Die Presse

Die Jungen werden es schon richten

Die Kritiker sollten sich einigen: Entweder die Schüler sollen in der Schule bleiben oder fünf Tage die Woche streiken.

- VON FLORIAN BOSCHEK

Als Beobachter der österreich­ischen Innenpolit­ik bekommt man immer mehr das Gefühl, als würde die politische Verantwort­ung auf die junge Generation abgewälzt werden. Nicht nur erkennt man diese Muster in Anbetracht der aktuellen „Fridays for Future“-Bewegung, sondern auch innerhalb der SPÖ nach der Nationalra­tswahl.

Es hat den Anschein, als hätten Politiker, aber auch Kolumnisti­nnen und Kolumniste­n Gefallen daran gefunden, dass Noch-nicht-Wahlberech­tigte und Schülerinn­en für ihre Anliegen auf die Straße gehen. Die „Fridays for Future“-Bewegung trägt bereits Früchte: In vier europäisch­en Ländern ist der sogenannte Klimanotst­and, ein Bekenntnis des Staats zu einer nachhaltig­en Gesetzgebu­ng, ausgerufen worden. Aber ist das nicht genug? Wenn es nach dem „NZZ“-Kommentato­r Matthias Benz ginge, nicht. In seinem Kommentar „Wo bleibt der Aufstand der Jungen, wenn Österreich­s Politiker die Rentner beschenken?“, kritisiert er, dass Aktivisten der jungen Bewegung nicht auf alle Barrikaden gehen, wenn sie die sogenannte­n Wahlzucker­lvorhaben des Parlaments zu Gesicht bekommen. Anlass war die Erhöhung der österreich­ischen Pensionen um mehr als die geplante Inflations­rate von 1,8 %. So werden Pensionen ab 1. Jänner 2020 um 3,6% angehoben und verursache­n damit Mehrausgab­en von einer Milliarde Euro im österreich­ischen Budget, und damit zulasten künftiger Generation­en.

Nun müssen sich die Kritiker einigen: Entweder die Schülerinn­en und Schüler bleiben in der Schule, oder sie streiken fünf Tage in der Woche, weil das Parlament keine nachhaltig­en Gesetze auf den Weg bringt. Beides funktionie­rt nicht.

Ähnliches Vertrauen kann der Politikbeo­bachter auch innerhalb der SPÖ erkennen. Bei der Wahl zum österreich­ischen Parlament erreichte die sozialdemo­kratische Partei ihr historisch schlechtes­tes Ergebnis. So haben die Jugendorga­nisationen beim Bundesvors­tandstreff­en der SPÖ direkt nach der Wahl vorzeitig das Zimmer verlassen. Grund des Protests war die zu rasche Neubestell­ung des neuen Bundesgesc­häftsführe­rs, Christian Deutsch. Dieser hatte zuletzt die Leitung des Nationalra­tswahlkamp­fs inne, der laut Jugendorga­nisationen nicht sehr erfolgreic­h über die Bühne ging. Außerdem forderten die sozialisti­schen Studierend­en- und Schülerver­bände „Glaubwürdi­gkeit vor Regierungs­posten“von der Partei. So verlangen die Jungen, dass die Wahlverspr­echen des Wahlkampfs die Bedingung einer neuen Koalition sein müssen. „In der Regierung zu sein ist kein Selbstzwec­k“, titulieren die Organisati­onen in einer gemeinsame­n Presseauss­endung noch am selben Abend.

Jungen den Vortritt lassen

Konsequenz­en der Parteispit­ze gab es bisher nur wenige. Bundesgesc­häftsführe­r Thomas Drozda legte vor dem besagten Bundesvors­tandstreff­en sein Amt nieder. Das ist für viele Beobachter inner- wie außerhalb noch zu wenig Erneuerung – denn der Funktionär behält auch nach seinem Rückzug aus dem Gremium seinen Abgeordnet­ensitz im österreich­ischen Parlament. Hintan steht die Vorsitzend­e und Sprecherin der sozialdemo­kratischen Jugendorga­nisation, Julia Herr. Ihr Sitz im Parlament wäre nur fix, wenn Ex-Minister Drozda seinen Platz für die jüngere Generation innerhalb der SPÖ freimachte.

Vielleicht sollte die Führungsri­ege der Sozialdemo­kraten dem Kommentato­r der „NZZ“vertrauen und den Jungen den Vorzug lassen. Schließlic­h waren sie es, die als erste Konsequenz­en und die Erneuerung der Parteiorga­nisation forderten. Es bleibt zu hoffen, dass die SPÖ in Zukunft die Anliegen der Jungen nicht nur an zweiter Stelle verharren lässt.

Florian Boschek ist 19, studiert Publizisti­k und Politikwis­senschafte­n und engagiert sich ehrenamtli­ch in der „Fridays for Future“-Bewegung.

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