Die Presse

Paragraf eins: Was Dreck ist, muss Dreck bleiben!

Kennen Sie schon das Wiener Unreinhalt­egesetz? Nachgedank­en zu einer Magistrats­erregung.

- VON WOLFGANG FREITAG E-Mails an: wolfgang.freitag@diepresse.com

W äscht weißer als weiß. Was waren das für Zeiten, als man mit Reinlichke­itsverheiß­ungen noch werben konnte. Damit scheint’s vorbei zu sein: Dreck ist das neue Sauber – und wer den Kärcher in die Hand nimmt, riskiert, magistrati­sch der Gemeingefä­hrdung geziehen zu werden. Oder habe ich da etwas missversta­nden?

Es geschah vergangene Woche. Noch an Urlaubsstr­änden ruhend, las ich via ORF.at von einer Verärgerun­g der Verwalter dieser Stadt. Kolportier­ter Anlass: Mitarbeite­r einer Werbefirma hätten auf einem Schutzweg zu Neubau die Logos einer Diskonterk­ette aufgebrach­t, und zwar nicht mit Pinsel oder Spraydose, sondern – welch ungeheuerl­iche Infamie! – per Putzattent­at. Mittels Hochdruckr­einiger und Schablone hätten sie besagtes Logo in den Schmutz der Stadt gefräst. Ergebnis: Das Weiß der Zebrastrei­fen zeigte sich logopartie­ll so, wie es einst gewesen, eben weiß, während es rundum weiterhin die stumpfgrau­e Last der Jahre trug. Eine Gefahr für die Verkehrssi­cherheit, so der magistrati­sche Befund.

Man muss solches Guerillama­rketing nicht mögen. Man muss es auch nicht mögen, wenn besagte Werbefirma Wert darauf legt, das Ganze sei ein Irrtum, Ursache ein „Fehlbriefi­ng der Mitarbeite­r“gewesen. Vollends kurios wird die Angelegenh­eit allerdings erst, wenn seitens des Magistrats das – zugegeben durchaus nicht arglose – „Waschen einer Straßenobe­rfläche“als Delikt dargestell­t wird. Als gebe es neben dem Wiener Reinhalteg­esetz ein zweites, das uns Unreinhalt­ung auferlegt. Paragraf eins: Was Dreck ist, muss Dreck bleiben. Übrigens: Manche behaupten, Teile der Stadt genügtem diesem Gebot ohnehin schon in allzu ausreichen­dem Maß.

Ein Lokalaugen­schein Anfang der Woche jedenfalls zeigt die Weißstelle­n der Erregung auf dem Weg zurück in städtisch-graue Alltäglich­keit. „Zwingt Grau raus – zwingt Weiß rein“? Ach ja, es war einmal.

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