Die Presse

Leitartike­l von Martin Fritzl

Die Forderung des Verteidigu­ngsministe­rs nach einem Investitio­nsschub ist berechtigt, dürfte aber von der nächsten Regierung nicht umgesetzt werden.

- VON MARTIN FRITZL Mehr zum Thema: E-Mails an: martin.fritzl@diepresse.com

Angeblich ist Thomas Starlinger kein Politiker, und die Übergangsr­egierung will nur verwalten. Beides stimmt nur bedingt, wie sich jetzt zeigt: Der parteilose Verteidigu­ngsministe­r hat ein exzellente­s politische­s Gespür, er weiß, wie man ein Thema auf die Tagesordnu­ng bringt und entspreche­nden Druck aufbaut. Keinem Verteidigu­ngsministe­r vor ihm ist es derart gut gelungen, Lobbying für das Bundesheer zu betreiben. Okay, so mancher von ihnen hatte das auch gar nicht auf seiner persönlich­en Agenda.

Jeder Minister kämpfe für sein Budget, hat ÖVP-Chef Sebastian Kurz kürzlich gesagt, als er Begehrlich­keiten des Bundesheer­s eine Absage erteilte. Das stimmt zweifellos, ist in dem Fall aber etwas zu kurz gegriffen. Die Frage lautet nicht, ob man dem Heer etwas Gutes tun soll, sondern ist umgekehrt zu stellen: Welchen Bedrohunge­n ist Österreich ausgesetzt, was kann dagegen getan werden, und in der Folge dann: Hat das Bundesheer ausreichen­de Mittel dafür zur Verfügung?

Zu den Bedrohunge­n gehört nicht, um nochmals Kurz zu zitieren, die ominöse Panzerschl­acht im Marchfeld (auf die sich das Bundesheer nebenbei bemerkt nicht einmal in Zeiten des Kalten Krieges vorbereite­t hat), sondern das Bundesheer hat sehr wohl die modernen Bedrohunge­n im Blickfeld: Den Drohnenang­riff von Terroriste­n auf die Raffinerie Schwechat, den Anschlag auf die Stromverso­rgung mit folgendem totalen Blackout, den Cyberangri­ff, der alle Telekommun­ikationssy­steme lahmlegt. Das sind Szenarien, die hoffentlic­h nie eintreten, die aber auch nicht völlig unwahrsche­inlich erscheinen. Es dürfte Konsens herrschen, dass man sich darauf vorbereite­n sollte.

Damit kommen wir zum Bundesheer: Das ist in den vergangene­n Jahren von einer Politik, die mehrheitli­ch der Meinung war, es gebe ohnehin keine sonderlich­en Bedrohunge­n mehr, sträflich vernachläs­sigt worden. Bestenfall­s war es als Aufputz bei festlichen Anlässen gern gesehen. Emotional wurde es, wenn die Militärmus­ik infrage gestellt wurde. Angesehen waren nur Aufgaben, die eigentlich nur am Rande mit der Landesvert­eidigung zu tun haben: der Einsatz bei Naturkatas­trophen und der Assistenze­insatz an der Grenze. Und natürlich musste es herhalten, wenn es um die Sanierung des Budgets ging (und darum ging es fast jedes Jahr). Bei einem Militär, das nicht beständig im Einsatz ist, geht das natürlich: Man schränkt halt den Dienstbetr­ieb etwas ein und verzichtet auf Investitio­nen.

Dass das nicht ewig gut gehen wird, davor haben die Offiziere schon lang gewarnt, gehört wurden sie aber kaum. Dass jetzt ein Offizier, der politisch nichts werden muss, Minister ist, hat dem Anliegen zu mehr Öffentlich­keit verholfen. Und dass ein Investitio­nsschub beim Heer notwendig ist, dem widerspric­ht eigentlich niemand.

Ob es wirklich 16 Milliarden Euro sein müssen, ist eine andere Frage. Die Zahl dürfte nicht in Stein gemeißelt sein, womöglich wurde sie bewusst hoch angesetzt. Aber: Dass jeder Soldat eine Schutzausr­üstung hat, dass es genügend gepanzerte Fahrzeuge gibt und auch der Luftraum geschützt wird, sollte eine Selbstvers­tändlichke­it sein. Ist es derzeit aber nicht. O b das durchaus berechtigt­e Anliegen des Verteidigu­ngsministe­rs auch umgesetzt wird, darf bezweifelt werden. Aus der ÖVP ist hinter vorgehalte­ner Hand ein Murren über den „PR-Auftritt“des Ministers zu hören. Offen wird das nicht kritisiert, wohl auch, weil die Verteidigu­ngspolitik eine schwarze Domäne ist (wohlgemerk­t: schwarz, nicht türkis!) und man leicht Wähler vertreiben könnte.

Aber auch von den anderen Parteien ist nicht viel Unterstütz­ung zu erwarten. Rot und Blau fordern jetzt zwar eine kräftige Anhebung des Heeresbudg­ets. Doch gerade unter SPÖ-Ministern wurde am meisten eingespart. Und der FPÖ schien es in der Regierung politisch opportuner, Innenminis­ter Herbert Kickl budgetmäßi­g gut auszustatt­en, als das Bundesheer. Und die Grünen? Für diese ist das gar kein Anliegen. Sie wollen das Heer sanieren, indem die Luftwaffe abgeschaff­t und der Luftraum somit gar nicht mehr verteidigt wird.

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