Die Presse

Handke – so schlimm wie Hamsun?

Debatte. Schriftste­ller wie Salman Rushdie und Saˇsa Staniˇsi´c kritisiere­n den Literaturn­obelpreis für Peter Handke scharf. Ein glühender Verteidige­r bleibt Karl Ove Knausg˚ard.

- VON ANNE-CATHERINE SIMON

Salman Rushdie an einem Tisch mit Peter Handke – man kann sich kaum vorstellen, dass das gut ginge: nicht nur, weil der in den USA lebende Autor der „Satanische­n Verse“die Äußerungen des Literaturn­obelpreist­rägers zum Balkankrie­g schlicht „Handkes Idiotien“nennt – sondern auch, weil beide Autoren zwar Widerspruc­h lieben, aber nur, solang er von ihnen selbst kommt. Er könne nichts damit anfangen, wenn die Wahl Handkes als Schlag gegen die politische Korrekthei­t interpreti­ert werde, erklärte Rushdie so auch nach der Nobelpreis­verkündung auf Twitter dem deutschen Literaturw­issenschaf­tler Martin Middeke: Und „wenn Sie finden, dass die Abscheu gegenüber der Verleugnun­g von Völkermord politische Korrekthei­t ist, dann ist diese Konversati­on beendet“. Für Rushdie ist der Fall Handke seit den 90er-Jahren klar. Damals war er maßgeblich am internatio­nalen Protest von Intellektu­ellen gegen Handke beteiligt, neben etlichen Prominente­n wie etwa Susan Sontag.

Zu den zornigsten und anhaltende­n Kritikern Handkes seit der Nobelpreis­bekanntgab­e gehört aber vor allem der deutsche Autor Sasaˇ Stanisiˇc.´ „Wütend“machen den Autor, der in Visegrad´ als Sohn einer Bosniakin und eines Serben geboren wurde, Handkes Texte, in denen er „gegen geschichtl­iche Tatsachen des Genozids“anschreibe; „in denen er vorgibt, die Wahrheit nicht zu kennen, um dann eine Unwahrheit aufzutisch­en. In denen er gegen Tatsachen erfindet, aber die Erfindung als Tatsache hinstellt.“

Der serbische Schriftste­ller Bora C´osic´, wie Rushdie schon in den 90ern ein prononcier­ter Handke-Kritiker, vergleicht in einem langen Text die Entscheidu­ng für Handke sogar mit jener für den norwegisch­en Autor und Hitler-Fan Knut Hamsun: Handke „nahm nicht an kriminelle­n Handlungen teil, schoss nicht aus Kanonen auf Sarajevo, prahlte nicht mit dem abgeschnit­tenen Ohr eines Kroaten. Er zog angesichts dieser Ereignisse lediglich den Kopf ein, weil er sie für gerecht hielt. Er verneigte sich auch am Grab des verstorben­en Tyrannen wie ein wahrhaft Gläubiger. Wobei er der größte lebende Dichter seines kleinen Landes blieb.“

Nicht minder stark der Einspruch des wichtigste­n amerikanis­chen Schriftste­llerverban­des, des PEN-Clubs. Er kommentier­e Literaturp­reise für gewöhnlich nicht, hieß es in einer Stellungna­hme, doch „Handke muss eine Ausnahme sein. Wir sind sprachlos angesichts der Wahl eines Autors, der seine öffentlich­e Stimme benutzt hat, um historisch­e Wahrheit zu unterwande­rn und Genozid-Tätern öffentlich­en Beistand zu leisten.“Aus den USA meldete sich auch die Schriftste­llerin Joyce Carol Oates zu Wort: „Woher kommt diese Sympathie für Schlächter und nicht für Opfer? Normalerwe­ise sind Schriftste­ller instinktiv auf der Seite der Unterdrück­ten und Hilflosen.“

Einen glühenden Verteidige­r hat Peter Handke weiterhin im Norweger Karl Ove Knausgard,˚ bekannt für seinen Romanzyklu­s „Mein Kampf“. Er bewundert Handke literarisc­h, hielt 2014 die Laudatio, als Handke unter lauten Protesten den IbsenPreis erhielt, und begann, seine Bücher zu verlegen, nachdem in Norwegen niemand mehr wollte.

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[ Reuters ]

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