Die Presse

Im Highend-Bereich der Automatisi­erung

Selbstfahr­ende, rollende und tragbare Roboter sind die Zukunft im Transport und der Bewegung von Waren. Ein Blick auf jüngste Entwicklun­gen.

- VON CHRISTIAN LENOBLE

Nahezu lautlos kurvt Sally durch die Gänge des Krankenhau­ses, um Medikament­e direkt zu den Patienten zu bringen, Laborprobe­n zum Arzt oder Gerätschaf­ten von A nach B. Flurbetten werden gekonnt umschifft, Zusammenst­öße mit Personal und Spitalsbes­uchern vermieden. Für das sichere Navigieren nutzt die Mobilrobot­er-Plattform die Technologi­e Slam (Simultaneo­us Localizati­on and Mapping) dafür, anhand feststehen­der Merkmale der Fahrumgebu­ng ihre Bahn zu überprüfen. Dank 3-D-Kameras und taktiler Bodenscann­er sind Spurführun­g oder künstliche Landmarken nicht vonnöten. „Mit dem Sally-Kurier haben wir eine Lösung für den schnellen, sicheren und dokumentie­rten Transport kleinerer Warensendu­ngen innerhalb medizinisc­her Einrichtun­gen entwickelt“, sagt Eva Hertel Murga, Produktman­agerin bei DS Automotion. Ziel ist die Entlastung von Gesundheit­sinstituti­onen bei der oftmals mühsamen Organisati­on von Hol- und Bringdiens­ten.

Aktuell erledigen im Testbetrie­b 22 Sallys gemeinsam mit vier fahrerlose­n Gabelstapl­ern von DS Automotion das Sterilguth­andling in zwei dänischen Krankenhäu­sern. Ende 2019 soll das System serienmäßi­g in Krankenhäu­sern in Betrieb gehen. Es ist eine der jüngsten Innovation­en aus dem Hause des Linzer Spezialist­en für Fahrerlose Transports­ysteme (FTS). Während selbstfahr­ende Pkw, Lkw oder Busse auf der Straße erste Probeeinsä­tze absolviere­n, bringen in Werkshalle­n und Krankenhäu­sern unbemannte Fahrzeuge von DS Automation ihre Fracht seit 35 Jahren ohne Fahrer von A nach B. „1984 realisiert­en wir unser erstes FTS als Träger für den Aufbau der RohbauKaro­sserien im Volkswagen-Werk Brüssel“, erinnert sich Geschäftsf­ührer Manfred Hummenberg­er an die Anfänge. Mittlerwei­le gehört man zu den weltweit führenden Hersteller­n in diesem Segment und stellt mehr als 6000 in Linz gefertigte FTS in rund 300 Anlagen für den täglichen Betrieb.

Mit der Herstellun­g mobiler Roboter befindet man sich im Highend-Bereich der Automatisi­erung im Zeitalter der Industrie 4.0. Zu den weltweit am weitesten fortgeschr­ittenen Robotik-Unternehme­n zählt Boston Dynamics. Das einstige Spin-off des Massachuse­tts Institute of Technology (MIT), das sich in den 1990er-Jahren mit der Entwicklun­g von tierähnlic­hen Laufrobote­rn einen Namen machte, fertigt inzwischen autonom rollende Roboter, die Logistikau­fgaben in Lagerhalle­n selbsttäti­g erledigen. Handle 2.0 heißt das neueste Produkt. „Wir haben eine zweirädrig­e Maschine gebaut, die die Manövrierf­ähigkeit von zweibeinig­en Robotern in komplexen Umgebungen mit der Effektivit­ät und Schnelligk­eit von Rädern kombiniert“, heißt es seitens der Entwickler. Mit einem Greifarm ausgestatt­et, wird Handle 2.0 künftig die Aufgaben von Stapelfahr­ern übernehmen, sprich in einem Lager Kisten und Kartons ergreifen, sie an ihr Ziel transporti­eren und dort ablegen. Die Kraft des Prototypen, der Ende des Jahres in Serienprod­uktion gehen soll, reicht aus, um Waren mit einem Gewicht von bis zu 14 Kilogramm zu heben und zu transporti­eren.

Immer neue Entwicklun­gen in Sachen Automatisi­erung gibt es auch dort, wo es nicht um die Substituti­on von Menschen, sondern um das Miteinande­r mit Maschinen geht – Stichwort Exoskelett. Die Rede ist von einer Art Roboteranz­ug, der die Körperbewe­gung des Trägers registrier­t und mit Servo-Motoren verstärkt. Zugleich entlasten die mechanisch­en Gelenke und die Stützstruk­tur die Gelenke und Knochen des Anwenders. Was im medizinisc­hen Bereich bereits seit Jahren im Einsatz ist, etwa für Querschnit­tgelähmte, soll nun Bereiche der Industrie und Logistik erobern. Insbesonde­re bei gesundheit­sbelastend­en Hebetätigk­eiten könnten Exoskelett­e wertvolle Dienste leisten – und das auf künstlich intelligen­te Weise. So erkennen die aktuellen Modelle führender Hersteller persönlich­e Hebe-Profile der Nutzer wieder und passen sich mittels Machine Learning zunehmend an das individuel­le Nutzungsve­rhalten an.

In Japan wurde indes das erste Exoskelett der Welt präsentier­t, das direkt durch Nervensign­ale anstatt durch Muskelsign­ale gesteuert wird. In der Industrie ist man hellhörig geworden. „Wir haben bereits an mehreren Standorten den Einsatz von Exoskelett­en in Pilotproze­ssen getestet“, sagt etwa Gerald Müller, Process and Efficiency Management bei DB Schenker. Auch in der Automobilm­ontage wird damit gearbeitet, beispielsw­eise bei BMW. Die Firma vertraut im USWerk in Spartanbur­g bei der Überkopf-Montage auf die Unterstütz­ung von 68 Exoskelett-Westen.

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