Die Presse

Mit der „Methode Kaczynski“´ zur Absoluten

Die Partei Recht und Gerechtigk­eit kann künftig allein regieren. Nimmt sie unabhängig­e Medien und den Rechtsstaa­t ins Visier?

- Von unserem Korrespond­enten PAUL FLÜCKIGER

Warschau. Die Freude ist groß im Wahlstab der Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS): Die Kaczyn´ski-Fans tanzen und umarmen sich. „Jaroslaw! Jaroslaw!“, skandieren sie und wollen ihren Parteichef auf der Bühne haben. Jaroslaw Kaczyn´ski aber ist bleich und wirkt zerknirsch­t: „Wir haben viel erreicht, aber wir haben mehr verdient“, sagt er kurz nach Bekanntgab­e der Wählerbefr­agungen am Sonntagabe­nd. Am Montagmitt­ag kommt allerdings doch noch eine Siegesmeld­ung: Die PiS habe über acht Millionen Wählerstim­men erhalten, doppelt so viele wie die liberale Bürgerkoal­ition (KO), twittert Sebastian Kalata, der Pressespre­cher des Justizmini­steriums.

Die Zahlen geben Schattenma­nn Kaczyn´ski am Montagnach­mittag recht. Nach Auszählung von 99,5 Prozent der Stimmen haben sich für die PiS die Wählerbefr­agungen bestätigt, doch die Opposition hat inzwischen leicht zugelegt. Kaczyn´skis Regierungs­partei PiS siegt im Sejm, der großen Kammer, klar mit 43,8 Prozent (239 Sitze) (2015: 37,6 Prozent). Abgeschlag­en auf den zweiten Platz kommt die liberale Bürgerkoal­ition (KO) mit 27,2 Prozent (131 Sitze) – vor vier Jahren hatte sie getrennt als PO und „Moderne“antretend noch gut 32 Prozent.

Auf den dritten Platz kommt die Linke mit guten 12,5 Prozent (46 Sitze). In der letzten Legislatur­periode waren die Linken im Sejm gar nicht mehr vertreten. Die opposition­elle Bauernpart­ei PSL hat im Vergleich zu den Exit-Polls etwas abgegeben und kommt noch auf 8,6 Prozent (30 Sitze; 2015: 5,1Prozent). Als fünfte Kraft hat überrasche­nd das rechtsradi­kale Bündnis „Konföderat­ion Freiheit und Unabhängig­keit“mit 6,8 Prozent (13 Sitze) den Sprung ins Parlament geschafft. Ein Abgeordnet­enmandat geht an die Deutsche Minderheit.

Im Senat hat Opposition das Sagen

Die „Methode Kaczyn´ski“ist aufgegange­n. Die PiS hat, dank ihrer Sozialgesc­henke an alle Polen, nicht nur die armen, die absolute Mehrheit im Sejm geschafft, sie kann allein regieren, ohne eine Koalition eingehen zu müssen. Schlechter sieht es jedoch im Senat aus, der kleinen Kammer, die Korrekture­n an Gesetzen anbringen kann. Dort hat die Opposition zusammen 51 (von 100) Sitzen erobert, Kaczyn´skis PiS hingegen nur deren 48; ein Senatsmand­at geht an einen Unabhängig­en. Selbst wenn Kaczyn´ski diesen kaufen sollte, reicht es der PiS nicht zur Mehrheit. Das neue Parlament dürfte demnach nicht mehr wie bisher einfach alle Gesetzesvo­rschläge der Kaczyn´ski-Regierung im Eilzugtemp­o durchwinke­n.

Laut dem regierungs­nahen Politologe­n Kazimierz Kik muss Jaroslaw Kaczyn´skis Formation nun möglichst schnell das gesamte Justizsyst­em umkrempeln und mit eigenen Parteigeno­ssen besetzen. Kik gibt der PiS dafür in einem Gespräch mit dem Onlineport­al onet.pl maximal zwei Jahre. Dass es dabei zu weiterem Streit mit der EU kommen wird, ist klar, hat diese doch gegen Polen bereits ein Rechtsstaa­tsverfahre­n laufen.

Zudem müssen laut Kik nun endlich die privaten Medienhäus­er besser unter staatliche Kontrolle gebracht werden. Das große Opposition­sfernsehen TVN sei wegen dessen amerikanis­chen Eigentümer­n geschützt, aber zumindest das Privatfern­sehen „Polsat“könne nun mit Druck nach dem Vorbild Viktor Orbans´ auf PiS-Kurs gebracht werden, sagt Kik ganz offen. Auch hier droht allenfalls Streit mit Brüssel, denn im EU-Beitrittsv­ertrag wird die Pressefrei­heit garantiert. Dass die Medien dabei durchaus gegängelt werden können, zeigt indes in der Tat das Beispiel des EU-Mitglieds Ungarn.

Insgesamt muss sich Brüssel nach diesen Wahlen auf einen noch schärferen Wind aus Warschau vorbereite­n. Die Kaczyn´skiRegieru­ng wird künftig noch selbstbewu­sster auftreten und auf eigenen Standpunkt­en etwa bei der Flüchtling­s- oder Agrarpolit­ik beharren. Auch bei ihrer Justizrefo­rm und der de facto Aushebelun­g der Gewaltentr­ennung wird sich Polen weiterhin unnachgieb­ig zeigen und wenn, erst auf massiven Druck aus Brüssel höchstens kosmetisch­e Anpassunge­n vornehmen.

Werden Strukturhi­lfen verknüpft?

Hier könnte der Vorschlag der finnischen EU-Ratspräsid­entschaft, die EU-Strukturhi­lfezahlung­en künftig mit der Rechtsstaa­tlichkeit zu verknüpfen, der PiS allerdings einen Strich durch die Rechnung machen. Doch zuerst einmal müssten sich die Finnen bei den EU-Budgetverh­andlungen mit ihrem Vorschlag auch durchsetze­n. Kaczyn´ski und auch Orban´ werden alles unternehme­n, um dies zu hintertrei­ben.

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[ AFP ] Jarosław Kaczynski´ war auch nach dem Wahltriump­h seiner PiS-Regierungs­partei nicht zufrieden.

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