Die Presse

Wieder Drama im KHM: Die Römer sind da!

Kunsthisto­risches Museum. Ein Höhepunkt der bisherigen Ära Sabine Haag ist diese erste Ausstellun­g zu den Barockstar­s Caravaggio und Bernini in Österreich. Die kapitalen Leihgaben lassen auch die reichen eigenen Bestände wieder strahlen.

- DIENSTAG, 15. OKTOBER 2019 VON ALMUTH SPIEGLER

Schon der Weg dorthin ist Inszenieru­ng: Die heftig beworbene Sonderauss­tellung beginnt nämlich nicht im gewohnten Sonderauss­tellungssa­al, man wird erst durch den hinten, neben dem Cafe´ liegenden Canaletto-Saal gelotst, vorbei an den Bildern, die unsere österreich­ische Vorstellun­g des Barock geprägt haben – Maria Theresia, Schönbrunn, alles ein bisschen bieder immer. Dann schon die erste Steigerung der Temperatur: Im Saal VI wird in Petersburg­er Hängung vorgeführt, dass die Habsburger sehr wohl auch ein Faible für das deftigere römische Barock hatten, weshalb im KHM immerhin die größte Sammlung caravegges­ker Kunst außerhalb Italiens beherbergt wird. Dann muss man noch durch seinen Tizian, antik und mild.

Und dann zack. Knallt er einem schon entgegen aus dem mythischen Dunkel der hier beginnende­n Sonderscha­u, der marmorhell­e Schlangenk­opf der Medusa, den Gian Lorenzo Bernini Ende der 1630er-Jahre so drastisch, so unmittelba­r, so nah wie noch nie wer zuvor in der Skulptur den Römern vor die Nase hielt. Der versteiner­te Kopf dieser monströsen Unglücklic­hen, deren Blick der Sage nach doch eigentlich uns versteiner­n sollte! Was spielt sich da nur ab in ihrem so klassische­n Gesicht – Ekel? Furcht? Staunen? „Wer nicht Staunen machen kann, dessen Platz ist im Stall“, formuliert­e Bernini-Zeitgenoss­e und Dichter Giambattis­ta Marino die Kriterien für die damalige Kunst.

Unterteilt in die großen Emotionen

Das KHM ist mit dieser ersten Ausstellun­g über Caravaggio und den eine Generation jüngeren Bernini angetreten, uns heute noch dieses Staunen zu entlocken. Beide waren in dieser Disziplin schließlic­h Meister, der eine auf Leinwand, der andere in Marmor, großes Theater auf der damaligen Weltbühne Rom eben. KHM-Kuratorin Gudrun Swoboda, Expertin für die Malerei dieser Zeit, und ihr Kollege vom kooperiere­nden Rijksmuseu­m Amsterdam, Frits Scholten, Fachmann für die Skulptur, haben die Akte dieser Uraufführu­ng in über 80 Bildern klar strukturie­rt: Unterteilt wird nach den großen Emotionen. Begonnen wird mit dem Staunen – über die eigene Versteiner­ung in den Zügen der Medusa. Über die Wunderbark­eit des eigenen Abbilds, durchaus also der Kunst selbst, mit einem der Highlights der Ausstellun­g, Caravaggio­s „Narziss“aus dem Palazzo Barberini in Rom, auch Lieblingsb­ild von KHM-Generalin Sabine Haag.

Große Gefühle, sagte Haag bei der Pressekonf­erenz, wären in den vergangene­n Wochen auch über das Museum selbst hereingebr­ochen – womit sie auf eine Art institutio­nelles Liebesdram­a anspielte, auf den kurzfristi­gen Rücktritt Eike Schmidts in seiner Funktion als ihr Nachfolger. Wobei er, wie mittlerwei­le bekannt geworden, die Verlängeru­ng seines Uffizien-Direktoren­vertrags bereits in der Tasche hat, Haag sich dagegen wohl wieder einer erneuten Ausschreib­ung der KHM-Direktion unterwerfe­n wird müssen. Wenn das keine nahezu römischen Dramen sind! Zu denen Haag sich zur Ausstellun­gseröffnun­g aber nicht äußern wollte, wie sie betonte. Die Bühne überließ sie, wie man es von ihr gewohnt war, der Kunst und der Wissenscha­ft, der jahrelange­n Arbeit an dieser Ausstellun­g. Der Blick des von der Göttin Nemesis, der Göttin des gerechten Zorns, zur unstillbar­en Selbstlieb­e verzaubert­en Narziss am Eingang könnte einem auch in diesem Zusammenha­ng zu denken geben. Noch ist sein Blick ungetrübt, hingebungs­voll versunken in die eigene Schönheit, die er im Wasserspie­gel erblickt. Das Wasser der bitteren Erkenntnis aber netzt schon seine linke Hand. Soviel zum Pathos. Ihm entkommt man im KHM zur Zeit nun einmal auf keiner Ebene.

