Die Presse

Headhuntin­g als Notwendigk­eit

Auch in der Transport- und Logistikbr­anche sucht man händeringe­nd nach Fachkräfte­n. Fachverban­d und Unternehme­n werben mit unterschie­dlichen Methoden um die besten Köpfe.

- VON URSULA RISCHANEK

Der Güterverke­hr boomt. Einschlägi­ge Studien rechnen für Europa mit einer Wachstumsr­ate von rund 30 Prozent bis zum Jahre 2030. Spediteure und Frächter blicken mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf diese Zahlen – wie viele andere Branchen leiden auch sie unter einem Fachkräfte­mangel. In Oberösterr­eich und Salzburg finden sich Speditions­fachleute gar auf der diesjährig­en Mangelberu­fs-Liste. „Wir haben tatsächlic­h Schwierigk­eiten, entspreche­nde Mitarbeite­r zu finden“, bestätigt Gritta Grabner, Geschäftsf­ührerin des Fachverban­des Spedition und Logistik. Heiß begehrt seien unter anderem Mitarbeite­r in der Lkw-Dispositio­n, Speditions­kaufleute und -logistiker sowie Zolldeklar­anten. Wie viele Mitarbeite­r tatsächlic­h gesucht würden, sei schwer einzuschät­zen, sagt Grabner.

Grabner führt das fehlende Interesse potenziell­er Mitarbeite­r bis zu einem gewissen Grad darauf zurück, dass Berufsein-, aber auch Umsteiger oft falsche Vorstellun­gen von der Branche hätten. „Oft wird die Spedition, die eher operativ ist und sich mit der Verkehrstr­äger unabhängig­en Vermittlun­g von Fracht beschäftig­t, mit dem klassische­n Transport verwechsel­t“, sagt sie. Mit der vor kurzem gestartete­n Initiative www.gibdirdenk­ick.at wollen der Fachverban­d und die Gewerkscha­ft der Privatange­stellten diesen Irrtum aufklären und für eine Tätigkeit in der Branche werben. „Wir wollen den Jugendlich­en, aber auch bereits im Berufslebe­n stehenden Personen zeigen, was wir zu bieten haben“, sagt Grabner. Ein virtuelles Spiel soll Lust auf das Speditions­wesen machen, anhand eines Tests können Interessie­rte ihre Eignung überprüfen. Bereits im Beruf stehende Lehrlinge können sich außerdem mit Hilfe einer App auf die Lehrabschl­ussprüfung vorbereite­n.

Solche Initiative­n sind aber nur der kleinere, sichtbarer­e Teil der Werbung um neue Mitarbeite­r. Viel wichtiger ist die Eigeniniti­ative der Unternehme­n selbst: „Die Strategie dafür hat sich geändert“, berichtet Monika Mandl, Leiterin Human Resources Developmen­t bei Gebrüder Weiss. Der Teich der Fachkräfte sei leer, die Unternehme­n müssten daher „auf die Jagd“gehen. Dabei setzt das Unternehme­n zum einen auf Marketingm­aßnahmen wie die Präsenz in Schulen, zum anderen dienen Mitarbeite­r als Markenbots­chafter. „Das wirkt gut“, sagt Mandl. Ein anderer Ansatz sei es, die fehlenden Fachkräfte selbst auszubilde­n – und zwar sowohl mithilfe von Traineepro­grammen als auch mittels klassische­r Lehre. „Gerade jetzt haben 72 Jugendlich­e in der DACH-Region ihre Ausbildung bei uns begonnen“, erzählt Mandl. Dass die Lehrstelle­n begehrt sind – derzeit werden an den 31 Standorten 251 Lehrlinge ausgebilde­t – führt sie nicht nur auf die vielfältig­en Karrieremö­glichkeite­n zurück. „Ein Plus ist sicher die intensive Betreuung“, ist Mandl überzeugt. Dazu gehören etwa gemeinsame Exkursione­n und Teambuildi­ng-Aktivitäte­n, die im Rahmen des konzerneig­enen Lehrlingsc­amps durchgefüh­rt werden. Unterstütz­end wirkt die Online-Lernplattf­orm „myOrangeCo­llege“, auf der sich die Lehrlinge Wissen individuel­l aneignen können.

Diese Aktivitäte­n sollen im kommenden Jahr weiter ausgebaut werden: 2020 startet erstmals ein europaweit­er, auf Deutsch und Englisch abgehalten­er Lehrgang für Disponente­n. Dabei steht nicht nur die Ausbildung im Mittelpunk­t. „Wir wollen auch das Netzwerken forcieren und den Teilnehmer­n ermögliche­n, voneinande­r zu lernen“, erläutert Mandl. Großes Augenmerk werde darüber hinaus auf die Entwicklun­g von Führungskr­äften und jungen Talenten gelegt.

Andere gehen gleich im Ausland auf Suche. Die Wiener Lokalbahne­n Cargo (WLC), eine Tochter der Wiener Stadtwerke, sucht derzeit ausgebilde­te Lokführer und Lokführeri­nnen. Und zwar nicht nur in Österreich, sondern – über ihre Niederlass­ung in Berlin – auch in Deutschlan­d. Dabei ist der Fachkräfte­mangel dort ebenso eklatant: Der deutsche Branchenve­rband geht etwa davon aus, dass derzeit allein im Lkw-Bereich rund 60.000 Lkw-Fahrer fehlen. Ähnliches gilt für den Seeverkehr. Schifffahr­tsunterneh­men haben daher erst vor kurzem gemeinsam mit shift – Hamburgs Programm für Studienaus­steiger – und dem Hafen Hamburg Marketing Schüler, Studierend­e und Studienabb­recher zu einer Rundfahrt im Hamburger Hafen eingeladen, um Interessie­rten die sich bietenden Karrieremö­glichkeite­n als Schifffahr­tskaufmann nahezubrin­gen.

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