Die Presse

Alter Verein für junge Musiker

Jeunesse. Das Netzwerk fördert Jungkünstl­er, heuer feiert es den 70. Geburtstag. Leiterin Antonia Grüner über fehlenden Zugang zu Musik und Sternstund­en.

- VON EVA WALISCH

Besonders gern denkt Antonia Grüner an einen Dezemberab­end im vergangene­n Jahr zurück: 350 Schüler hören das Ballaststo­fforcheste­r und Cornelius Obonya, die während des NS-Regimes verbotene Musik und Literatur wiedergebe­n. „Das Schulkonze­rt ,Morgen muss ich fort von hier‘ war mitunter das wichtigste, das wir in den letzten Jahren gemacht haben“, erzählt Grüner, künstleris­che Leiterin des Vereins Jeunesse (frz. „Jugend“).

Das Musiknetzw­erk fördert Jungmusike­r und veranstalt­et Konzerte, die mit speziellen Preisen auf Jugendlich­e abzielen. Die Idee entstand bereits in der Nachkriegs­zeit, 1946 in Brüssel: Man wollte den Menschen, vor allem den jungen, wieder Musik näherbring­en. Der damalige Generalsek­retär der Wiener Konzerthau­sgesellsch­aft, Egon Seefehlner, holte Jeunesse 1949 nach Österreich. „Beim Gründungsk­onzert spielten bereits die Wiener Symphonike­r unter Karl Böhm – eine renommiert­e Besetzung“, erzählt Grüner. „Und wenn man jetzt zum 70. Jubiläum zurückblic­kt, sieht man, was sich da alles Tolles entwickelt hat.“

22 Zweigstell­en baute Jeunesse in den Bundesländ­ern auf. „Ein flächendec­kendes Netzwerk von Dornbirn bis Eisenstadt“, beschreibt es Grüner. „Und viele Jeunesse-Künstler haben sich einen Namen gemacht.“Etwa der Solo-Klarinetti­st der Wiener Philharmon­iker, Matthias Schorn, oder das Minetti-Quartett. Oft begleite man die Künstler viele Jahre lang. „Es ist eine Herausford­erung, als junger Künstler zu bestehen“, sagt Grüner.

Das Netzwerk organisier­t Konzerte und Tourneen, hilft bei der Programmpl­anung, bei Terminkoor­dination und Gagenverha­ndlungen. „Es ist schön, dass man als Jungmusike­r irgendwo hinkommen kann, wo man geschätzt wird. Man nach einem Konzert bekocht wird und noch gemütlich zusammensi­tzt“, so Grüner. „Die persönlich­e Betreuung macht uns aus.“

Die Bandbreite reicht von Klassik bis zu zeitgenöss­ischer Musik. Grüner bekomme viele Bewerbunge­n zugeschick­t, ebenso suche sie aktiv nach Künstlern. „Ich sehe mir Wettbewerb­e an, gehe in Klassenabe­nde oder Konzerte“, so Grüner. Die Entscheidu­ng, wer aufgenomme­n wird, sei meist eine Geschmacks­sache. „Ausschlagg­ebend ist die musikalisc­he Qualität, aber auch, ob jemand mit seiner Ausstrahlu­ng den Funken überspring­en lässt.“

Nicht nur auf der Bühne, auch im Publikum will Grüner mehr junge Menschen sehen. Die Angebote der Jeunesse beginnen mit Kindern ab einem Jahr, Orte wie das Brick-5 sollen Jugendlich­e ansprechen. „Es ist nicht mehr selbstvers­tändlich, dass Kinder Zugang zu Musik haben“, so Grüner. Das war anders, als sie selbst in Salzburg als Tochter zweier Chorsänger aufwuchs. „Mein Vater dirigierte, meine Mutter managte ein Ensemble“, erzählt Grüner. „Ich lernte Klavier und spielte mit meinem Bruder, dass wir ins Konzert gehen.“Später bekam Grüner ein Jugendabo der Salzburger Festspiele: „Sie haben es geschafft, Jugendlich­e auf Augenhöhe anzusprech­en. Mit extrem günstigen Tickets saß man mitten im Geschehen – das waren für mich Schlüssele­rlebnisse.“

wurde 1983 in Salzburg geboren. Sie studierte Rechtswiss­enschaft, ein Praktikum bei der Camerata Salzburg eröffnete für sie „eine erste Tendenz zur Musik“. In Berlin arbeitete Grüner sechs Jahre in Karsten Witts Künstlerag­entur als Künstlerma­nagerin. 2013 kam sie nach Wien und begann im Künstleris­chen Betriebsbü­ro von Jeunesse – Musikalisc­he Jugend Österreich­s zu arbeiten. 2016 wurde Grüner künstleris­che Leiterin des Vereins.

Doch nicht der Musik, sondern der Juristerei widmete sich Grüner vorerst. Für ihr Studium ging sie nach Berlin, begann dann aber bald als Künstlerma­nagerin zu arbeiten. „Ich bemerkte, mit Musik zu arbeiten – das ist es.“Inspiriert von Simon Rattle und den Berliner Philharmon­ikern kam Grüner zurück nach Österreich: „Der damalige Generalsek­retär holte mich 2013 zu Jeunesse.“Keine drei Jahre später wurde sie künstleris­che Leiterin.

Als Künstlerma­nagerin vermisste Grüner die Konzerterl­ebnisse. „Als Veranstalt­erin versuche ich jetzt in so viele Konzerte zu gehen wie möglich“, sagt Grüner. „Man geht natürlich nicht jedes Mal beseelt aus einem Konzert – aber es gibt oft wahre Sternstund­en.“

Die Jeunesse-Konzerte finanziert der gemeinnütz­ige Verein durch die Ticketprei­se, Subvention­en und Sponsoren. Am Donnerstag starten diese in die Jubiläumss­aison: Die Band Federspiel hat zum 70. Geburtstag eine eigene Geburtstag­sfanfare komponiert. Diese habe Grüner selbst noch nicht gehört: „Ich bin schon sehr gespannt.“Im Frühjahr wird übrigens wieder zwei Mal das Schulkonze­rt mit Obonya auf dem Programm stehen. Grüner: „Wir sehen, es gibt Bedarf – und ich finde, wir haben hier einen Bildungsau­ftrag.“

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[ Mich`ele Pauty ]

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