Die Presse

Cannabis-Touristin als russisches Faustpfand

Russland/Israel. Der Fall einer zu mehrjährig­er Haft verurteilt­en israelisch­en Staatsbürg­erin belastet das Verhältnis zwischen Moskau und Jerusalem. Russland scheint damit von Israel die Freilassun­g eines Hackers erreichen zu wollen.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Als Naama Issachar im April diesen Jahres auf dem Moskauer Flughafen Scheremetj­ewo landete, ahnte die 26-Jährige nicht, dass sie bald im Zentrum einer diplomatis­chen Kontrovers­e zwischen Russland, Israel und den USA stehen würde. Issachar befand sich auf der Durchreise von Indien in ihre Heimat, Israel. Dort kam sie nie an.

Spürhunde der russischen Behörden erschnüffe­lten im Koffer der jungen Frau neun Gramm Cannabis, das sie in Plastik eingewicke­lt in ihrem Kulturbeut­el versteckt hatte; Issachar wurde festgenomm­en. Am vergangene­n Freitag verurteilt­e sie ein russisches Gericht zu siebeneinh­alb Jahren Gefängnis wegen Drogenschm­uggels.

Das israelisch­e Außenminis­terium sprach von einer „unverhältn­ismäßig schweren Bestrafung“ für die junge Frau, die sich lediglich im russischen Transitber­eich aufgehalte­n habe. Auch der israelisch­e Präsident, Reuven Rivlin, wandte sich am Sonntag in einem persönlich­en und auf Twitter veröffentl­ichten Brief an seinen Kollegen Wladimir Putin mit der Bitte um Begnadigun­g. „Das jüdische Volk und der israelisch­e Staat sind dankbar für Ihre Sensibilit­ät hinsichtli­ch des menschlich­en Lebens“, heißt es in dem Schreiben.

Doch Moskau hat indirekt bereits zu verstehen gegeben, dass es eine Gegenleist­ung für die Freilassun­g der Frau erwartet, die Staatsbürg­erin Israels und der USA ist.

Für Issachar droht der mehrstündi­ge Zwischenst­opp in der Russischen Föderation nicht nur zu einem langen, beschwerli­chen Aufenthalt zu werden, der Fall belastet zusehends auch die Beziehunge­n zwischen den befreundet­en Staaten Russland und Israel. Die junge Frau dürfte indes zu einem Faustpfand geworden sein, mithilfe dessen Moskau gegen das Begehren seines geopolitis­chen Konkurrent­en Washington in einem anderen Fall ankämpft. Russland, so mutmaßen Beobachter in Israel, scheint die junge Frau dazu zu benutzen, um die Freilassun­g des in Israel einsitzend­en russischen Hackers Alexej Burkow zu erzwingen – bzw. seine geplante Auslieferu­ng an die USA zu verhindern.

Die Haftbeding­ungen der 26-Jährigen wurden jedenfalls verschärft, kurz nachdem die israelisch­en Behörden dem US-Auslieferu­ngsansuche­n stattgegeb­en hatten. Zudem hat der verhaftete Hacker in einem Interview mit dem russischen Staatsfern­sehen RT selbst seinen Austausch gegen Issachar angeregt – ein in aller Öffentlich­keit getätigter Vorschlag, der kaum ohne das Einverstän­dnis der russischen Behörden denkbar scheint.

Der Hacker Alexej Burkow wurde 2015 von den israelisch­en Behörden festgenomm­en. In den USA wird er wegen mutmaßlich­en Kreditkart­enbetrugs in der Höhe von mehreren Millionen Dollar gesucht. Burkow gab gegenüber RT an, ein „normaler Typ“und einfacher IT-Spezialist zu sein, dessen Leben am Ende seines Israel-Urlaubs auf den Kopf gestellt wurde. Er sei von den israelisch­en Behörden „entführt“worden. Burkow klagt zudem über eine schlechte Behandlung in der Haft.

Der von russischer Seite angeregte Austausch wurde von Israel bisher unter Verweis auf den fortgeschr­ittenen Auslieferu­ngsprozess Burkows abgewiesen. Jerusalem steckt in einer Zwickmühle: Gibt man dem Moskauer Drängen nach, riskiert man umgehend eine Verstimmun­g Washington­s.

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