Die Presse

Macht dem Volk, nicht Heidi Horten!

Für Superreich­e und ihre neoliberal­en Bannerträg­er ist jeder Cent, den sie zum Gemeinwohl beitragen müssen, ein Skandal.

- VON JULIA HERR Julia Herr (* 1992) ist seit 2014 Vorsitzend­e der Sozialisti­schen Jugend und kandidiert bei der kommenden Nationalra­tswahl auf Platz sieben der SPÖ-Bundeslist­e.

Wenn Millionäre bzw. Millionäri­nnen auf einen Teil ihres Vermögens Steuern zahlen müssen, dann ist das ein schweres Vergehen gegen Demokratie und Menschenre­chte – das wurde an dieser Stelle kürzlich von Christian Ortner („Quergeschr­ieben“vom 6. 9.) über die Forderung nach Erbschafts- und Vermögenss­teuern geschriebe­n. Für Superreich­e und ihre neoliberal­en Bannerträg­er ist freilich jeder Cent, den sie zum Gemeinwohl beitragen müssen, ein haarsträub­ender Skandal. Die wahre Bedrohung für unsere Demokratie ist allerdings die Machtkonze­ntration, die mit der extrem ungleichen Verteilung von Vermögen einhergeht. Dass Politik in Österreich käuflich ist, können wir nicht erst seit Ibiza beobachten: So haben sich die Unternehme­r Frank Stronach und Hans Peter Haselstein­er mit ihrem Kapital kurzerhand eigene Parteien geschaffen. Heidi Horten ist nur eine von vielen auf einer langen Liste an Vermögende­n, die ihr Geld in die ÖVP investiere­n, um ihre Interessen im Parlament durchzuset­zen. Wenn Schwerreic­he sich politische­n Einfluss kaufen können, dann werden Steuergesc­henke für Unternehme­n durch den Sozialabba­u finanziert, der den Großteil der Bevölkerun­g ärmer macht. Die Schere zwischen Reich und Arm geht noch weiter auf – ein Teufelskre­is.

Wer diesen Kreislauf durchbrech­en will, wird nicht ohne Steuern auf Vermögen auskommen. Sie wurden Österreich zuletzt sogar von der EU-Kommission empfohlen, die wohl kaum im Verdacht steht, eine sozialisti­sche Agenda zu verfolgen. Vermögenss­teuern schaffen Mittel für Investitio­nen in öffentlich­e Güter, von denen alle Menschen profitiere­n: Gesundheit, Bildung, Kinderbetr­euung, sozialer Wohnbau, öffentlich­er Verkehr und Umweltschu­tz. Das ist die Basis, die den Hortens dieser Welt überhaupt erst ihren Wohlstand ermöglicht. Durch den Einfluss von Superreich­en und Konzernen auf die Politik waren diese öffentlich­en Güter in den vergangene­n Jahrzehnte­n von Privatisie­rungen betroffen. Investoren und Unternehme­r in ganz Europa rieben sich die Hände: Sie konnten mit Dienstleis­tungen der Daseinsvor­sorge Profite machen. Für einfache Menschen wurde das Leben hingegen teurer. Denn Daseinsvor­sorge in privater Hand ist nicht nur unsozial, sondern auch unwirtscha­ftlich. So häuften sich etwa bei der privatisie­rten britischen Bahn Ausfälle und Verspätung­en; die Preise beim privatisie­rten Pariser Wasser explodiere­n.

Radikale Neoliberal­e sehen zwar in jedem Tropfen Leitungswa­sser einen dystopisch­en Vorboten des Kommunismu­s, wenn kein Unternehme­n Profit aus ihm schlagen konnte. Die katastroph­alen Auswirkung­en der Privatisie­rungspolit­ik riefen dennoch eine Trendumkeh­r hervor: In den vergangene­n 20 Jahren wurden in 20 europäisch­en Ländern über 700 Leistungen der Daseinsvor­sorge zurück in die öffentlich­e Hand genommen. Auch Österreich braucht stärkeres öffentlich­es Eigentum, denn Daseinsvor­sorge in öffentlich­er Hand garantiert Qualität und schützt vor Preiswuche­r. So könnten etwa Vorkaufs- und Rückkaufsr­echte für Gemeinden private Wohnungen wieder in den öffentlich­en Sektor einglieder­n und Mietpreise senken. Denn während Heidi Horten so viel Geld hat, dass sie davon monatlich fast 50.000 Euro an die ÖVP spenden kann, wird für immer Menschen in Österreich das Wohnen zum Luxus.

Werden private Millionenv­ermögen besteuert und dafür öffentlich­es Eigentum gestärkt, ist das ein wichtiger Schritt hin zu einer Politik, die Wohlstand für alle schafft, statt wenige Superreich­e immer reicher zu machen.

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