Neue Anzeige in der Causa Chorherr
Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob es bei Flächenwidmungen in Wien zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist. Befeuert wird diese Situation durch eine neue Anzeige. Vizebürgermeisterin Hebein wiegelt ab.
Die Staatsanwaltschaft untersucht, ob es bei Flächenwidmungen zu Unregelmäßigkeiten gekommen ist.
Wien. Die Causa rund um umstrittene Flächenwidmung und Spenden aus der Immobilienbranche an einen gemeinnützigen Verein des damaligen grünen Planungssprechers Christoph Chorherr zieht immer weitere Kreise. Nachdem bekannt wurde, dass die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen insgesamt acht Verdächtige ermittelt, dafür auch Akten von der Stadt Wien angefordert hat, gab es am Dienstag die nächste Anzeige – was einige Fragen aufwirft.
1 Worum geht es bei der neu eingebrachten Anzeige?
„Es steht der Verdacht im Raum, dass bei diversen Großprojekten Bestechlichkeit, Korruption und Amtsmissbrauch im Spiel war“, argumentiert Neos Wien die Anzeige, die am Dienstag eingebracht wurde. Neben den Projekten Heumarkt, Gallitzinstraße, Körner-Kaserne und Casino Zögernitz nehmen die Neos vor allem das Projekt Danube Flats ins Visier. Also die Umwidmung eines Bauplatzes an der Reichsbrücke, damit dort „High-End-Wohnungen“(so der Bauherr, die Firma Soravia) entstehen können. Chorherr, der als heimlicher Planungsstadtrat galt, hatte das Projekt massiv forciert – gegen heftige Widerstände. Untersuchenswert finden die Neos, dass Erwin Soravia, der von der Umwidmung profitierte, an Chorherrs gemeinnützigen Verein gespendet hat. Nebenbei hatte Chorherr, nach seinem Ausscheiden aus der Politik, postwendend bei Soravia angedockt.
Christoph Chorherr war am Dienstag für eine Stellungnahme gegenüber der „Presse“nicht zu erreichen. Dafür reagierte die Firma Soravia mit folgender Erklärung: „Die seitens Soravia an das Projekt Ithuba gespendete Summe wurde von Frau Helga Soravia (Mutter) im Zuge des Begräbnisses ihres Mannes (Dipl. Ing. Soravia Senior) im September 2015 für einen guten Zweck gesammelt. Es handelte sich um private Spenden der Begräbnis-Gäste, das Unternehmen war weder involviert noch informiert.“
2 Worum geht es bei der gesamten Causa?
Ausgelöst wurden die Ermittlungen in diesem Themenkomplex durch eine Anzeige im Jahr 2017 gegen Christoph Chorherr – im Zusammenhang mit dem geplanten und umstrittenen Immobilienprojekt des Investors Michael Tojner am Heumarkt. Dieses Projekt, das beinahe zu einer Spaltung der Wiener Grünen führte, wurde von Chorherr und der Parteispitze durchgezogen – auch gegen einen offiziellen, gegenteiligen Beschluss der grünen Basis, was heftige parteiinterne Verwerfungen nach sich zog. Die Kernfrage, der die Korruptionsstaatsanwaltschaft sinngemäß nachgeht: Stehen die Spenden an Chorherrs gemeinnützigen Verein im Zusammenhang mit Widmungen, die für die Spender von Vorteil waren? Derartige Vorwürfe hatte Chorherr ebenso vehement zurückgewiesen wie jene Unternehmen, die von den Umwidmungen profitiert hatten.
3 Was sind die politischen Konsequenzen?
Neben den Untersuchungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft zieht diese Causa politische Folgen nach sich. Neos Wien hat (neben der neuen Sachverhaltsdarstellung) eine Sondersitzung des Gemeinderates einberufen, um die Handhabung von umstrittenen Flächenwidmungen öffentlich zu diskutieren. Die FPÖ will nun alle umstrittenen Flächenwidmungen untersuchen lassen, in die Chorherr involviert war: „Wir werden uns diese Akten in den nächsten Tagen unter dem Gesichtspunkt der laufenden Ermittlungen noch einmal genau durchsehen und der Staatsanwaltschaft etwaige ergänzende Sachverhaltsdarstellungen übermitteln“, erklärte Wiens FPÖChef Dominik Nepp.
4 Was bedeutet das für die Grünen im laufenden Wahlkampf?
Nichts Gutes. In Anspielung auf das Ibiza-Video plakatieren die Grünen den Slogan „Saubere Politik“. In diesem Zusammenhang ist es naturgemäß nicht förderlich, wenn die Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen einen ehemaligen hochrangigen Grünen ermittelt. Dazu betrifft die Causa den engsten Kreis der Wiener Grünen. Denn Chorherr war die rechte Hand der früheren Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Deren Nachfolgerin Birgit Hebein kommentiert die (für die Grünen) heikle Causa auf „Presse“-Anfrage so: „Meine oberste Priorität ist die sorgfältige Aufklärung der seit 2017 im Raum stehenden Vorwürfe.“Nachsatz: „Seit zwei Jahren wird ermittelt. Dass zehn Tage vor der Wahl ein alter Hut hervorgekramt wird, scheint mir ein durchsichtiges Ablenkungsmanöver.“Auf Puls4 meinte der grüne Bundeschef Werner Kogler wörtlich: „Tatsächlich weiß ich im Detail nichts. Jetzt ist die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft unterwegs, Gott sei Dank. Sollen die schauen. Wenn es in Wien etwas aufzuklären gibt, dann bitte her damit.“
5 Warum sind Flächenwidmungen so heikel?
Weil es um enorme Summen, seit Ibiza erhöhte öffentliche Sensibilität und belastete Vergangenheit geht. Immerhin wurde bereits 2003 eine Wiener U-Kommission einberufen, um Ungereimtheiten bei Flächenwidmungen zu untersuchen. Initiiert wurde das von einer damaligen Oppositionspartei: den Wiener Grünen.