Sekt-Nachfolger Johannes Kattus über die erste Große Reserve, das zugehörige Kunstprojekt – und das Projekt einer Art Soho-House Am Hof.
Wien.
igentlich hätte Johannes Kattus’ Lebensplan noch ein paar Wanderjahre vorgesehen, vor dem Einstieg in die familieneigene Döblinger Sektkellerei. Doch dann kam ein personeller Engpass, Johannes Kattus kehrte aus München, wo er bei Moe¨t Hennessy Konzernerfahrung sammelte, „heim“in die Billrothstraße.
Gemeinsam mit seiner Schwester Sophie, die dieser Tage aus der Karenz zurückkommt, soll Johannes Kattus damit nach und nach das operative Tagesgeschäftg übernehmen. „Ein fließender Über gang“, bei dem die Eltern strategische Entscheidungen zwar noch mittreffen – aber vor dem Hintergrund, dass es die Kinder sind, die später mit der Entscheidung leben müssen.
Von seinen Studienjahren in London hat Kattus auch eine Idee mitgebracht, die er am Ende eines Gesprächs über Kunst und Sekt noch verrät und über die man leider zuerst schreiben muss, die Große Reserve in allen Ehren. Den Plan eines MemberClubs nach britischem Vorbild nämlich, weniger Gentlemen’s Club denn Soho House, gern auch ein bisschen Annabel’s und Loulou’s. Ein Ort soll es werden, an dem sich ein „gemischtes Publikum“gegen eine Mitgliedsgebühr zum „Netzwerken und Socializen“treffen kann; privater als in einem Lokal, aber nicht zu Hause. Auch Coworking Spaces soll es geben, für Mitglieder ohne Büro in der Stadt.
Die passende Immobilie dazu hat er schon länger im Kopf: 1857 hatte Vorfahr Johann Kattus eine Spezereiwarenhandlung Am Hof 8 eröffnet; bis vor 25 Jahren wurde hier noch HochrieglSekt verkauft, das kleine rote Haus zwischen den beiden Gebäuden der Feuerwehr gehört Kattus noch heute. Allein, sich vom Mieter, der Boston Consulting Group, zu trennen, davon rieten die Eltern ab. Nun braucht die Beratungsfirma allerdings mehr Platz. „Das“, sagt der 26-Jährige, „ist die Möglichkeit, meinen Traum umzusetzen. Ich muss die Chance jetzt ergreifen.“
Die Pläne mit den Architekten von Mühlbacher Marschalek seien „schon relativ weit“, die Gespräche mit den Behörden stehen allerdings noch bevor. Die Nähe zur Feuerwehr sei für das verwinkelte Haus aus dem Jahr 1508, „das älteste am Platz“, jedenfalls ein Vorteil. Für das Interieurdesign soll Theresa Obermoser sorgen, die als in London lebende Kitzbühelerin die Brücke schlagen soll. Im Spätsommer/ Frühherbst 2021 will man eröffnen. Als Berater für das kulinarische Konzept fungiert der Vater eines Freundes – ein gewisser Christian Petz.
Den einst hier auch verkauften Hochriegl-Sekt produziert Kattus indes schon seit 2009 nicht mehr. Die Marke gehört heute dem Döblinger Noch-Nachbarn Schlumberger, der im Eigentum der Schweizer Sastre-Gruppe steht (und mit seiner Produktion gerade ins Burgenland umzieht). Auch Kattus kämpft mit den Lkw, „die heute größer sind als vor 150 Jahren“, will aber mit der verkleinerten Produktion (1,5 statt früher bis zu sechs Millionen Flaschen) als letzter Sektproduzent in Wien die Stellung halten.
Die erwähnte neue Große Reserve geht auf eine Initiative des österreichischen Sektkomitees zurück, das sich
begann 1857 als Spezereiwarenhandlung Am Hof 8 und belieferte u. a. den Kaiser mit Kaviar. 1890 wurde daraus eine Sektkellerei, die bis heute als Familienunternehmen besteht. Die Flaschen der Großen Reserve wurden von Alvar Bohrmann gestaltet. Erhältlich ab Hof (80 Euro), in Gastronomie- und Weinhandel und in den Logen des Philharmonikerballs. eine eigene Qualitätsklassifizierung verschrieben hat. An der Spitze dieser Pyramide steht die Große Reserve, die mindestens drei Jahre in der Flasche gären muss. Als die ersten Resultate präsentiert wurden, entschied sich Kattus, zu passen: Der Sekt brauche noch. Eine „durchaus gewagte“, aber richtige Entscheidung, wie er findet.
Nun ist es so weit, und präsentiert wird das Ergebnis heute gemeinsam mit einer Kunstaktion. Um die Verbindung des Hauses zu Kunst und Kultur zu unterstreichen, hat Kattus eine Klasse der Akademie der bildenden Künste zum Wettbewerb geladen. Sieger Alvar Bohrmann entschied sich gegen die Gestaltung eines simplen Etiketts – und erklärte alle 750 Magnumflaschen der limitierten Auflage kurzerhand zur Leinwand. Die wiederum gestaltete er mit verschiedensten Szenen rund um den Schaumweinkonsum – von der Schiffstaufe bis zum verschwenderischen Umgang eines Hip-Hop- Künstlers mit dem Getränk. Gemeinsam ergeben die so bemalten Flaschen wie ein Puzzle ein Gesamtkunstwerk.
Trinken können wird man sie nicht zuletzt auf dem Philharmonikerball. Das, sagt Kattus, gehe noch auf seinen Ururgroßvater zurück, der 1890 mit der Sektproduktion begonnen und der auch den 1870 eröffneten Musikverein mitbegründet hat.