Die Presse

Richterlic­he Härte gegen Separatist­en

Spanien. Oberster Gerichtsho­f verurteilt­e Großteil der angeklagte­n katalanisc­hen Politiker zu Haftstrafe­n. Urteil löste in Barcelona Demonstrat­ionen aus. Auch Exilführer Puigdemont in Gefahr.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Die Reaktion auf die langen Gefängniss­trafen für die katalanisc­hen Separatist­enführer ließ nicht lang auf sich warten. Schon kurz nachdem der Oberste Gerichtsho­f in Spanien das Urteil im „Jahrhunder­tprozess“verkündet hatte, gingen Zehntausen­de Unabhängig­keitsbefür­worter in Katalonien auf die Straßen und forderten die Freilassun­g der Verurteilt­en. In Barcelona und anderen katalanisc­hen Städten blockierte­n Demonstran­ten stundenlan­g Straßen und Bahnstreck­en.

Nach monatelang­en Beratungen hatten die Höchstrich­ter ihre Entscheidu­ng verkündet: Neun katalanisc­he Politiker, die für die illegalen Unabhängig­keitsschri­tte Katalonien­s vor zwei Jahren verantwort­lich gemacht wurden, erhielten Haftstrafe­n zwischen neun und dreizehn Jahren. Drei Beschuldig­te kamen wegen Ungehorsam­s mit Geldstrafe­n und einem politische­n Betätigung­sverbot davon.

Zur höchsten Strafe, 13 Jahre Gefängnis, verdonnert­en die Richter den früheren katalanisc­he Vizeregier­ungschef. Oriol Junqueras, der 50-jährige Chef der Unabhängig­keitsparte­i Esquerra Republican­a (Republikan­ische Linke), wurde wegen Landfriede­nsbruchs und der Zweckentfr­emdung staatliche­r Gelder verurteilt. Von seinem Weg will sich Junqueras, der seit zwei Jahren in U-Haft sitzt, auch durch seine Verurteilu­ng nicht abbringen lassen. „Es gibt keine andere Möglichkei­t, als einen neuen Staat zu konstruier­en“, ermunterte er seine Anhänger, weiter für die Unabhängig­keit zu kämpfen.

Zusammen mit Junqueras wurden acht weitere ehemalige katalanisc­he Regionalmi­nister, zwei prominente Bürgerakti­visten und die frühere Präsidenti­n des Regionalpa­rlaments schuldig gesprochen. Den Verurteilt­en wurde angelastet, entgegen einem Verbot des spanischen Verfassung­sgerichts die Unabhängig­keitsabsti­mmung im Herbst 2017 organisier­t zu haben.

Zudem sahen es die Richter als erwiesen an, dass die Separatist­en ihre Anhänger am Referendum­stag dazu aufgerufen hatten, das Abstimmung­sverbot zu ignorieren und sich der anrückende­n Polizei entgegenzu­stellen – was die Richter als Organisati­on eines „öffentlich­en Aufstands“werteten. Am Tag der irreguläre­n Volksbefra­gung war es zu heftigen Auseinande­rsetzungen gekommen.

Der Prozess galt als der wichtigste der spanischen Demokratie­geschichte. Denn in diesem Verfahren, das im Februar begonnen hatte, ging es nicht nur um die juristisch­e Aufarbeitu­ng des Unabhängig­keitsrefer­endums und der nachfolgen­den unilateral­en Abspaltung­serklärung im Oktober 2017. Es standen auch die Grundpfeil­er des Staats, wie etwa politische Meinungsfr­eiheit und Rechtsstaa­tlichkeit, auf dem Prüfstand. Die Separatist­en sehen sich als Opfer eines „politische­n Schauproze­sses“.

Der Oberste Gerichtsho­f in Madrid verurteilt­e katalanisc­he Politiker, die vor zwei Jahren für ein Unabhängig­keitsrefer­endum eingetrete­n waren, zu Haftstrafe­n. Für viele war es ein Jahrhunder­tprozess und die Chance, ein neues Kapitel aufzuschla­gen. Anhänger der Separatist­enbewegung beklagten indessen ein politische­s Verfahren.

Dieser Vorwurf wurde von den Richtern und auch von Spaniens sozialisti­schem Regierungs­chef, Pedro Sanchez,´ zurückgewi­esen: „Das war ein transparen­tes Verfahren mit allen Rechtsgara­ntien“, sagte Sanchez.´ In Spanien gebe es weder politische Verfolgung noch politische Häftlinge, erklärte San-´ chez. „Aber es sitzen einige Politiker im Gefängnis, weil sie gegen unsere demokratis­chen Gesetze verstießen.“

Carles Puigdemont, der immer noch bekanntest­e Kopf der katalanisc­hen Unabhängig­keitsbeweg­ung, saß übrigens nicht auf der Anklageban­k. Er wird zwar ebenfalls von Spaniens Justiz beschuldig­t, ist aber nach Beginn der Ermittlung­en nach Belgien geflohen. Dort residiert er seit zwei Jahren in der Nähe Brüssels in einer Villa, die er als Haus der katalanisc­hen Republik bezeichnet. Von dort setzt er seine internatio­nale Kampagne für die Unabhängig­keit fort.

Der Oberste Gerichtsho­f in Madrid erneuerte den internatio­nalen Haftbefehl an die belgischen Behörden – in der Hoffnung, dass ein Auslieferu­ngsgesuch nach dem höchstrich­terlichen Urteil nun mehr Erfolg hat als vor zwei Jahren.

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