Kein Fleisch ist auch keine Lösung
Ernährung. Wer das Klima schützen will, darf keine Tiere mehr essen? Stimmt nicht, sagt eine neue Studie der Johns-Hopkins-Universität. Wenig Fleisch auf dem Teller ist oft besser als gar keines.
Wer das Klima schützen will, darf keine Tiere essen? Stimmt nicht, sagt eine neue Studie der Johns-HopkinsUniversität.
Wien. Persönlicher Verzicht steht gerade hoch im Kurs. Promis drängeln sich vor den Mikrofonen, um zu erzählen, warum sie zur Rettung des Planeten kein Fleisch mehr essen. Microsoft-Milliardär Bill Gates steckt sein Geld in Firmen wie den US-Konzern Beyond Meat. An der Börse feiern Durchschnittsanleger das Unternehmen ab, das leistbares Fleisch aus dem Labor verspricht. Politiker denken laut über Fleischsteuern nach, um den Konsum zu dämpfen. Und Umweltschützer werden nicht müde, den Abschied vom Steak als ultimativen Beitrag von jedem und jeder Einzelnen im Kampf gegen die Erderwärmung einzufordern. Aber ist das der richtige Weg? Nicht unbedingt, schreiben Forscher vom Johns Hopkins Center for a Livable Future in einer aktuellen Studie. Die Wissenschaftler haben sich angesehen, wie sich eine Umstellung hin zu einer stärker pflanzenbasierten Ernährung in 140 Ländern auf Wasserverbrauch und Weltklima auswirken würde. Ergebnis: Die Forderung nach einem kompletten Verzicht auf Fleischprodukte greift meist zu kurz. Wer selten und gezielt Tiere isst, hilft dem Planeten mitunter mehr als Vegetarier.
Lieber Heringe als Käse
Das überrascht. Schließlich sind die klimaschädlichen Auswirkungen der Landwirtschaft unbestritten. Global kommt ein Fünftel aller Emissionen des Menschen aus dem Agrarsektor. Und das Problem wächst: Heute isst jeder Mensch im Schnitt doppelt so viel Fleisch wie in den 1970er-Jahren. In den nächsten 30 Jahren wird sich der Pro-Kopf-Verbrauch noch einmal verdoppeln, schätzt die UN-Ernährungsorganisation FAO.
Gerade Rinder und Schafe gelten als problematisch. Sie brauchen viel Platz, Wasser und Dünger, was zu Lachgas-Emissionen aus den Böden führt. Zudem entweicht ihnen bei der Verdauung auch noch Methan. Es ist das gefährlichste Treibhausgas der Welt, 23 Mal schädlicher für das Klima als das viel prominentere CO2. Seit den 1960er-Jahren haben sich allein die Emissionen durch Düngemittel verneunfacht, warnte der Weltklimarat vergangenen Monat. Tatsächlich ist ein Kilogramm Rindfleisch um 16 Mal umweltschädlicher als ein Kilogramm Hülsenfrüchte, 155 Mal schädlicher als ein Kilo Nüsse und immer noch 40 Kilogramm schädlicher als ein Kilo Soja.
Dennoch war in 95 Prozent aller untersuchten Länder ein Ernährungsplan, der einmal täglich Fleisch, Fisch oder Milchprodukte zuließ, besser als der komplette Verzicht auf Fleisch. Das liegt vor allem daran, dass die Autoren auch in ihren fleischlosen Modellrechnungen auf eine ausreichende Nährstoffzufuhr geachtet haben. Gerade in Ländern, in denen traditionell viele Milchprodukte verzehrt werden, schnitt das fleischreduzierte Szenario meist besser ab als eine vegetarische Ernährung mit Eiern, Milch und Käse. Das liegt unter anderem daran, dass Milchkühe deutlich mehr Energie und Dünger benötigen, um die geforderten Mengen zu liefern. Kleinere tierische Eiweißlieferanten wie Mehlwürmer, Sardinen oder Heringe sind auch für sich genommen weniger umweltschädlich als Milch und Käse. Wer sich komplett vegan ernährt, spart im Vergleich zum Durchschnitt hingegen rund 70 Prozent an Emissionen ein.
Österreich schneidet gut ab
Die Wissenschaftler haben in ihrer Bewertung auch darauf geachtet, aus welchen Ländern das Fleisch geliefert wird, das die jeweilige Bevölkerung isst. Österreichs Viehbauern schneiden im Vergleich sehr gut ab und liegen bei den Emissionen pro Kilogramm nur knapp hinter dem Spitzenreiter Dänemark.
Ganz andere Auswirkungen hat die Rinderzucht in Südamerika. Hier werden oft Regenwälder abgeholzt, um Platz für Weideland zu schaffen. Über 60 Prozent aller Rodungen am Amazonas gingen in den letzten zehn Jahren auf das Konto von Weiden. Das Resultat: Ein Kilogramm Rindfleisch aus Paraguay ist 17 Mal so umweltschädlich wie ein Kilo aus Dänemark.