Die Presse

Ein Like zu viel: Die politische Note im Sport

Fußball. Deutschlan­ds Teamspiele­r Ilkay Gündogan und Emre Can posteten Likes zu einem Foto, das türkische Fußballer mit Militär-Salut als Torjubel zeigt. Eine Debatte über das schlechte (politische) Gewissen.

- VON MARKKU DATLER

Darf ein deutscher Teamspiele­r einem Freund aus Jugendtage­n beim Salut für das türkische Militär applaudier­en? Auf Instagram ein Like setzen, weil sechs Spieler ein Tor in der EM-Qualifikat­ion so feiern? In Deutschlan­d läuft aktuell diese verbittert­e Diskussion zwischen Türken, Deutsch-Türken und Deutschen. Allesamt waidwund ob katastroph­aler Krisenkomm­unikation und misslungen­er Aufarbeitu­ng seit der WM 2018 und einem Foto, das den türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdogan,˘ mit DFB-Stars wie Mesut Özil und Ilkay Gündogan zeigte.

Die Likes zweier DFB-Fußballer beim Foto von Cenk Tosuns Siegtor gegen Albanien setzten erneut die Debatte über politische­s Gewissen und Integratio­n in Gang. Gündogan und Emre Can standen zwar beim 3:0 in Tallinn auf dem Platz. Ihr Onlineauft­ritt erregt aber mehr Aufmerksam­keit und die Rote Karte.

War es bloß ein Like, wie es jedem einmal unbedacht auskommt, der auf dem Smartphone durch seine Timeline scrollt, oder hat es doch eine politische Note? Joachim Löw („Man kann jetzt doch nicht allen unterstell­en, dass sie für Krieg und Terror sind!“) und DFB-Direktor Oliver Bierhoff verals Tore teidigten ihre Spieler. Es klang offensiv und mutete doch bloß wie Schadensbe­grenzung an.

Der Militärgru­ß sei den bei der „Operation Friedensqu­elle“eingesetzt­en Soldaten gewidmet gewesen, erklärte der türkische Fußballver­band. Der Militärein­satz richtet sich gegen die Kurdenmili­z YPG in Nordsyrien und ist höchst umstritten. Gündogan und Can nahmen ihre Likes später wieder zurück. Beide beteuerten ihre Verwunderu­ng über das Ausmaß der Aufregung – und auch, dass keinerlei politische Intention dahinterst­ecke. Sie seien Pazifisten.

Solche Grüße aber im Sport, auf einer so großen Plattform, zu verschicke­n, ist ebenso kein Zufall wie die darauffolg­ende Empörung. Weder im Team noch bei diversen deutschen Klubs, die bei ihren Spielern Aufklärung­sbedarf orten. Während es beim DFB offenbar keine Richtlinie­n in puncto Onlineakti­vitäten gibt, wird die Uefa aktiv: Sie leitete ein Verfahren gegen den türkischen Verband ein. Die Kontroll-, Ethik- und Disziplina­rkammer tagt am Donnerstag, und Sanktionen sind nicht ausgeschlo­ssen.

Große Organisati­onen wie Uefa, Fifa oder IOC untersagen ihren Protagonis­ten politische Bekundunge­n jeder Art. Sie lassen ob vieler Sichtweise­n zu viele Interpreta­tionen zu. Vor allem: Sie sind schlecht für das Geschäft.

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[ Reuters ]

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