„Wien soll in Krise vermitteln“
Katalonien. Der katalanische Außenminister, Alfred Bosch, sagt im „Presse“-Interview, Österreich solle als unabhängiger Mediator den Dialog mit Madrid wiederherstellen.
Der Außenminister der katalanischen Regionalregierung würde es begrüßen, wenn Österreich im neu entflammten Konflikt in der sezessionistischen Region zwischen Barcelona und Madrid vermitteln würde. „Dialog ist die einzige Art, um weiterzukommen“, sagte Minister Alfred Bosch im Interview mit der „Presse“. „Wenn ein österreichischer Akteur – die Regierung, eine unabhängige Institution – die spanische Regierung dazu bewegen könnte, sich auf diesen leeren Stuhl zu setzen und mit uns zu reden, würde er eine wichtige Rolle erfüllen.“Österreich ist laut Bosch, der derzeit Salzburg und Wien besucht, der ideale „Mediator“: Das Land habe eine langjährige Erfahrung in Vermittlung bei Konflikten und in der Friedenserhaltung. Zudem sei die Alpenrepublik „nicht Teil einer Militärallianz. Österreich hat eine Glaubwürdigkeit, die andere Länder nicht haben. Es ist ein wichtiger Ort, um Frieden zu schaffen.“
Wenige Stunden zuvor hatten Fotos von brennenden Barrikaden und Steine werfenden Demonstranten in ganz Europa Ängste ausgelöst, dass der Katalonien-Konflikt nun gewalttätig werden könnte. „Katalonien brennt“, titelte die spanische Tageszeitung „El Mundo“nach schweren Auseinandersetzungen zwischen Unabhängigkeitsbefürwortern und Polizisten. Bis zum Mittwochmorgen dauerten die Straßenschlachten, die in Barcelona für Chaos sorgten. Der Tag hatte mit friedlichen Demonstrationen gegen die Verurteilung von mehreren Separatistenführern begonnen und endete in der Nacht zum Mittwoch mit einer Eskalation der Gewalt. Die vorläufige Bilanz der Unruhen, die sich auch auf andere katalanische Städte ausbreiteten: Mehr als 100 Verletzte unter Demonstranten und Polizisten. Wenigstens 50 mutmaßliche Gewalttäter wurden festgenommen.
„Uns gefallen diese Szenen des Vandalismus auch nicht. Aber man muss auch verstehen, dass der Schock und die Wut über diese Urteile groß sind“, sagt Außenminister Bosch. „Solche Urteile gehören nicht ins 21. Jahrhundert: Neun Anführer der katalanischem Unabhängigkeitsbewegung wurden gemeinsam zu hundert Jahren Haft verurteilt. Dabei müssten sie jetzt am Verhandlungstisch sitzen und mit Spaniens Regierung reden.“
Der Minister betonte mehrmals, dass die Ausschreitungen nicht repräsentativ seien für die Unabhängigkeitsbewegung, „die seit Jahren friedliche Massendemonstrationen organisiert und der Menschen aus allen Altersgruppen angehören“. Auch Spaniens Premier, Pedro Sanchez,´ machte militante Unabhängigkeitsbefürworter für die Krawalle verantwortlich, die das Bild der überwiegend friedlichen Proteste in Katalonien trübten. Er warf diesen radikalen Gruppen vor, gezielt die Spannungen in Katalonien anzuheizen.
Madrid beschuldigte zudem den separatistischen Ministerpräsidenten Kataloniens, Quim Torra, die Unabhängigkeitsbewegung zu einem neuen Aufstand anzustacheln. In der Tat hatte Torra in den vergangenen Tagen das Separatistenlager mehrfach zum „zivilen Ungehorsam“gegenüber dem spanischen Staat und dessen Repräsentanten aufgefordert. Ein gefährlicher Weg: Spaniens Oberster Gerichtshof hatte am Montag neun Separatistenführer wegen Landfriedensbruchs und der Organisation eines Aufstandes im Jahr 2017 zu Haftstrafen verurteilt. Sie alle waren an der Organisierung des von Madrid verbotenen Unabhängigkeitsreferendums im Oktober 2017 beteiligt gewesen.
„Die Lage ist sehr angespannt“, sagte dazu Bosch. Statt des politischen Dialoges dominierten nun Strafe und Rache. „Es ist ein großer Fehler der spanischen Regierung, nicht einzusehen, dass dieser Konflikt auf europäische Art und Weise gelöst werden muss. Was mir am meisten Sorgen macht, ist diese politische Repression, die die Situation noch viel schwieriger macht.“
Sanchez´ sagte indes, er erwarte sich von Torra eine klare „Verurteilung der Gewalttaten“. Ob in Katalonien allerdings der Ausnahmezustand verhängt oder die Regionalregierung erneut suspendiert werden sollte – wie dies die konservative Opposition fordert –, ließ er offen. „Derzeit schließen wir kein Szenario aus“, sagte er vage. Zuvor hatte aber sein Innenminister, Fernando Grande-Marlaska, eine Aktivierung des Artikels 155 ausgeschlossen, so wie dies bereits nach den Wirren des Referendums von 2017 geschehen war. Dieser Schritt sei derzeit noch nicht notwendig. Die Hauptkompetenz in Sicherheitsfragen liege bei den Mossos d’Esquadra (der Polizei von Katalonien), die die Situation bisher zufriedenstellend koordiniere, so der Minister. „Daher scheint jedes andere Instrument unklug.“