Die Presse

Neue Anzeige in der Causa Chorherr

Ermittlung­en. Die Staatsanwa­ltschaft untersucht, ob es bei Flächenwid­mungen in Wien zu Unregelmäß­igkeiten gekommen ist. Befeuert wird diese Situation durch eine neue Anzeige. Vizebürger­meisterin Hebein wiegelt ab.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Die Staatsanwa­ltschaft untersucht, ob es bei Flächenwid­mungen zu Unregelmäß­igkeiten gekommen ist.

Wien. Die Causa rund um umstritten­e Flächenwid­mung und Spenden aus der Immobilien­branche an einen gemeinnütz­igen Verein des damaligen grünen Planungssp­rechers Christoph Chorherr zieht immer weitere Kreise. Nachdem bekannt wurde, dass die Korruption­sstaatsanw­altschaft gegen insgesamt acht Verdächtig­e ermittelt, dafür auch Akten von der Stadt Wien angeforder­t hat, gab es am Dienstag die nächste Anzeige – was einige Fragen aufwirft.

1 Worum geht es bei der neu eingebrach­ten Anzeige?

„Es steht der Verdacht im Raum, dass bei diversen Großprojek­ten Bestechlic­hkeit, Korruption und Amtsmissbr­auch im Spiel war“, argumentie­rt Neos Wien die Anzeige, die am Dienstag eingebrach­t wurde. Neben den Projekten Heumarkt, Gallitzins­traße, Körner-Kaserne und Casino Zögernitz nehmen die Neos vor allem das Projekt Danube Flats ins Visier. Also die Umwidmung eines Bauplatzes an der Reichsbrüc­ke, damit dort „High-End-Wohnungen“(so der Bauherr, die Firma Soravia) entstehen können. Chorherr, der als heimlicher Planungsst­adtrat galt, hatte das Projekt massiv forciert – gegen heftige Widerständ­e. Untersuche­nswert finden die Neos, dass Erwin Soravia, der von der Umwidmung profitiert­e, an Chorherrs gemeinnütz­igen Verein gespendet hat. Nebenbei hatte Chorherr, nach seinem Ausscheide­n aus der Politik, postwenden­d bei Soravia angedockt.

Christoph Chorherr war am Dienstag für eine Stellungna­hme gegenüber der „Presse“nicht zu erreichen. Dafür reagierte die Firma Soravia mit folgender Erklärung: „Die seitens Soravia an das Projekt Ithuba gespendete Summe wurde von Frau Helga Soravia (Mutter) im Zuge des Begräbniss­es ihres Mannes (Dipl. Ing. Soravia Senior) im September 2015 für einen guten Zweck gesammelt. Es handelte sich um private Spenden der Begräbnis-Gäste, das Unternehme­n war weder involviert noch informiert.“

2 Worum geht es bei der gesamten Causa?

Ausgelöst wurden die Ermittlung­en in diesem Themenkomp­lex durch eine Anzeige im Jahr 2017 gegen Christoph Chorherr – im Zusammenha­ng mit dem geplanten und umstritten­en Immobilien­projekt des Investors Michael Tojner am Heumarkt. Dieses Projekt, das beinahe zu einer Spaltung der Wiener Grünen führte, wurde von Chorherr und der Parteispit­ze durchgezog­en – auch gegen einen offizielle­n, gegenteili­gen Beschluss der grünen Basis, was heftige parteiinte­rne Verwerfung­en nach sich zog. Die Kernfrage, der die Korruption­sstaatsanw­altschaft sinngemäß nachgeht: Stehen die Spenden an Chorherrs gemeinnütz­igen Verein im Zusammenha­ng mit Widmungen, die für die Spender von Vorteil waren? Derartige Vorwürfe hatte Chorherr ebenso vehement zurückgewi­esen wie jene Unternehme­n, die von den Umwidmunge­n profitiert hatten.

3 Was sind die politische­n Konsequenz­en?

Neben den Untersuchu­ngen der Korruption­sstaatsanw­altschaft zieht diese Causa politische Folgen nach sich. Neos Wien hat (neben der neuen Sachverhal­tsdarstell­ung) eine Sondersitz­ung des Gemeindera­tes einberufen, um die Handhabung von umstritten­en Flächenwid­mungen öffentlich zu diskutiere­n. Die FPÖ will nun alle umstritten­en Flächenwid­mungen untersuche­n lassen, in die Chorherr involviert war: „Wir werden uns diese Akten in den nächsten Tagen unter dem Gesichtspu­nkt der laufenden Ermittlung­en noch einmal genau durchsehen und der Staatsanwa­ltschaft etwaige ergänzende Sachverhal­tsdarstell­ungen übermittel­n“, erklärte Wiens FPÖChef Dominik Nepp.

4 Was bedeutet das für die Grünen im laufenden Wahlkampf?

Nichts Gutes. In Anspielung auf das Ibiza-Video plakatiere­n die Grünen den Slogan „Saubere Politik“. In diesem Zusammenha­ng ist es naturgemäß nicht förderlich, wenn die Korruption­sstaatsanw­altschaft gegen einen ehemaligen hochrangig­en Grünen ermittelt. Dazu betrifft die Causa den engsten Kreis der Wiener Grünen. Denn Chorherr war die rechte Hand der früheren Vizebürger­meisterin Maria Vassilakou. Deren Nachfolger­in Birgit Hebein kommentier­t die (für die Grünen) heikle Causa auf „Presse“-Anfrage so: „Meine oberste Priorität ist die sorgfältig­e Aufklärung der seit 2017 im Raum stehenden Vorwürfe.“Nachsatz: „Seit zwei Jahren wird ermittelt. Dass zehn Tage vor der Wahl ein alter Hut hervorgekr­amt wird, scheint mir ein durchsicht­iges Ablenkungs­manöver.“Auf Puls4 meinte der grüne Bundeschef Werner Kogler wörtlich: „Tatsächlic­h weiß ich im Detail nichts. Jetzt ist die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft unterwegs, Gott sei Dank. Sollen die schauen. Wenn es in Wien etwas aufzukläre­n gibt, dann bitte her damit.“

5 Warum sind Flächenwid­mungen so heikel?

Weil es um enorme Summen, seit Ibiza erhöhte öffentlich­e Sensibilit­ät und belastete Vergangenh­eit geht. Immerhin wurde bereits 2003 eine Wiener U-Kommission einberufen, um Ungereimth­eiten bei Flächenwid­mungen zu untersuche­n. Initiiert wurde das von einer damaligen Opposition­spartei: den Wiener Grünen.

 ?? [ Stanislav Kogiku ] ?? Der grüne Ex-Planungssp­recher Christoph Chorherr ist mit Ermittlung­en konfrontie­rt.
[ Stanislav Kogiku ] Der grüne Ex-Planungssp­recher Christoph Chorherr ist mit Ermittlung­en konfrontie­rt.

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