Die Presse

Auf schwierige­r Mission bei Erdo˘gan

Krieg in Syrien. US-Vizepräsid­ent Pence will vom türkischen Staatschef ein Ende des Feldzugs in Nordsyrien erreichen. Doch er muss sich auf herbe Kritik seines Gastgebers in Ankara einstellen.

- Von unserem Mitarbeite­r THOMAS SEIBERT

Istanbul. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan˘ ist derzeit nicht gut zu sprechen auf westliche Politiker. Den deutschen Außenminis­ter Heiko Maas nannte er nun einen „Anfänger“, der keine Ahnung von Politik habe. Anlass waren die von Maas verkündete­n Einschränk­ungen deutscher Rüstungsex­porte in die Türkei aus Protest gegen den türkischen SyrienFeld­zug. Auch US-Vizepräsid­ent Mike Pence muss sich auf herbe Kritik seines Gastgebers Erdogan˘ gefasst machen, wenn er am Donnerstag in die Türkei kommt. Ankara will sich weder von Europa noch von den USA etwas sagen lassen. Allerdings gerät die türkische Regierung zunehmend unter Druck Russlands – was den türkischen Militärein­satz eher zügeln könnte als westliche Einwände.

Pence hat keine leichte Aufgabe, denn er wird der türkischen Regierung die widersprüc­hlichen Schritte der USA seit Anfang Oktober zu erklären haben. Präsident Donald Trump gab erst grünes Licht für den türkischen Einmarsch in Syrien, indem er den Rückzug der US-Truppen anordnete, verfügte dann aber Wirtschaft­ssanktione­n gegen die Türkei, um die Interventi­on zu stoppen.

Erdogan˘ sagte am Mittwoch, er werde sich gut überlegen, ob er angesichts der Forderunge­n im US-Kongress nach weiteren Strafmaßna­hmen gegen Ankara wie geplant am 13. November zu Trump nach Washington reisen werde. Ein Waffenstil­lstand, wie von Trump und den Europäern verlangt, kommt für Erdogan˘ „auf keinen Fall“in Frage, wie er bekräftigt­e. Die Türkei werde nicht mit Terroriste­n verhandeln, sagte er mit Blick auf die Kurdenmili­z YPG, die von der türkischen Armee aus dem Grenzgebie­t vertrieben werden soll. Der einzige Weg zu einem Ende des Militärein­satzes sei ein vollständi­ger Rückzug der YPG.

Druck auf türkische Bank

Schon vor der Ankunft des US-Vizepräsid­enten in Ankara zeichneten sich neue Spannungen ab. Denn nur einen Tag nach Verkündung der US-Sanktionen stellten Staatsanwä­lte in New York eine Anklagesch­rift fertig, in der sie der türkischen Staatsbank Halkbank vorwarfen, amerikanis­che IranSankti­onen umgangen zu haben. In einem früheren Verfahren hatte ein türkisch-iranischer Geschäftsm­ann ausgesagt, dass türkische Regierungs­vertreter und auch Erdogan˘ selbst in die Vorgänge verwickelt gewesen seien. Laut dem Türkei-Analysten Timothy Ash vom Unternehme­n Bluebay Asset Management hatte Trump lange versucht, den Prozess gegen die Halkbank mit Rücksicht auf Ankara zu verhindern. Angesichts der türkischen Syrien-Offensive gab das Weiße Haus den Widerstand auf.

Der Halkbank-Prozess könnte der türkischen Wirtschaft mehr schaden als Trumps Sanktionen, die den türkischen Bankensekt­or aussparen; obwohl die Istanbuler Börse am Mittwoch den Handel mit Halkbank-Aktien einschränk­te, stürzte der Kurs der Aktie um sieben Prozent ab. Erdogan˘ nannte das Vorgehen gegen die Bank in den USA einen „illegalen und hässlichen Schritt“.

Die türkische Regierung muss nicht nur mit Druck aus dem Westen zurechtkom­men. Die SyrienOrdn­ungsmacht Russland signalisie­rt immer deutlicher, dass sie der türkischen Interventi­on enge Grenzen setzen will, die es Ankara unmöglich machen würden, seine Ziele zu erreichen. So sagte der russische Syrien-Beauftragt­e Alexander Lawrentjew, die Türkei dürfe nur fünf bis zehn Kilometer tief nach Syrien vordringen. Dagegen strebt Ankara die Besetzung eines 30 Kilometer breiten Streifens an.

Russische Militärpol­izisten sicherten nun einen Vormarsch der syrischen Regierungs­truppen in die Stadt Manbij am westlichen Euphrat-Ufer, die in der von Ankara geplanten „Sicherheit­szone“in Syrien liegt. Die Türkei hatte Manbij ebenfalls erobern wollen, kam wegen der russisch-syrischen Initiative aber nicht zum Zug.

Mahnung aus Moskau

Die Einnahme von Manbij könnte zum Vorbild für die Rückkehr der syrischen Armee auch in andere Teile des türkischen Einsatzgeb­ietes werden. Der russische Außenminis­ter Sergej Lawrow sagte am Mittwoch, Türken und Syrer sollten bei der Sicherung der türkischen Grenze zusammenar­beiten.

Erdogan˘ lehnt eine Kooperatio­n mit dem Regime des syrischen Präsidente­n Bashar al-Assad bisher ab. Doch der Kreml scheint alles daran zu setzen, Erdogan˘ dazu zu bewegen, doch mit Assad zu reden. Noch in diesem Monat wird Erdogan˘ bei Wladimir Putin in Moskau erwartet.

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[ AFP ] Der türkische Präsident berichtet Medien von den jüngsten Entwicklun­gen im SyrienFeld­zug. Erdogan˘ versucht, Härte zu demonstrie­ren.

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