Die Presse

Ein königliche­s Brexit-Verspreche­n

Großbritan­nien. Premier Johnson ließ die Queen für seine Wiederwahl werben.

- Von unserem Korrespond­enten GABRIEL RATH

Es war bereits das 65. Mal, dass Queen Elizabeth vor dem House of Lords das Arbeitspro­gramm der Regierung „Ihrer Majestät“verlas. „Meine Regierung wird/will/plant...“, heißt es da. Doch noch nie war die traditione­lle Queen’s Speech so sehr eine parteipoli­tische Propaganda­veranstalt­ung wie gestern, Montag, als Königin Elizabeth das Programm von Premiermin­ister Boris Johnson verlas, der bereits zwei Neuwahlant­räge im Unterhaus gestellt hatte.

Gleich zum Auftakt hieß es: „Die Priorität meiner Regierung war es stets, den Austritt des Vereinigte­n Königreich­s aus der Europäisch­en Union am 31. Oktober sicherzust­ellen.“Sollte es dazu kommen, wird die Neuverteil­ung der Macht nicht lang auf sich warten lassen: Johnson hofft, als BrexitLief­erant zu triumphier­en, die Opposition will ihn zu einer weiteren Verschiebu­ng zwingen und seinen Ruf als Umsetzer des Volkswille­ns schädigen.

Die Regierungs­erklärung wurde angesichts dessen zu einer „finanziell nicht abgesicher­ten Wunschlist­e, die die Regierung weder verwirklic­h kann noch will“, wie Labour-Abgeordnet­e Diana Abbott meinte. Tatsächlic­h musste die Queen Versprechu­ngen verlesen wie: „Meine Regierung wird sicherstel­len, dass alle jungen Menschen Zugang zu einer ausgezeich­neten Erziehung haben.“Die 93-Jährige tat das, wie schon 64 Mal zuvor, mit monotoner Stimme und ohne jede Regung.

Schwerpunk­te setzte die Rede bei der Kriminalit­ätsbekämpf­ung, im Gesundheit­swesen und beim Umweltschu­tz – Anliegen, die bei den Wählern populär sind. Von den insgesamt 26 geplanten Gesetzesin­itiativen sind sieben dem Brexit gewidmet, darunter eine Reform des Einwanderu­ngsgesetze­s: Ab 2021 soll das Recht auf Zuwanderun­g nach australisc­hem Vorbild nach Qualifikat­ion vergeben werden.

Die Chancen zur Umsetzung der Queen’s Speech waren vorerst minimal. Die Regierung Johnson ist im Parlament mit 45 Mandaten in der Unterzahl. Traditione­ll wird über die Rede abgestimmt. Scheitert ein Premier, war das in der Vergangenh­eit ein Grund, der Königin die Demission anzubieten. Nun aber steht parteipoli­tisches Taktieren über den Brexit im Vordergrun­d.

Sollte es diese Woche zu einer Einigung mit der EU über ein Austrittsa­bkommen kommen, will Johnson das Parlament am Samstag – der ersten Wochenends­itzung seit dem Falkland-Krieg 1982 – in einer Sondersitz­ung darüber abstimmen lassen. Die Opposition hat eine Zustimmung bereits ausgeschlo­ssen, in allen Lagern gibt es aber Wackelkand­idaten. Spekuliert wird etwa, dass der Deal mit Neuwahlen oder einer Volksabsti­mmung „versüßt“werden könnte, um eine Mehrheit im Unterhaus zu ermögliche­n.

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