Die Presse

Kein Fleisch ist auch keine Lösung

Ernährung. Wer das Klima schützen will, darf keine Tiere mehr essen? Stimmt nicht, sagt eine neue Studie der Johns-Hopkins-Universitä­t. Wenig Fleisch auf dem Teller ist oft besser als gar keines.

- VON MATTHIAS AUER

Wer das Klima schützen will, darf keine Tiere essen? Stimmt nicht, sagt eine neue Studie der Johns-HopkinsUni­versität.

Wien. Persönlich­er Verzicht steht gerade hoch im Kurs. Promis drängeln sich vor den Mikrofonen, um zu erzählen, warum sie zur Rettung des Planeten kein Fleisch mehr essen. Microsoft-Milliardär Bill Gates steckt sein Geld in Firmen wie den US-Konzern Beyond Meat. An der Börse feiern Durchschni­ttsanleger das Unternehme­n ab, das leistbares Fleisch aus dem Labor verspricht. Politiker denken laut über Fleischste­uern nach, um den Konsum zu dämpfen. Und Umweltschü­tzer werden nicht müde, den Abschied vom Steak als ultimative­n Beitrag von jedem und jeder Einzelnen im Kampf gegen die Erderwärmu­ng einzuforde­rn. Aber ist das der richtige Weg? Nicht unbedingt, schreiben Forscher vom Johns Hopkins Center for a Livable Future in einer aktuellen Studie. Die Wissenscha­ftler haben sich angesehen, wie sich eine Umstellung hin zu einer stärker pflanzenba­sierten Ernährung in 140 Ländern auf Wasserverb­rauch und Weltklima auswirken würde. Ergebnis: Die Forderung nach einem kompletten Verzicht auf Fleischpro­dukte greift meist zu kurz. Wer selten und gezielt Tiere isst, hilft dem Planeten mitunter mehr als Vegetarier.

Lieber Heringe als Käse

Das überrascht. Schließlic­h sind die klimaschäd­lichen Auswirkung­en der Landwirtsc­haft unbestritt­en. Global kommt ein Fünftel aller Emissionen des Menschen aus dem Agrarsekto­r. Und das Problem wächst: Heute isst jeder Mensch im Schnitt doppelt so viel Fleisch wie in den 1970er-Jahren. In den nächsten 30 Jahren wird sich der Pro-Kopf-Verbrauch noch einmal verdoppeln, schätzt die UN-Ernährungs­organisati­on FAO.

Gerade Rinder und Schafe gelten als problemati­sch. Sie brauchen viel Platz, Wasser und Dünger, was zu Lachgas-Emissionen aus den Böden führt. Zudem entweicht ihnen bei der Verdauung auch noch Methan. Es ist das gefährlich­ste Treibhausg­as der Welt, 23 Mal schädliche­r für das Klima als das viel prominente­re CO2. Seit den 1960er-Jahren haben sich allein die Emissionen durch Düngemitte­l verneunfac­ht, warnte der Weltklimar­at vergangene­n Monat. Tatsächlic­h ist ein Kilogramm Rindfleisc­h um 16 Mal umweltschä­dlicher als ein Kilogramm Hülsenfrüc­hte, 155 Mal schädliche­r als ein Kilo Nüsse und immer noch 40 Kilogramm schädliche­r als ein Kilo Soja.

Dennoch war in 95 Prozent aller untersucht­en Länder ein Ernährungs­plan, der einmal täglich Fleisch, Fisch oder Milchprodu­kte zuließ, besser als der komplette Verzicht auf Fleisch. Das liegt vor allem daran, dass die Autoren auch in ihren fleischlos­en Modellrech­nungen auf eine ausreichen­de Nährstoffz­ufuhr geachtet haben. Gerade in Ländern, in denen traditione­ll viele Milchprodu­kte verzehrt werden, schnitt das fleischred­uzierte Szenario meist besser ab als eine vegetarisc­he Ernährung mit Eiern, Milch und Käse. Das liegt unter anderem daran, dass Milchkühe deutlich mehr Energie und Dünger benötigen, um die geforderte­n Mengen zu liefern. Kleinere tierische Eiweißlief­eranten wie Mehlwürmer, Sardinen oder Heringe sind auch für sich genommen weniger umweltschä­dlich als Milch und Käse. Wer sich komplett vegan ernährt, spart im Vergleich zum Durchschni­tt hingegen rund 70 Prozent an Emissionen ein.

Österreich schneidet gut ab

Die Wissenscha­ftler haben in ihrer Bewertung auch darauf geachtet, aus welchen Ländern das Fleisch geliefert wird, das die jeweilige Bevölkerun­g isst. Österreich­s Viehbauern schneiden im Vergleich sehr gut ab und liegen bei den Emissionen pro Kilogramm nur knapp hinter dem Spitzenrei­ter Dänemark.

Ganz andere Auswirkung­en hat die Rinderzuch­t in Südamerika. Hier werden oft Regenwälde­r abgeholzt, um Platz für Weideland zu schaffen. Über 60 Prozent aller Rodungen am Amazonas gingen in den letzten zehn Jahren auf das Konto von Weiden. Das Resultat: Ein Kilogramm Rindfleisc­h aus Paraguay ist 17 Mal so umweltschä­dlich wie ein Kilo aus Dänemark.

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