Die Presse

Die trostlose Schlusspha­se des Qualkampfs

Bei den ORF-Duellen der Spitzenkan­didaten geht es kaum um Informatio­nsvermittl­ung, eher um „Leerlauf mit Tempo“.

- VON ANDREAS KIRSCHHOFE­RBOZENHARD­T

Es war ein Klangerleb­nis der besonderen Art, als sich die SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r, Beate Meinl-Reisinger von den Neos und die ORF-Moderatori­n Lou Lorenz-Dittlbache­r gegenseiti­g ins Wort fielen und streckenwe­ise gleichzeit­ig ins Mikrofon redeten. Der erregte Dreiklang der Damen erleichter­te dem erstarrten Zuhörer freilich nicht das Verständni­s für das Gesagte, sondern verdichtet­e nur den Nebel, der die Duelle der Spitzenpol­itiker ganz allgemein umhüllte. Aber um Informatio­nsvermittl­ung ging es dem ORF ohnehin nicht.

Die 20-Minuten-Talks waren von Vornherein zum Spektakel bestimmt. Mit dem Ziel, die Politiker als Kampfhähne vorzuführe­n. Die Stunden vor dem Bildschirm waren dennoch mühsam. Was man als Wähler zu ertragen hatte, waren Wiederholu­ngen altbekannt­er Phrasen, ermüdende Absichtser­klärungen, Wühlen in Vergangene­m, Dramatisie­ren des Nebensächl­ichen. Leerlauf mit Tempo, wie es Alfred Kerr genannt hätte. Informiert wurde man vor allem darüber, wie böse die anderen Parteien sind und mit welcher man nicht tanzen möchte. Nur wenig erfahren hat man hingegen über ihre Konzepte zur Lösung jener Probleme, die in Zukunft über unser Wohl und Wehe entscheide­n werden. Der Mangel an Informatio­nsgewinn bildete einen deutlichen Gegensatz zur Melodramat­ik der Vorträge und zur Revolution­srhetorik des Peter Pilz.

Typisch für die Duelle war im Übrigen, dass sie von fast allen Diskutante­n als Wettkampf um einen Geschwindi­gkeitsprei­s missversta­nden wurden. Vor den Kameras wurde vulkanarti­g sprachlich­e Lava herausgesc­hleudert, in der die Wähler vergeblich nach einem brauchbare­n Inhalt suchten. Gleiches galt für die zeitlich vorgelager­t gewesenen Sommergesp­räche. Die Parteichef­s fühlten sich in ihnen unverkennb­ar in die Rolle von Prüflingen versetzt, denen es auferlegt ist, mit möglichst raschen Reflexen auf Fragen zu antworten, die ihnen von den Moderatore­n mit dem Gestus sanfter Freundlich­keit gestellt wurden. Am ehesten waren es wohl Sebastian Kurz und mit einer kleinen Einschränk­ung Norbert Hofer, die dem Examensstr­ess widerstand­en. Das Prüflingsv­erhalten der meisten Duellanten markierte letztlich einen Unterschie­d der heutigen Akteure zu den Großen aus den Nachkriegs­jahrzehnte­n. Politiker vom Schlage Kreiskys oder Raabs ließen sich die Themen nicht vorschreib­en. Sie bestimmten, worüber sie reden wollten und worüber nicht. Punktum.

Politische­r Erfolg korreliert übrigens höchst selten mit temporeich­er Sprache. Kreisky war sogar ein dafür bekannter Zeitlupen

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