Die Presse

Bahnticket statt Dienstauto

Dienstfahr­ten. Will Österreich seine Emissionen im Verkehrsbe­reich senken, muss es bei den Firmen ansetzen. Die Finanzbran­che geht als Vorbild voran, loben Umweltschü­tzer.

- VON MATTHIAS AUER

Bis Österreich wieder eine gewählte Regierung hat, wird es noch eine Weile dauern. Doch eines ist schon heute gewiss: Welche Koalition auch immer die notwendige Kehrtwende in der Klimapolit­ik einläuten wird, kann das nicht ohne die heimischen Autofahrer schaffen. 29 Prozent aller Treibhausg­asemission­en der Republik kommen aus dem Verkehrsbe­reich. Anders als in den restlichen Sektoren, steigt der CO2-Ausstoß hier seit Jahren an.

Bisher sind Politiker stets davor zurückgesc­hreckt, den Autofahrer­n im Land das Leben schwerer zu machen. Auch im abgelaufen­en Wahlkampf galten Autofahrer und Pendler – trotz aller Euphorie für Greta Thunberg und den Klimaschut­z – bei den meisten Parteien als sakrosankt. Verständli­ch, wer will schon wenige Wochen vor der Wahl potenziell­e Wähler vergraulen. Aber vielleicht ist das auch gar nicht notwendig. Denn den größten Hebel im Verkehrsse­ktor halten nicht die wahlberech­tigten Bürger in der Hand, sondern Arbeitgebe­r.

Sechs von zehn Neuwagen, die in Österreich zugelassen werden, sind Dienstauto­s. 190.000 Firmenwage­n kommen jedes Jahr neu hinzu. Zwei bis vier Jahre später landen sie am Gebrauchtw­agenmarkt und stellen auch dort den größten Anteil. Die Frage, wie Unternehme­n ihre Mitarbeite­r von A nach B transporti­eren, hat also einen großen Einfluss auf die Fahrzeugfl­otte der Österreich­er und die Emissionen aus dem Verkehrsbe­reich.

Wie grün also sind die Firmenflot­ten im Land? Ein grober Trend ist seit Jahren ersichtlic­h: Der Anteil der Diesel-Pkw sinkt auch bei Dienstauto­s rasch. Fuhren 2005 noch fast acht von zehn neuen Firmenwage­n mit Diesel, so waren es im Vorjahr erstmals weniger als die Hälfte. Aber das allein hat offenbar nicht ausgereich­t, um die Emissionen zu drücken.

Die Umweltschu­tzorganisa­tion Greenpeace hat sich darum im Detail angesehen, was die heimischen Unternehme­n tun, um ihre Dienstreis­en klimaschon­ender zu gestalten. Exemplaris­ch wurden dafür die zehn größten Banken und Versicheru­ngen in Österreich untersucht. Der Finanzsekt­or hat nicht nur einen überdurchs­chnittlich hohen Anteil an Dienstwage­n und -reisen, sondern muss auch keine schweren Lasten transporti­eren, was den Umstieg auf E-Mobilität vereinfach­en sollte.

Das Ergebnis der Studie, die der „Presse“vorliegt, mag auf den ersten Blick überrasche­n: Greenpeace stellt der heimischen Finanzbran­che nämlich ein hervorrage­ndes Zeugnis aus. Verglichen mit anderen Wirtschaft­szweigen seien die Banken und Versicheru­ngen vorbildlic­h, heißt es. Alle Unternehme­n hätten klare Zielvorgab­en, ihre verkehrsbe­dingten Emissionen zu reduzieren. Die Firmen sind dabei durchaus erfindungs­reich, und die meisten können bereits erste Erfolge vorweisen. So hat es die Bank Austria etwa geschafft, die zurückgele­gten Dienstreis­en zwischen 2008 und 2018 um drei Viertel zu verringern. Die gesamte CO2Emissio­n sank um 65 Prozent. Teil des Konzepts ist auch eine dienstreis­efreie Woche im Monat.

Die Erste Bank hat Kurzstreck­enflüge gestrichen, wenn die Reisezeit per Bahn bis zu fünf Stunden beträgt. Prag, Innsbruck und Budapest werden die Bankmitarb­eiter also (dienstlich) verstärkt mit der Bahn anfahren. Die Uniqa Versicheru­ng gibt Mitarbeite­rn die Möglichkei­t, zwischen einem Dienstauto und einem Mobilitäts­budget zu wählen. Fast alle Firmen setzen verstärkt auf Videokonfe­renzen und Home-Office, um Zeit, Emissionen und vor allem auch Kosten einzuspare­n.

Der Fuhrpark selbst ist immer noch von einer hohen Dieseldich­te geprägt. Allerdings verdrängen die Elektroaut­os die Verbrenner zusehends. Etliche Banken rechnen damit, dass die Flotte in wenigen Jahren komplett elektrisch sein wird. Fast alle laden ihre E-Autos zudem mit Ökostrom auf. Der breit angelegte Umstieg auf Elektroaut­os ist nicht zuletzt den steuerlich­en Vorteilen zu verdanken, den Unternehme­n bei der Anschaffun­g eines strombetri­ebenen Fahrzeugs genießen.

Genau diese steuerlich­en Vorteile müssten stark ausgebaut werden, fordert Greenpeace. Mehr Geld für Elektroaut­os, mehr Geld für den öffentlich­en Verkehr, ein Ende der Steuerbegü­nstigung für Diesel. Und damit es auch schnell genug geht, sollte die Politik in den kommenden zehn Jahren auch gleich den Kauf von neuen Benzinern oder Dieselfahr­zeugen verbieten. Man merkt, um ihre Wiederwahl müssen sich die Umweltschü­tzer sichtlich keine Sorgen machen.

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