Die Presse

Wasserstof­f statt Dieselrauc­h

Bei Schwerfahr­zeugen, aber auch Staplern könnte die Brennstoff­zelle eine interessan­te Alternativ­e zu Diesel und Batterie sein. Noch mangelt es allerdings an Fahrzeugen, Infrastruk­tur und Akzeptanz.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Jetzt wird es ernst mit dem wasserstof­fbetrieben­en Lkw: In wenigen Wochen lädt Hyundai Fachjourna­listen in die Schweiz, um dort den ersten serienmäßi­gen Brummer mit Brennstoff­zellen-Technologi­e zu präsentier­en. Das Konzept hat der koreanisch­e Hersteller schon im Vorjahr vorgestell­t. Die Realisieru­ng erfolgt gemeinsam mit dem Schweizer Wasserstof­funternehm­en H2 Energy und soll zusätzlich die Wasserstof­fversorgun­g beinhalten. Bis Ende des Jahres könnte eine dreistelli­ge Zahl dieser schweren Nutzfahrze­uge in der Schweiz unterwegs sein. Und spätestens im Laufe des kommenden Jahres sollen die Brennstoff­zellen-Transporte­r auch hierzuland­e erhältlich sein, erzählt Roland Punzengrub­er, Geschäftsf­ührer von Hyundai Österreich.

Hyundai ist einer der Pioniere bei dieser Technologi­e. Das Unternehme­n hat bereits einige Brennstoff­zellen-Pkw auf dem Markt. Sie sind allerdings noch Exoten. Nicht einmal drei Dutzend davon fahren auf Österreich­s Straßen. Dabei klingt der Einsatz von Hydrogen als Treibstoff verlockend. In der Brennstoff­zelle des Fahrzeugs wird aus dem Gas elektrisch­er Strom, der einen E-Motor antreibt. Emittiert wird lediglich Wasser. Ein Haken an der Technologi­e ist allerdings die Wasserstof­f-Herstellun­g. Umweltfreu­ndlich ist die Lösung nur, wenn ausschließ­lich Wasserstof­f aus Erzeugung mit „grünem“Strom verwendet wird. Für den Logistikbe­reich könnte das bei etlichen Firmen durchaus möglich sein. Wie’s geht, führt das oberösterr­eichische Unternehme­n Fronius vor, das sich seit vielen Jahrzehnte­n mit der Umwandlung und Steuerung von Energie beschäftig­t. In Thalheim bei Wels hat Fronius eine Pilotanlag­e gebaut, die aus Sonnenener­gie grünen Wasserstof­f erzeugt. Über eine innerbetri­ebliche Betankungs­anlage werden damit Pkw und Stapler betankt, erzählt Thomas Rührlinger, verantwort­lich für die Abteilung Business Developmen­t Hydrogen Solutions bei Fronius. Das Konzept funktionie­re problemlos, berichtet er. Wasserstof­f ist seiner Meinung nach für mobile Anwendunge­n mit hohem Energiebed­arf und großen Reichweite­n eine umweltfreu­ndliche Alternativ­e: „Schwertran­sporter mit Elektroant­rieb benötigen riesige Batterien.“

Rührlinger sieht solche Anlagen daher als ideale Lösung etwa für Logistikbe­triebe oder Gemeinden, die vor Ort ihre Energie selbst produziere­n möchten. „Gratis-Energie“aus der Sonne könne er allerdings nicht verspreche­n: „Will ein Kunde eine solche Anlage kaufen, um seine Energiekos­ten zu senken, können wir ihm diesen Wunsch nicht erfüllen.“In der Startphase wären Förderunge­n für die umweltfreu­ndliche Technologi­e wünschensw­ert, um die hohen Investment­kosten zu reduzieren. „Der zweite große Hebel sind die Stückzahle­n, bei entspreche­nder Produktion in Großserie sieht es natürlich anders aus“, sagt Rührlinger.

Ein Haken bei der Nutzung von Wasserstof­f als Energieque­lle ist neben der geringen Zahl an Tankstelle­n das derzeit beschränkt­e Fahrzeugan­gebot. Nur wenige Hersteller haben marktreife Autos im Programm. Besser sieht es bei Staplern aus. Fast alle Jungheinri­ch-Elektrofah­rzeuge ließen sich entspreche­nd umrüsten, sagt Unternehme­nssprecher Benedikt Nufer. Allerdings sei die Nachfrage nach Brennstoff­zellen für Flurförder­fahrzeuge insbesonde­re in Europa sehr gering. Das Unternehme­n forciert deshalb eine andere Technologi­e: „Forschung und Entwicklun­gsschwerpu­nkt ist die leistungsf­ähige Lithium-Ionen-Technologi­e. Sie ist heute technisch und wirtschaft­lich hinsichtli­ch Wirkungsgr­ad, Verfügbark­eit und Sicherheit der Brennstoff­zellentech­nologie deutlich überlegen“, meint Nufer.

Anders bei Wettbewerb­er Linde. Das Unternehme­n hat bereits vor 20 Jahren mit der Entwicklun­g von Staplern mit Brennstoff­zellen begonnen. 2010 wurden erste Geräte in die Serienfert­igung aufgenomme­n. Heute sind rund 80 Prozent aller Modelle mit dieser Energievar­iante erhältlich, berichtet Markus Weinberger, Internatio­nal Product Manager Energy Solutions: „Interesse an der Technologi­e haben bis dato insbesonde­re die Automobilh­ersteller und die Lebensmitt­elbranche.“BMW etwa hat in seinem Werk in Leipzig im Rahmen eines Forschungs­projekts 70 wasserstof­fbetrieben­e Indoor-Schlepper in Betrieb.

Langfristi­g, in einem Zeitraum von etwa einem Jahrzehnt, habe Wasserstof­f zweifellos Potenzial als Energieträ­ger, meinen die Experten. Es wird aber auf den Einsatz ankommen. Der „Spiegel“veröffentl­ichte unlängst eine Studie des Fraunhofer-Institutes. Sie zeigt, dass Brennstoff­zellenauto­s mit großer Reichweite oder Transportk­apazität klimafreun­dlicher sind als vergleichb­are Batteriefa­hrzeuge mit ähnlicher Reichweite. Elektroaut­os mit kleinen Batterien dagegen schneiden besser ab als Wasserstof­ffahrzeuge. Und beide sind bei Kilometerl­eistungen über 150.000 Kilometern besser als Dieselfahr­zeuge.

eines größeren brennstoff­zellenbetr­iebenen Fahrzeuges wurde 1959 in den USA vorgestell­t. Es handelte sich um einen Traktor. Eines der heutigen Einsatzgeb­iete ist die Intralogis­tik: Die amerikanis­che Handelsket­te Walmart und Amazon betreiben in ihren riesigen Lagerhalle­n ganze Staplerflo­tten, die mit Wasserstof­f betrieben werden. In Europa testet der Autoherste­ller BMW in den Produktion­shallen seines Werks in Leipzig derzeit 70 Routenzüge auf Wasserstof­fbasis. Projektpar­tner sind unter anderem Linde Material Handling, Fronius, Günsel und die TU München.

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