Wieder Drama im KHM: Die Römer sind da!
Kunsthistorisches Museum. Ein Höhepunkt der bisherigen Ära Sabine Haag ist diese erste Ausstellung zu den Barockstars Caravaggio und Bernini in Österreich. Die kapitalen Leihgaben lassen auch die reichen eigenen Bestände wieder strahlen.
Schon der Weg dorthin ist Inszenierung: Die heftig beworbene Sonderausstellung beginnt nämlich nicht im gewohnten Sonderausstellungssaal, man wird erst durch den hinten, neben dem Cafe´ liegenden Canaletto-Saal gelotst, vorbei an den Bildern, die unsere österreichische Vorstellung des Barock geprägt haben – Maria Theresia, Schönbrunn, alles ein bisschen bieder immer. Dann schon die erste Steigerung der Temperatur: Im Saal VI wird in Petersburger Hängung vorgeführt, dass die Habsburger sehr wohl auch ein Faible für das deftigere römische Barock hatten, weshalb im KHM immerhin die größte Sammlung caraveggesker Kunst außerhalb Italiens beherbergt wird. Dann muss man noch durch seinen Tizian, antik und mild.
Und dann zack. Knallt er einem schon entgegen aus dem mythischen Dunkel der hier beginnenden Sonderschau, der marmorhelle Schlangenkopf der Medusa, den Gian Lorenzo Bernini Ende der 1630er-Jahre so drastisch, so unmittelbar, so nah wie noch nie wer zuvor in der Skulptur den Römern vor die Nase hielt. Der versteinerte Kopf dieser monströsen Unglücklichen, deren Blick der Sage nach doch eigentlich uns versteinern sollte! Was spielt sich da nur ab in ihrem so klassischen Gesicht – Ekel? Furcht? Staunen? „Wer nicht Staunen machen kann, dessen Platz ist im Stall“, formulierte Bernini-Zeitgenosse und Dichter Giambattista Marino die Kriterien für die damalige Kunst.
Unterteilt in die großen Emotionen
Das KHM ist mit dieser ersten Ausstellung über Caravaggio und den eine Generation jüngeren Bernini angetreten, uns heute noch dieses Staunen zu entlocken. Beide waren in dieser Disziplin schließlich Meister, der eine auf Leinwand, der andere in Marmor, großes Theater auf der damaligen Weltbühne Rom eben. KHM-Kuratorin Gudrun Swoboda, Expertin für die Malerei dieser Zeit, und ihr Kollege vom kooperierenden Rijksmuseum Amsterdam, Frits Scholten, Fachmann für die Skulptur, haben die Akte dieser Uraufführung in über 80 Bildern klar strukturiert: Unterteilt wird nach den großen Emotionen. Begonnen wird mit dem Staunen – über die eigene Versteinerung in den Zügen der Medusa. Über die Wunderbarkeit des eigenen Abbilds, durchaus also der Kunst selbst, mit einem der Highlights der Ausstellung, Caravaggios „Narziss“aus dem Palazzo Barberini in Rom, auch Lieblingsbild von KHM-Generalin Sabine Haag.
Große Gefühle, sagte Haag bei der Pressekonferenz, wären in den vergangenen Wochen auch über das Museum selbst hereingebrochen – womit sie auf eine Art institutionelles Liebesdrama anspielte, auf den kurzfristigen Rücktritt Eike Schmidts in seiner Funktion als ihr Nachfolger. Wobei er, wie mittlerweile bekannt geworden, die Verlängerung seines Uffizien-Direktorenvertrags bereits in der Tasche hat, Haag sich dagegen wohl wieder einer erneuten Ausschreibung der KHM-Direktion unterwerfen wird müssen. Wenn das keine nahezu römischen Dramen sind! Zu denen Haag sich zur Ausstellungseröffnung aber nicht äußern wollte, wie sie betonte. Die Bühne überließ sie, wie man es von ihr gewohnt war, der Kunst und der Wissenschaft, der jahrelangen Arbeit an dieser Ausstellung. Der Blick des von der Göttin Nemesis, der Göttin des gerechten Zorns, zur unstillbaren Selbstliebe verzauberten Narziss am Eingang könnte einem auch in diesem Zusammenhang zu denken geben. Noch ist sein Blick ungetrübt, hingebungsvoll versunken in die eigene Schönheit, die er im Wasserspiegel erblickt. Das Wasser der bitteren Erkenntnis aber netzt schon seine linke Hand. Soviel zum Pathos. Ihm entkommt man im KHM zur Zeit nun einmal auf keiner Ebene.
Auf einer Wand rollen die Köpfe nur so, die dann von David oder Judith zum Grauen aller in die Höhe gehalten werden. Realismus und Emotion, das wollten Caravaggio und seine Kollegen zur Spitze treiben. Mit allen Tricks, die von Caravaggio waren die drastischsten: Extremes Hell-Dunkel, Schlaglichter, Nahaufnahmen wie in Hollywoodfilmen, wie Standbilder daraus wirken daher auch viele der Gemälde. Angenehm ausgelassen aus der Dramaturgie ist allerdings das Klischee des „bösen Künstlers“Caravaggio – das man sich angesichts der Diskussionen über den Nobelpreis an Peter Handke allerdings ruhig wieder ins Gedächtnis rufen könnte, nur von wegen der Paarung Moral und Genialität. Caravaggios Verwicklung in eine Straßenschlacht, bei der ein Gegner starb, wurde in den jüngsten Biografien über den Maler jedenfalls als damals nicht so unalltäglich relativiert. Angenehmer Zeitgenosse war er wohl trotzdem keiner.
Die Fratzen von Berninis Kutsche
Genauso wenig wie Bernini, betrachtet man die unangenehmen, brüllenden FratzenKöpfe, die er für seine Privatkutsche entwarf, mit der er, der schließlich berühmteste Künstler Roms, durch die Stadt preschte. Der geöffnete Mund ist überhaupt ein Abgrund, in den man hier immer wieder blickt, als Zeichen von Sensibilität und Momenthaftigkeit anscheinend bei Caravaggios Knaben, der von einer Eidechse gebissen wird, bei all den offensiv Leidenden, Liebenden, Sterbenden und Ekstasierenden. Am berühmtesten Berninis Heilige Theresa, hier als Modell vertreten. Umso angenehmer, wenn der Mund einmal geschlossen bleibt, wie bei der Maria Magdalena, die Artemisia Gentileschi so genießerisch ins Bild setzte. Den Kopf zurückgelehnt ins Licht, als würde sie erste warme Sonnenstrahlen genießen, nicht die Erleuchtung des Herren. Einen feministischen Move, den man nicht erwartet, findet man übrigens in der hauseigenen „Rosenkranzmadonna“von Caravaggio, die in ihrer spektakulären Inszenierung in dieser Sonderschau wieder neu entdeckt werden kann: Die einzige, die hier den Blick direkt auf Maria und Kind richten darf, ist nämlich die unscheinbare Rückenfigur der Frau, die am Boden kniet. Vielleicht war das – und die schmutzigen nackten Fußsohlen der anderen Betenden – der Grund, warum der bis heute unbekannte Auftraggeber das Gemälde einst zurückwies. Und der uns nun hier in Wien Staunen macht.
Achtung Timeslot: Die Ausstellung läuft bis 19. Jänner, der Besuch ist wie bei der Bruegel-Ausstellung nur mit vorheriger Anmeldung empfohlen, https://caravaggiobernini.khm.at; Öffnungszeiten: Mo., Di., Mi., Fr. 9–18h, So., Sa., So. 9–21h.