Der Streit um Hongkong verlagert sich nach Wien
Proteste. In Österreich mobilisieren Pro-Peking-Gruppen gegen die Unterstützer der Demokratiebewegung.
Mehr als vier Monate schon halten Proteste die chinesische Sonderverwaltungszone Hongkong in Atem. Mit jeder Woche, in der Tausende friedlich für Demokratisierung, gegen Polizeigewalt und gegen den wachsenden Einfluss Chinas auf die Straße gehen, in der radikale Gruppen U-BahnStationen und pro-chinesische Unternehmen attackieren, in der es zu Straßenschlachten zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten kommt, wächst die Kluft, die sich durch die Gesellschaft in der Finanzmetropole zieht.
Und immer mehr verlagert sich die Auseinandersetzung, die das Misstrauen zwischen Bewohnern der ehemaligen britischen Kronkolonie und der festlandchinesischen Regierung widerspiegelt, ins Ausland. Auch nach Wien.
Drei Samstage in Folge haben sich in Österreichs Hauptstadt bereits Unterstützer der Demokratiebewegung zu Kundgebungen versammelt. Viele von ihnen stammen aus Hongkong. Doch die Kundgebungen der Gruppe „Stand with Hong Kong Vienna“haben zuletzt Widerstand der festlandchinesischen Gemeinschaft in Wien hervorgerufen. Schon bei der zweiten Demonstration am Wiener Stephansplatz Anfang Oktober hätten chinesische Touristen die Unterstützer verbal attackiert, sagt ein Demonstrant der „Presse“.
Vor der jüngsten Kundgebung auf der Mariahilfer Straße vergangenen Samstag habe sich die Lage weiter angespannt, erklärt der Hongkongstämmige, der anonym bleiben will. In der ein paar hundert Mitglieder zählenden Hongkonger Gemeinschaft wächst nun die Sorge, dass die Gegendemonstranten über Fotos und Videos ihre Identität herausfinden könnten – auch über die Gesichtserkennungssoftware auf dem chinesischen Nachrichtendienst Wechat. „Wir haben Angst“, sagt der Hongkonger Unterstützer. Er sorge sich nicht nur um seine persönliche Sicherheit in Österreich, sondern auch um Verwandte und Freunde in der Heimatstadt Hongkong.
Im Vorfeld machte ein Schreiben der „Gesellschaft zur Förderung der Friedlichen Wiedervereinigung Chinas in Österreich“die Runde. Darin rief die pekingnahe Vereinigung zu einer Gegendemonstration auf. In dem Brief, der der „Presse“vorliegt, werden die Demonstranten in offiziellem chinesischem Sprech als „Aufrührer“und „kriminelle Elemente“bezeichnet, die die Stadt ins Chaos stürzen und die Unabhängigkeit Hongkongs fordern. Anhänger der Demokratiebewegung selbst betonen aber, keine Abspaltung vom Festland anzustreben. Die chinesische Regierung interpretiere die Intentionen der Demonstranten absichtlich falsch.
Vergangene Woche sollen Protestgegner in sozialen Netzwerken zudem gedroht haben, der ProHongkonger-Gruppe Gewalt zuzufügen. Darauf habe sich die Gruppe an die Polizei gewandt, sagt der Hongkonger. Bei der Demonstration am Samstag seien mit rund 20 Beamten auch mehr Einsatzkräfte als zuletzt anwesend gewesen. Polizeisprecher Patrick Maierhofer wollte das gegenüber der „Presse“nicht bestätigen. Doch beschrieb er die Stimmung als „durchaus angespannt“. Es sei zu Rangeleien zwischen den insgesamt 100 Anhängern beider Lager gekommen.
Laut Organisatoren waren zeitweise drei Mal so viele Gegendemonstranten wie Protestierende anwesend. Die politischen Angelegenheiten Chinas sollten nicht in Österreich ausgetragen werden, kritisierte Verbandschef Yao Longwei die Demos gegenüber der „Presse“. Mit der prochinesischen Gegendemonstration am Samstag habe er trotzdem nichts zu tun, beteuert er.
Auch die chinesische Botschaft in Wien spricht von „spontanen Gegendemonstrationen“. Da die Demonstrationen in Hongkong in „gewaltsame Ausschreitungen“umgeschlagen seien, habe man kein Verständnis für die Wiener Unterstützer.