus Hart bei Graz als Technologi­etreiber. In dem steirische­n Unternehme­n arbeitet man daran, die Prozesse entlang der gesamten Wertschöpf­ungskette zu optimieren, und entwickelt beispielsw­eise intelligen­te Softwaresy­steme, die die Warenausga­be automatisi­eren. „Es geht darum, Fehlzuordn­ungen zu verhindern und so dazu beizutrage­n, dass es keine unnötigen Fehlfahrte­n und Retoursend­ungen gibt“, erklärt Nachhaltig­keitsveran­twortliche Katrin Pucher. Selbst habe man die Initiative „Knapp goes green“ins Leben gerufen: Fotovoltai­k versorgt die Firmenzent­rale und die E-Auto-Ladestatio­nen mit Strom, dazu gibt es kostenlose Öffi-Tickets für die Mitarbeite­r und Förderunge­n für Fahrgemein­schaften.

„Viele Kunden suchen sich ihren Transporte­ur mittlerwei­le nach Nachhaltig­keitskrite­rien aus“, sagt DLH-Chef Vogt: „Umweltbewu­sst zu agieren, ist daher eine Notwendigk­eit, will man als Logistiker auf dem Markt bestehen.“ Zahlreiche Zusammensc­hlüsse und Initiative­n setzen sich für nachhaltig­e Maßnahmen in der Logistik ein. Neben der Bundesvere­inigung Logistik Österreich (BVL) gibt es unter anderem das initiiert von Schachinge­r Logistik, einem der heimischen Vorreiter in Sachen ökologisch verträglic­her Transport. Der Zentralver­band der Spediteure hat das Ressort ins Leben gerufen, die Wirtschaft­skammer das Projekt

Der Verein Netzwerk Logistik ist ebenfalls um Nachhaltig­keit bemüht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria