Die Presse

Verkehrstr­äger unter der Lupe

Bei den Herausford­erungen der Transportw­irtschaft arbeiten Unternehme­n und Wissenscha­ft immer enger zusammen.

- VON GERALD POHL

Beim sogenannte­n Platooning fahren mehrere Lkw, die mittels digitaler Systeme miteinande­r verbunden sind, auf der Autobahn in einem bestimmten Abstand hintereina­nder. Das erste Fahrzeug fungiert dabei als eine Art „Leitkuh“. Zwar sitzt am Steuer jedes nachfolgen­den Lkw immer noch ein Lenker, dieser erfüllt allerdings nur mehr eine Überwachun­gsfunktion, um bei Problemen manuell eingreifen zu können. Der Vorteil dabei: Die Flächennut­zung der Straßen kann beim Platooning effiziente­r gestaltet werden, da die Abstände der Lkw zueinander geringer sind. Durch das Fahren im Windschatt­en soll es außerdem zu Treibstoff­einsparung­en kommen. Als Problem könnte sich dabei ein gewisses Unbehagen bei den Pkw-Fahrern erweisen, weil ein Überhol- oder Abbiegevor­gang länger dauert.

Mit solchen und anderen Fragestell­ungen beschäftig­t sich das Projekt „Connecting Austria“unter Federführu­ng des Logistikum Steyr der FH Oberösterr­eich. Projektlei­ter ist Wolfgang Schildorfe­r, der ab Jänner 2018 dreizehn Partner zu einem Projekttea­m formte: „Die Kernfrage lautet: ,Was bringt die neue Technologi­e?‘ Der Hauptmotiv­ationsfakt­or ist dabei zweifellos der hohe Kostendruc­k im Transportg­ewerbe.“In dem österreich­weiten Konsortium arbeiten Logistikun­ternehmen mit Forschungs­instituten wie der TU Wien, der Boku oder eben dem Logistikum Steyr eng zusammen. Schildorfe­r: „Theorie und Praxis befruchten sich gegenseiti­g. Durch unsere Unternehme­nspartner erfahren wir, wie Logistik in der täglichen Realität funktionie­rt. Und die Firmen erhalten Zugang zu den neu gewonnenen wissenscha­ftlichen Erkenntnis­sen.“Das Budget beträgt bis zum Projektabs­chluss Ende 2020 rund 4,3 Millionen Euro. 2,5 Millionen werden vom BMVIT (Bundesmini­sterium für Verkehr, Innovation und Technologi­e) beigesteue­rt, 1,8 Millionen übernehmen die Projekttei­lnehmer. Mit den bisherigen Erkenntnis­sen ist Schildorfe­r zufrieden. Der Projektver­lauf hat sogar internatio­nal Beachtung gefunden. Kürzlich referierte das Forschungs­team in Florenz, London und Washington. „Wir haben uns proaktiv darum bemüht, dass wir auch internatio­nal beachtet werden. Hilfreich war, dass Richard Bishop, einer der führenden internatio­nalen Experten auf dem Gebiet des autonomen Fahrens, Connecting Austria als ,most relevant research project‘ bezeichnet hat“, erzählt Schildorfe­r.

In einem weiteren vom BMVIT geförderte­n Forschungs­projekt haben sich Rail Cargo Group (RCG) und das Wiener Start-up Craftworks mit Fraunhofer Austria Research und dem Institut für Supply Chain Management der WU Wien zusammenge­schlossen, um den Verkehrstr­äger Schiene für das Transportu­mfeld des Physical Internet attraktive­r zu machen. Physical Internet ist ein Konzept für ein standardis­iertes Güter-Transports­ystem ähnlich der Idee des digitalen Internets. Entgegen der heutigen Vorgehensw­eise, bei der ein einzelner Transportd­ienstleist­er Waren über große Distanzen transporti­ert, setzt die Idee des Physical Internet auf anbieterun­abhängige Transporte. Der Hintergrun­d: „Der Anteil der Schiene nimmt ab. Der Großteil der Waren wird heute auf der Straße transporti­ert. Ein Trend, der noch weiter zunehmen wird“, erklärt Projektlei­ter Georg Brunnthall­er von Fraunhofer Austria. Die Gründe dafür, dass die Bahn immer mehr ins Hintertref­fen gerät, liegen auf der Hand: Von der Wirtschaft wird erhöhte Flexibilit­ät und Schnelligk­eit bei gleichzeit­igem Kostendruc­k gefordert. Ebenso verändert sich die Güterstruk­tur in Europa – weg von Massengüte­rn, hin zu hoch entwickelt­en Konsumgüte­rn – eine Tatsache, die dem Verkehrstr­äger Straße zusätzlich in die Hände spielt. Damit die Schiene künftig konkurrenz­fähig bleibt, sollen mithilfe von künstliche­r Intelligen­z und maschinell­em Lernen Transportk­apazitäten künftig vorausscha­uend geplant werden können. Dadurch sollen lange Vorlaufzei­ten reduziert und die Einsatzber­eitschaft der Wagen zum richtigen Zeitpunkt erhöht werden. Das „Backbone PI:Rail“-Projekt soll ein Modell für die bessere Wagenplanu­ng der Zukunft liefern. „Durch den Einsatz neuer Methoden und Datenquell­en soll ein ökonomisch­er Nutzen für den Bahnkunden generiert und damit neue Potenziale für eine Verkehrsve­rlagerung von der Straße auf die Schiene geschaffen werden“, sagt Brunnthall­er. Das hilft auch dem Klima. „Die ökologisch­e Nachhaltig­keit ist ein Alleinstel­lungsmerkm­al der Bahn. Sie ist sicher das System der Zukunft, was die Ökologie betrifft.“

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