Ein königliches Brexit-Versprechen
Großbritannien. Premier Johnson ließ die Queen für seine Wiederwahl werben.
Es war bereits das 65. Mal, dass Queen Elizabeth vor dem House of Lords das Arbeitsprogramm der Regierung „Ihrer Majestät“verlas. „Meine Regierung wird/will/plant...“, heißt es da. Doch noch nie war die traditionelle Queen’s Speech so sehr eine parteipolitische Propagandaveranstaltung wie gestern, Montag, als Königin Elizabeth das Programm von Premierminister Boris Johnson verlas, der bereits zwei Neuwahlanträge im Unterhaus gestellt hatte.
Gleich zum Auftakt hieß es: „Die Priorität meiner Regierung war es stets, den Austritt des Vereinigten Königreichs aus der Europäischen Union am 31. Oktober sicherzustellen.“Sollte es dazu kommen, wird die Neuverteilung der Macht nicht lang auf sich warten lassen: Johnson hofft, als BrexitLieferant zu triumphieren, die Opposition will ihn zu einer weiteren Verschiebung zwingen und seinen Ruf als Umsetzer des Volkswillens schädigen.
Die Regierungserklärung wurde angesichts dessen zu einer „finanziell nicht abgesicherten Wunschliste, die die Regierung weder verwirklich kann noch will“, wie Labour-Abgeordnete Diana Abbott meinte. Tatsächlich musste die Queen Versprechungen verlesen wie: „Meine Regierung wird sicherstellen, dass alle jungen Menschen Zugang zu einer ausgezeichneten Erziehung haben.“Die 93-Jährige tat das, wie schon 64 Mal zuvor, mit monotoner Stimme und ohne jede Regung.
Schwerpunkte setzte die Rede bei der Kriminalitätsbekämpfung, im Gesundheitswesen und beim Umweltschutz – Anliegen, die bei den Wählern populär sind. Von den insgesamt 26 geplanten Gesetzesinitiativen sind sieben dem Brexit gewidmet, darunter eine Reform des Einwanderungsgesetzes: Ab 2021 soll das Recht auf Zuwanderung nach australischem Vorbild nach Qualifikation vergeben werden.
Die Chancen zur Umsetzung der Queen’s Speech waren vorerst minimal. Die Regierung Johnson ist im Parlament mit 45 Mandaten in der Unterzahl. Traditionell wird über die Rede abgestimmt. Scheitert ein Premier, war das in der Vergangenheit ein Grund, der Königin die Demission anzubieten. Nun aber steht parteipolitisches Taktieren über den Brexit im Vordergrund.
Sollte es diese Woche zu einer Einigung mit der EU über ein Austrittsabkommen kommen, will Johnson das Parlament am Samstag – der ersten Wochenendsitzung seit dem Falkland-Krieg 1982 – in einer Sondersitzung darüber abstimmen lassen. Die Opposition hat eine Zustimmung bereits ausgeschlossen, in allen Lagern gibt es aber Wackelkandidaten. Spekuliert wird etwa, dass der Deal mit Neuwahlen oder einer Volksabstimmung „versüßt“werden könnte, um eine Mehrheit im Unterhaus zu ermöglichen.