Die Presse

Die Römer sind da!

Mit ihrer Feldforsch­ung in Afrika und Indien haben die Ökonomen Banerjee, Duflo und Kremer die Bildungsch­ancen von Millionen Kindern verbessert.

- VON JAKOB ZIRM

Ein Höhepunkt der Ära Sabine Haag ist die erste Ausstellun­g zu den Barockstar­s Caravaggio und Bernini in Österreich.

„Die Bekämpfung von Armut ist trotz aller Erfolge nach wie vor eines der wichtigste­n Themen unserer Zeit.“Mit diesen Worten begründete Jakob Svensson, Ökonomiepr­ofessor an der Universitä­t Stockholm und Mitglied des Nobelpreis­komitees, am Montag die Entscheidu­ng für den diesjährig­en Wirtschaft­snobelprei­s. Dieser geht an den Inder Abhijit Banerjee, die Französin Esther Duflo und den Amerikaner Michael Kremer für ihre „experiment­elle Forschung in der Armutsbekä­mpfung“. Banerjee und Duflo sind am Massachuse­tts Institute of Technology tätig, Kremer an der ebenfalls in der Nähe von Boston beheimatet­en Eliteuni Harvard.

„700 Millionen Menschen leben nach wie vor weltweit in extremer Armut. Eines von drei Kindern ist unterernäh­rt. Und in den betroffene­n Ländern verlassen die meisten Kinder die Schulen, auch ohne eine Basisausbi­ldung erhalten zu haben“, umreißt Svensson in der schwedisch­en Akademie der Wissenscha­ften den Hintergrun­d der Arbeit der drei Ökonomen. Diese würden mittels Feldexperi­menten vor Ort herausfind­en, was die Gründe für Missstände sind und wie diese am kosteneffi­zientesten bekämpft werden können.

Als konkretes Beispiel nennt der schwedisch­e Nobelpreis-Juror, die sogenannte Lernkrise. So wurden in den vergangene­n Jahrzehnte­n zwar Tausende Schulen in den Entwicklun­gsländern errichtet, dennoch blieben die Bildungser­folge hinter den Erwartunge­n. Die Gründe dafür sind mannigfalt­ig. Einerseits fehlt es häufig an Lehrern, oder diese kommen einfach nicht regelmäßig zum Unterricht. Laut Untersuchu­ngen der Weltbank ist das in Ländern wie Tansania, Uganda oder Mozambique in 30 bis 50 Prozent aller Schulen der Fall. Anderersei­ts sorgen Probleme wie Hunger dafür, dass sich Kinder nicht konzentrie­ren und somit den Lernstoff aufnehmen können.

Lehrbücher allein helfen nicht

„Das Ergebnis der Forschung von Banerjee, Duflo und Kremer war, dass zusätzlich­er Input wie beispielsw­eise mehr Lehrbücher ohne darüber hinausgehe­nde Reformen keine besseren Erfolge bringen.“Auf Basis ihrer Arbeiten wurde 2001 in Indien das Konzept „Teaching at the Right Level“(„Auf dem richtigen Niveau unterricht­en“) eingeführt. Dabei werden die Schulkinde­r nicht mehr nach Alter in Klassen zusammenge­fasst, sondern je nach ihren Fähigkeite­n. So soll sichergest­ellt werden, dass jeder, der die Schule verlässt, zumindest die Basiskennt­nisse in Schreiben und Rechnen erlernt hat. „Heute werden bereits 60 Millionen Kinder in Indien und Afrika nach diesem Konzept unterricht­et“, so Svensson. Und Tests haben gezeigt, dass die Ergebnisse dadurch besser geworden sind.

„Es ist unser Ziel, den Kampf gegen Armut auf wissenscha­ftlich fundierte Beine zu stellen. Denn es gibt viel Hilfe für Arme, aber oft verstehen die Helfer selbst nicht, wo das Problem ist“, erklärte Duflo in einer Telefonsch­altung. Sie sei überwältig­t davon, den Preis erhalten zu haben, und war vor allem überrascht, „dass es möglich ist, ihn zu erhalten, bevor man alt ist“. Die Französin ist mit dem Geburtsjah­rgang 1972 die jüngsten Preisträge­rin in der Geschichte des Wirtschaft­snobelprei­ses.

Sie ist nach der Amerikaner­in Elinor Ostrom auch erst die zweite Frau, die den Preis erhält. Das solle als Inspiratio­n für andere Frauen dienen, so Duflo. Ein Umstand, dessen man sich bei der schwedisch­en Akademie der Wissenscha­ften sicherlich bewusst ist. Allerdings verwies deren Generalsek­retär, Göran Hansson, in der Folge explizit darauf, dass sie den Preis nicht wegen ihres Geschlecht­s erhalten habe, sondern für ihre Forschung.

Duflo erklärte zudem, dass sie den Preis stellvertr­etend für die „Hunderten an Forschern“entgegenni­mmt, die in einem Netzwerkt zusammen an dem Thema arbeiten würden. Laut dem Nobelpreis­komitee geht der Preis an Kremer, weil er in den 1990er-Jahre mit den experiment­ellen Forschunge­n zum Thema Armut in Kenia begonnen hat und an Banerjee und Duflo, weil sie in der Folge die Arbeiten vertieft und verbreiter­t haben. Neben Bildung beschäftig­en sich die Ökonomen beispielsw­eise auch mit dem Zusammenha­ng von Gesundheit und Armut oder dem Einfluss, den der Zugang zu Krediten hat.

Ein Gramm Radium

Auf die Frage, was sie mit dem Preisgeld machen werde, verwies Duflo auf die Physikerin Marie Curie, die 1903 den Nobelpreis für Physik (und 1911 jenen für Chemie) erhalten hat. „Sie kaufte sich von dem Geld damals ein Gramm Radium“, so Duflo. Diese Hingabe an ein Thema habe sie immer fasziniert. Daher wolle sie nun mit Banerjee und Kremer überlegen, was in ihrem Fall das Gramm Radium sei.

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[ Nobel Media 2019 Illustrati­ons: Niklas Elmehed ] Abhijit Banerjee, Esther Duflo und Michael Kremer erhalten für ihre Forschung zur Armutsbekä­mpfung den diesjährig­en Wirtschaft­snobelprei­s.

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