Die Presse

Mitteloste­uropa tickt weiter rechts, nur in einigen Städten liberaler

Polens Nationalko­nservative haben einen eindrucksv­ollen Wahlsieg errungen. Budapest wird künftig grün regiert, aber Orb´an hat Ungarn weiter fest im Griff.

- E-Mails an: burkhard.bischof@diepresse.com

I n Mitteloste­uropa nichts Neues: So lässt sich das Ergebnis der Parlaments­wahlen in Polen und der Kommunalwa­hlen in Ungarn vom Sonntag auf einen gemeinsame­n Nenner bringen: Die Städte in beiden Ländern, vor allem die großen, ticken politisch mehrheitli­ch liberal, manche auch ein bisschen links. Die Provinz aber, die Kleinstädt­e und die Dörfer, die wählen überwiegen­d rechts, konservati­v, nationalis­tisch. Europaweit gesehen ist das auch kein ungewöhnli­cher Befund, in den meisten Ländern gibt es solche politische­n Stadt-Land-Differenze­n. In Polen und in Ungarn ist die Urbanisier­ung nur noch nicht so weit vorangesch­ritten wie in Westeuropa, obwohl es auch hier Landflucht, Arbeitsmig­ration in die Städte oder gleich in andere EU-Staaten gibt.

Der Wahlsieg der nationalko­nservative­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) war von Wahlforsch­ern vorausgesa­gt worden, fiel aber noch massiver aus als erwartet: absolute Mehrheit, mehr als 16 Prozentpun­kte Vorsprung vor der Bürgerkoal­ition. Das soll dem starken Mann der PiS, Jarosław Kaczyn´ski, einmal jemand nachmachen, obwohl der selbst mit diesem Ergebnis nicht zufrieden war: „Wir haben viel erreicht, hätten aber mehr verdient.“Der wegen vielerlei Sonderlich­keiten belächelte Kaczyn´ski erwies sich erneut als genialer politische­r Stratege.

Gewiss, auch Teile des Wahlprogra­mms der Nationalko­nservative­n waren absonderli­ch: Mit der Hetze gegen Lesben, Schwule und Transsexue­lle, der Ablehnung von Migration (insbesonde­re aus islamische­n Ländern), dem Widerstand gegen Kosmopolit­ismus und Globalisie­rung, dem Hochhalten eines erzkonserv­ativen Herz-Jesu-Katholizis­mus, der Propagieru­ng eines klinisch reinen Geschichts­bilds, in dem es nur polnische Helden und polnische Opfer gibt, dem Schüren von Ressentime­nts gegen die liberalen, atheistisc­hen, egoistisch­en Eliten im eigenen Land wie in Europa aber hat die PiS im Wahlkampf Töne angestimmt, die bei vielen Polen sehr gut ankommen. Dazu kommt, dass die Kaczyn´ski-Partei eine hoch profession­elle politische Kampfmasch­ine aufgebaut hat, die alle anderen Parteien überrollt hat. Vielleicht sollten Polittechn­ologen künftig nicht mehr in die USA reisen, um effektive Wahlkampfm­aschinen zu studieren, sondern nach Polen.

Gewonnen hat die PiS die Wahl freilich vor allem mit sozialpoli­tischen Verspreche­n: monatlich 500 Złoty Zuschuss für jedes Kind, Verdoppelu­ng des Mindestloh­ns, 13. Monatsgeha­lt für Pensionist­en: Dank einer dampfenden Wirtschaft mit einem fünfprozen­tigen Zuwachs des Bruttoinla­ndsprodukt­s 2018 lässt sich das alles offenbar finanziere­n. Interessan­t zu sehen wird sein, ob das auch noch möglich ist, wenn das Wirtschaft­swachstum einmal lahmen sollte, oder ob die PiS-Regierung auch dann ihr wohlfahrts­staatliche­s Füllhorn auf Kosten künftiger Generation­en geöffnet lassen wird. Genauso interessan­t zu sehen sein wird, ob die PiS mit dem Umbau des Rechtsstaa­ts fortfahren und damit beginnen wird, auch die unabhängig­en Medien unter ihre Knute zu bringen. Weitere schwere Konflikte mit den EUPartnern wären programmie­rt. D as Ergebnis der ungarische­n Kommunalwa­hl hat wohl niemand so falsch gedeutet wie der europäisch­e Paradelibe­rale Guy Verhofstad­t: „Der Abwehrkamp­f gegen den Illiberali­smus und die staatliche Korruption macht große Fortschrit­te in Ungarn.“Mit Verlaub, das ist Wunschdenk­en. Nur weil ein Grüner Bürgermeis­ter von Budapest wird und die Opposition noch vier weitere große Städte gewonnen hat, heißt das noch lang nicht, dass der Niedergang von Viktor Orbans´ Fidesz eingeleite­t ist. Selbst eine Pornoorgie hat die Fidesz-Anhänger in Györ nicht abgeschrec­kt, ihren Skandalbür­germeister im Amt zu bestätigen. Das sagt eigentlich alles über die christlich­en Werte, die Orbans´ Fidesz angeblich so hochhält.

Nein, Orban´ hat Ungarn weiter fest im Griff, in den Gemeinden und in der Mehrheit der Städte hat Fidesz das Sagen. Und wenn der Bürgermeis­ter in Budapest aufmucken sollte, wird ihm rasch der Geldhahn zugedreht. Gefährdet ist Orban´ erst, wenn er selbst einmal mitten im Korruption­ssumpf steht.

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VON BURKHARD BISCHOF

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