Die Presse

So richtig spannend wird es in Israel erst nach der Wahl

Israel. Für den Premier ging es bei der Wahl um mehr als nur um seine Wiederwahl. Kann er eine Koalition bilden, entgeht er möglicherw­eise einer Anklage und einer Haftstrafe. In drei Punkten droht ihm Anklage wegen Korruption.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE KNAUL

Rund 6,4 Millionen Wahlberech­tigte waren am Dienstag aufgerufen, die 120 Mitglieder der 22. Knesset in Jerusalem zu bestimmen. Es war bereits die zweite Parlaments­wahl in diesem Jahr. Nach der Abstimmung im April war es Ministerpr­äsident Benjamin Netanjahu trotz einer Mehrheit des rechtsreli­giösen Lagers nicht gelungen, erneut eine Regierung zu bilden. Auch diesmal bahnte sich ein Patt an, ein Kopf-anKopf-Rennen zwischen Netanjahus Likud und dem opposition­ellen Bündnis der Mitte von Ex-Militärche­f Benny Gantz. Für Netanjahu ging es nicht nur um die Wiederwahl, sondern um alles: Ihm drohen drei Verfahren.

Jerusalem. Für Benjamin Netanjahu ging es bei der Knesset-Wahl um alles. Den Amtszeit-Rekord David Ben-Gurions, des Gründervat­ers Israels, hat er nach vier Legislatur­perioden schon in der Tasche. Bei der Neuwahl stand nämlich nicht nur sein politische­s, sondern auch sein privates Schicksal auf dem Spiel. Im schlimmste­n Fall droht ihm eine Haftstrafe, wie dies auch bereits seinem unmittelba­ren Vorgänger Ehud Olmert widerfahre­n ist. Für den 2. Oktober hat Generalsta­atsanwalt Avichai Mandelblit, ein ehemaliger Mitarbeite­r Netanjahus, die mehrmals aufgeschob­ene Anhörung des Premiermin­isters in drei Korruption­sfällen angesetzt.

Kann Netanjahu eine Koalition bilden, entgeht er möglicherw­eise einer Anklage, indem er ein Immunitäts­gesetz durchs Parlament bringt, das ihm Straffreih­eit zusichert. Der Premier hat zwar angekündig­t, auch im Fall einer Anklage im Amt zu bleiben. Die Frage ist allerdings, wie lange ihm seine Bündnispar­tner die Stange halten würden – bis zum Schuldspru­ch, der ihn definitiv zum Rücktritt zwingen würde?

„Es wird nichts sein“

Denn Abgeordnet­e seiner LikudParte­i könnten abfallen und ihn zum Rücktritt drängen. Angeblich hat er seine Partei auf Loyalität eingeschwo­ren. Verliert er das Amt des Premiers, wird er indessen nicht umhinkomme­n, sich einem Verfahren zu stellen.

Generalsta­atsanwalt Mandelblit wirft Netanjahu Betrug, Untreue und Bestechlic­hkeit vor. Anfang des Jahres entschied er sich zur Anklage gegen den Regierungs­chef. Eine Verschiebu­ng der Anhörung, die die Anwälte Netanjahus angeblich aufgrund des umfangreic­hen Materials, das sie sichten müssten, beantragte­n, lehnte Mandelblit ab. Die Anhörung war bereits wegen der Parlaments­wahlen im April verschoben worden. Einzig um die Korruption­saffären auf Eis zu legen, so meinten Kritiker damals, habe der Premier überhaupt Neuwahlen vorangetri­eben.

Netanjahu steht unter dem Verdacht, Einfluss auf die Berichters­tattung einer großen Zeitung und eines Nachrichte­nportals genommen zu haben, und er soll teure Geschenke befreundet­er Milliardär­e angenommen haben. „Es wird nichts sein, denn es gibt nichts“, lautet das Mantra Netanjahus, der alle Vorwürfe von sich weist. Er sei Opfer einer Hetzjagd der Medien.

Erst nach der Anhörung, die Netanjahu Gelegenhei­t zur Darstellun­g seiner Sicht und Verteidigu­ng geben soll, und die nach Ansicht von Rechtsexpe­rten Monate dauern kann, wird entschiede­n, ob und in welchem Fall es zur Anklage kommt. Eine außergeric­htliche Einigung schließt Netanjahu, der kämpfen will, um seine Unschuld zu beweisen, aus. Auf Empfehlung der Polizei entschied Mandelblit auf Anklage in drei Fällen: Akte 1000, Akte 2000 und Akte 4000.

Die Akte 1000 enthüllt eine Reihe von Gefälligke­iten Netanjahus gegenüber Arnon Milchan, einem milliarden­schweren Geschäftsm­ann und Filmproduz­enten. Netanjahu steht unter dem Verdacht, seine Beziehunge­n unter anderem dafür eingesetzt zu haben, um Milchan eine Verlängeru­ng seines Visums in den USA zu verschaffe­n, wofür sich sein Freund mit teuren Zigarren, Schmuck und Champagner – oft nach expliziten Bestellung­en von Ehefrau Sara Netanjahu – bedankte. Ein anderer zahlungsfä­higer Freund Netanjahus ist der australisc­he Milliardär James Packer. Insgesamt rund 250.000 Euro soll sich der Regierungs­chef über die Jahre von den beiden Milliardär­en zustecken haben lassen.

Medialer Einfluss

Die Akte 2000 dreht sich um den letztlich missglückt­en Deal Netanjahus mit Arnon Moses, Herausgebe­r der Tageszeitu­ng „Jediot Ahronot“und einer der mächtigste­n Figuren in Israels Medienland­schaft. Netanjahu versprach Moses, Einfluss auf seinen Freund, den USKasinomo­gul Sheldon Adelson zu nehmen. Ihm gehört die marktführe­nde, durch Anzeigen finanziert­e Zeitung „Israel Hajom“. Es sei geplant gewesen, Adelson dazu zu bringen, die Wochenenda­usgabe der Zeitung einzustell­en und die Auflage zu reduzieren. Im Gegenzug für Netanjahus Gefälligke­it soll Moses einer weniger kämpferisc­hen Berichters­tattung über ihn zugestimmt haben.

Die Akte 4000 geht zurück in die Zeit, als Netanjahu Kommunikat­ionsminist­er war. Der Verdacht lautet, dass er dem marktbeher­rschenden Telekom-Konzern Bezeq rechtliche Vergünstig­ungen gewährte, um bei dem zu dem Konzern gehörenden Nachrichte­nportal Walla eine positivere Berichters­tattung über sich und seine Familie zu erreichten. Laut Mandelblit habe Netanjahu wie auch seine Frau „hunderte Forderunge­n” an das Nachrichte­nportal gestellt.

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[ Reuters]
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[ AFP ] Für Benjamin Netanjahu und seine Frau, Sara, ging es bei der Wahl auch darum, privates Ungemach abzuwenden.

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