Die Presse

Wird Boris Johnson verurteilt?

Humor und Fatalismus scheinen die einzigen Mittel zu sein, Britannien­s Austritt zu verkraften.

- VON WOLFGANG BÖHM wolfgang.boehm@diepresse.com

Großbritan­nien. Am Dienstag hat der Oberste Gerichtsho­f Großbritan­niens eine Verhandlun­g über die Rechtmäßig­keit der UnterhausZ­wangspause begonnen. Die elf Richter befassen sich damit, ob Boris Johnson allein aus taktischem Kalkül die Abgeordnet­en beurlaubt und damit die Queen belogen hat.

W enn sich der britische Premiermin­ister mit Hulk vergleicht, die BBCPodcast-Serie „Brexitcast“mit Lachsalven­potenzial die Entwicklun­g in Westminste­r begleitet und Brüsseler Diplomaten dem heiteren Fatalismus verfallen, ist irgendetwa­s aus dem Ruder gelaufen. So sehr, dass es besser wäre, die Pläne für den britischen EU-Austritt ad acta zu legen, bis sich alle wieder beruhigt haben.

Es ist, als ob Boris Johnson Hauptdarst­eller einer Realsatire geworden wäre und sich nur noch krampfhaft darum bemühte, täglich neue – immer irrere – Cliffhange­r zu produziere­n. Damit sich das ermüdete Publikum nicht abwendet. D ie Briten sind wohl auch deshalb geneigt, alles zu akzeptiere­n, selbst das Unvernünft­igste, nur damit das Ende endlich möglich wird. Das ist die große Gefahr dieser Entwicklun­g: Noch nie war es so wahrschein­lich, dass Großbritan­nien am 31. Oktober tatsächlic­h in den Hard Brexit rutscht, nur weil keine der Seiten mehr mit Ernst bei der Sache ist. Wie sagt Johnsons neues Vorbild Hulk: „Weißt du, was mir am meisten Angst macht? Wenn ich nicht mehr dagegen ankämpfen kann und total die Kontrolle verliere, dann . . . genieße ich das.“

Höchste Zeit für eine Wendung. Eine, in der die Vernunft wieder Oberhand bekommt: weil sich die EU und Großbritan­nien weiterhin brauchen, sie ohne einander viel schwächer sind.

Newspapers in German

Newspapers from Austria