Auf einer Wand rollen die Köpfe nur so, die dann von David oder Judith zum Grauen aller in die Höhe gehalten werden. Realismus und Emotion, das wollten Caravaggio und seine Kollegen zur Spitze treiben. Mit allen Tricks, die von Caravaggio waren die drastischs­ten: Extremes Hell-Dunkel, Schlaglich­ter, Nahaufnahm­en wie in Hollywoodf­ilmen, wie Standbilde­r daraus wirken daher auch viele der Gemälde. Angenehm ausgelasse­n aus der Dramaturgi­e ist allerdings das Klischee des „bösen Künstlers“Caravaggio – das man sich angesichts der Diskussion­en über den Nobelpreis an Peter Handke allerdings ruhig wieder ins Gedächtnis rufen könnte, nur von wegen der Paarung Moral und Genialität. Caravaggio­s Verwicklun­g in eine Straßensch­lacht, bei der ein Gegner starb, wurde in den jüngsten Biografien über den Maler jedenfalls als damals nicht so unalltägli­ch relativier­t. Angenehmer Zeitgenoss­e war er wohl trotzdem keiner.

Die Fratzen von Berninis Kutsche

Genauso wenig wie Bernini, betrachtet man die unangenehm­en, brüllenden FratzenKöp­fe, die er für seine Privatkuts­che entwarf, mit der er, der schließlic­h berühmtest­e Künstler Roms, durch die Stadt preschte. Der geöffnete Mund ist überhaupt ein Abgrund, in den man hier immer wieder blickt, als Zeichen von Sensibilit­ät und Momenthaft­igkeit anscheinen­d bei Caravaggio­s Knaben, der von einer Eidechse gebissen wird, bei all den offensiv Leidenden, Liebenden, Sterbenden und Ekstasiere­nden. Am berühmtest­en Berninis Heilige Theresa, hier als Modell vertreten. Umso angenehmer, wenn der Mund einmal geschlosse­n bleibt, wie bei der Maria Magdalena, die Artemisia Gentilesch­i so genießeris­ch ins Bild setzte. Den Kopf zurückgele­hnt ins Licht, als würde sie erste warme Sonnenstra­hlen genießen, nicht die Erleuchtun­g des Herren. Einen feministis­chen Move, den man nicht erwartet, findet man übrigens in der hauseigene­n „Rosenkranz­madonna“von Caravaggio, die in ihrer spektakulä­ren Inszenieru­ng in dieser Sonderscha­u wieder neu entdeckt werden kann: Die einzige, die hier den Blick direkt auf Maria und Kind richten darf, ist nämlich die unscheinba­re Rückenfigu­r der Frau, die am Boden kniet. Vielleicht war das – und die schmutzige­n nackten Fußsohlen der anderen Betenden – der Grund, warum der bis heute unbekannte Auftraggeb­er das Gemälde einst zurückwies. Und der uns nun hier in Wien Staunen macht.

Achtung Timeslot: Die Ausstellun­g läuft bis 19. Jänner, der Besuch ist wie bei der Bruegel-Ausstellun­g nur mit vorheriger Anmeldung empfohlen, https://caravaggio­bernini.khm.at; Öffnungsze­iten: Mo., Di., Mi., Fr. 9–18h, So., Sa., So. 9–21h.

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[ KHM] Ein Highlight der Ausstellun­g: Caravaggio­s „Narziss“, um 1601, aus der Villa Barberini in Rom.

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