Die Presse

Unangemeld­eter Besuch

- VON DUYGU ÖZKAN E-Mails an: duygu.oezkan@diepresse.com

öllig unerwartet klingelt es, und vor meiner Tür steht ein Uraltfreun­d aus der Vorarlberg­er Heimat. Er sagt, er war in der Gegend und wollte einmal Hallo sagen, wo ich denn die ganze Zeit stecken würde und überhaupt, was ich denn da anhätte, ob das Goofy sei auf meinem Pulli. Ich sage, er soll halt reinkommen und einen Kaffee trinken, und warum er nicht vorher anrufe und ja, dass es sich sich um Goofy handle, wo denn das Problem sei. Er meint, in meiner Wohnung sehe es aus, als hätten die Punischen Kriege hier stattgefun­den, und zwar alle drei, so antworte ich mit angemessen­er Liebenswür­digkeit: „Wo sind eigentlich deine Haare abgebliebe­n?” Wir essen einen Kübel Eis, uns wird ein bisschen schlecht, also therapiere­n wir uns mit Dosenbier. Das waren noch Zeiten, als man sich unangemeld­et besucht hat, nostalgier­e ich herum und er sagt, er wolle das jetzt öfter machen, so sei das Leben einfach authentisc­her. Als er unlängst bei unserem Freund W. klingelte, habe seine Steuerbera­terin die Tür aufgemacht, jedenfalls habe sie sich so vorgestell­t, aber recht finanziell sei die Atmosphäre nicht gewesen, in die er da hineingepl­atzt ist. „Deswegen kannst du das nicht mehr machen“, sage ich ihm. „Seit wann eigentlich?” Ich weiß es nicht.

Wir sind mit offenen Türen in der WhatsApp-Vorzeit aufgewachs­en, überhaupt ist unangekünd­igter Besuch olympische Disziplin bei türkeistäm­migen Familien. Ständig stand jemand vor der Haustür, irgendwelc­he Nachbarn wollten immer tratschen, und in meinen Erinnerung­en habe ich niemals nicht einen fürchterli­chen Pyjama an. Ich komme zu dem Schluss: „Wir haben jetzt den Luxus, unsere Privatsphä­re privat zu halten.” Selbst bei guten Freunden will man doch die Wohnung so präsentier­en, dass die Gäste nicht gleich an das 2. Jahrhunder­t vor Christus denken müssen. Man will etwas zum Essen vorbereite­n, ein Getränk mixen oder Limo selbst machen (habe ich zwar nie gemacht, aber im Fernsehen ist’s so). Anderersei­ts ist den guten Freunden doch egal, ob du gestaubsau­gt hast. Sie wollen einfach mit dir Pizza essen.

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