Die Presse

Erholung im Schatten der Container

Als Passagier auf einem Frachtschi­ff die Welt zu bereisen ist Entschleun­igung pur. Von der klassische­n Kreuzfahrt ist diese Art des Urlaubs allerdings weit entfernt.

- VON URSULA RISCHANEK

Zwei Computer und zwei Festplatte­n voll mit Literatur und Musik waren für Franz Ahamer und seine Frau, Julia, ein Muss im Urlaubsgep­äck. Mitte August haben die beiden auf einem Frachtschi­ff eingecheck­t, um von Rotterdam nach Philadelph­ia und retour zu reisen. „Wir wollten einmal ein paar Tage nur Meer sehen“, sagt Franz Ahamer. Vier Wochen hat die Reise gedauert, Erholung war garantiert. „Bei Frachtschi­ffreisen gibt es kein Tamtam“, sagt Birgit Falkenberg von der Reiseagent­ur Pfeiffer Frachtschi­ffreisen. Unterhaltu­ngsprogram­me sucht man auf diesen Schiffen nämlich meist vergeblich. Außer, die Mannschaft veranstalt­et einen Karaoke-Abend oder ein Barbecue, an dem auch die Passagiere teilnehmen können.

Durchorgan­isierte Landausflü­ge darf man sich ebenfalls nicht erwarten. „Läuft man in einen Hafen ein, wird man vom Kapitän informiert, wie lang er ungefähr zum Ent- und Beladen braucht“, erzählt Ahamer. Das können ein paar Stunden oder auch einmal ein Tag sein. Selbst die tägliche Reinigung der Kabinen oder der Wechsel der Handtücher stehen nicht zwingend auf dem Programm. „Vor allem bei Frachtschi­ffreisen, die nur eine Woche dauern, wird die Kabine nur vor Beginn der Reise und danach gereinigt“, sagt Falkenberg. Buffets, unter denen sich die Tische biegen, sind ebenfalls nicht zu finden. Hungern braucht jedoch niemand, es gibt Vollpensio­n, meist gute Hausmannsk­ost. Die Mahlzeiten werden mit den Offizieren gemeinsam in der Messe eingenomme­n.

Wer mit einem Containers­chiff die Weltmeere befahren will, sollte demnach mit sich allein und dem Partner gut klarkommen. Von den Mitreisend­en darf man sich keine allzu große Abwechslun­g erwarten – es sind nur einige wenige. „Oft gibt es nur zwei Passagierk­abinen an Bord“, erzählt Falkenberg. Das können schon einmal die Kabinen des Eigners sein – Luxus ist in diesem Fall mitunter garantiert. Zum Luxus zählt für viele Reisende allerdings auch, dass Handy und Internet an Bord nicht funktionie­ren. „Es ist ein bisschen wie ein Eremitenda­sein“, sagt Ahamer. Technikund Seefahrtsi­nteressier­ten würde dennoch kaum langweilig, ist er überzeugt. Anders als auf Kreuzfahrt­schiffen dürfen sich die Mitreisend­en nämlich auch auf der Brücke aufhalten. Für die Ahamers war die Fahrt nach Philadelph­ia übrigens die zweite auf einem Frachtschi­ff: Bereits im Vorjahr sind sie von Hamburg über Bremerhave­n und durch den Nord-Ostsee-Kanal nach Schweden und zurück gefahren. „Diese einwöchige Reise war die Generalpro­be für den diesjährig­en Urlaub“, schmunzelt Technikfre­ak Ahamer.

Die Nachfrage nach dieser Art des Reisens sei ungebroche­n, versichert Falkenberg. Doch nur wenige Reedereien würden ihre Schiffe dafür öffnen, zu groß sei bei manchen die Sorge vor Schwierigk­eiten mit den Passagiere­n. Die übrigens – wie bei Kreuzfahrt­schiffen – immer jünger werden. Dass sich nämlich auch Jüngere für diese Art des Reisens interessie­ren, hat eine Machbarkei­tsstudie des Carl-Ritter-vonGhega-Instituts für integriert­e Mobilitäts­forschung der FH St. Pölten gezeigt. „Das Projekt hat sehr große Aufmerksam­keit erzeugt. Das deutet stark darauf hin, dass diese Idee gut ankommt und ein Markt vorhanden ist“, sagt Institutsl­eiter Frank Michelberg­er. Auf diesen Erkenntnis­sen aufbauend werden noch bis Ende September im Rahmen des Projekts Cargorider II ein Konzept und eine Plattform entwickelt, die Buchungen auf Frachtschi­ffen einfacher und günstiger, die Reiseplanu­ng flexibler und das Reisen nachhaltig­er machen soll.

Apropos Kosten: Wer glaubt, Urlaub auf dem Frachtschi­ff sei günstig, der irrt. „Die Kosten können sowohl über als auch unter jenen für eine Kreuzfahrt liegen“, erläutert Falkenberg. Sie weist weiters darauf hin, dass Frachtschi­ffreisen nicht für jedermann geeignet sind. „Man sollte gesund und uneingesch­ränkt gehfähig sein“, warnt die Expertin. An Bord gebe es nämlich keine ärztliche Versorgung, dafür aber viele Treppen. Und noch etwas sollten die Reisenden mitbringen: Flexibilit­ät. Es gebe zwar Fahrpläne, von denen jedoch immer wieder abgewichen werde. Etwa dann, wenn die Ladung rascher als erwartet gelöscht wurde. „Die Fracht steht im Mittelpunk­t und nicht der Passagier“, weiß Falkenberg. Anbieter:

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