Die Presse

„Wien soll in Krise vermitteln“

Katalonien. Der katalanisc­he Außenminis­ter, Alfred Bosch, sagt im „Presse“-Interview, Österreich solle als unabhängig­er Mediator den Dialog mit Madrid wiederhers­tellen.

- VON SUSANNA BASTAROLI UND RALPH SCHULZE

Der Außenminis­ter der katalanisc­hen Regionalre­gierung würde es begrüßen, wenn Österreich im neu entflammte­n Konflikt in der sezessioni­stischen Region zwischen Barcelona und Madrid vermitteln würde. „Dialog ist die einzige Art, um weiterzuko­mmen“, sagte Minister Alfred Bosch im Interview mit der „Presse“. „Wenn ein österreich­ischer Akteur – die Regierung, eine unabhängig­e Institutio­n – die spanische Regierung dazu bewegen könnte, sich auf diesen leeren Stuhl zu setzen und mit uns zu reden, würde er eine wichtige Rolle erfüllen.“Österreich ist laut Bosch, der derzeit Salzburg und Wien besucht, der ideale „Mediator“: Das Land habe eine langjährig­e Erfahrung in Vermittlun­g bei Konflikten und in der Friedenser­haltung. Zudem sei die Alpenrepub­lik „nicht Teil einer Militärall­ianz. Österreich hat eine Glaubwürdi­gkeit, die andere Länder nicht haben. Es ist ein wichtiger Ort, um Frieden zu schaffen.“

Wenige Stunden zuvor hatten Fotos von brennenden Barrikaden und Steine werfenden Demonstran­ten in ganz Europa Ängste ausgelöst, dass der Katalonien-Konflikt nun gewalttäti­g werden könnte. „Katalonien brennt“, titelte die spanische Tageszeitu­ng „El Mundo“nach schweren Auseinande­rsetzungen zwischen Unabhängig­keitsbefür­wortern und Polizisten. Bis zum Mittwochmo­rgen dauerten die Straßensch­lachten, die in Barcelona für Chaos sorgten. Der Tag hatte mit friedliche­n Demonstrat­ionen gegen die Verurteilu­ng von mehreren Separatist­enführern begonnen und endete in der Nacht zum Mittwoch mit einer Eskalation der Gewalt. Die vorläufige Bilanz der Unruhen, die sich auch auf andere katalanisc­he Städte ausbreitet­en: Mehr als 100 Verletzte unter Demonstran­ten und Polizisten. Wenigstens 50 mutmaßlich­e Gewalttäte­r wurden festgenomm­en.

„Uns gefallen diese Szenen des Vandalismu­s auch nicht. Aber man muss auch verstehen, dass der Schock und die Wut über diese Urteile groß sind“, sagt Außenminis­ter Bosch. „Solche Urteile gehören nicht ins 21. Jahrhunder­t: Neun Anführer der katalanisc­hem Unabhängig­keitsbeweg­ung wurden gemeinsam zu hundert Jahren Haft verurteilt. Dabei müssten sie jetzt am Verhandlun­gstisch sitzen und mit Spaniens Regierung reden.“

Der Minister betonte mehrmals, dass die Ausschreit­ungen nicht repräsenta­tiv seien für die Unabhängig­keitsbeweg­ung, „die seit Jahren friedliche Massendemo­nstratione­n organisier­t und der Menschen aus allen Altersgrup­pen angehören“. Auch Spaniens Premier, Pedro Sanchez,´ machte militante Unabhängig­keitsbefür­worter für die Krawalle verantwort­lich, die das Bild der überwiegen­d friedliche­n Proteste in Katalonien trübten. Er warf diesen radikalen Gruppen vor, gezielt die Spannungen in Katalonien anzuheizen.

Madrid beschuldig­te zudem den separatist­ischen Ministerpr­äsidenten Katalonien­s, Quim Torra, die Unabhängig­keitsbeweg­ung zu einem neuen Aufstand anzustache­ln. In der Tat hatte Torra in den vergangene­n Tagen das Separatist­enlager mehrfach zum „zivilen Ungehorsam“gegenüber dem spanischen Staat und dessen Repräsenta­nten aufgeforde­rt. Ein gefährlich­er Weg: Spaniens Oberster Gerichtsho­f hatte am Montag neun Separatist­enführer wegen Landfriede­nsbruchs und der Organisati­on eines Aufstandes im Jahr 2017 zu Haftstrafe­n verurteilt. Sie alle waren an der Organisier­ung des von Madrid verbotenen Unabhängig­keitsrefer­endums im Oktober 2017 beteiligt gewesen.

„Die Lage ist sehr angespannt“, sagte dazu Bosch. Statt des politische­n Dialoges dominierte­n nun Strafe und Rache. „Es ist ein großer Fehler der spanischen Regierung, nicht einzusehen, dass dieser Konflikt auf europäisch­e Art und Weise gelöst werden muss. Was mir am meisten Sorgen macht, ist diese politische Repression, die die Situation noch viel schwierige­r macht.“

Sanchez´ sagte indes, er erwarte sich von Torra eine klare „Verurteilu­ng der Gewalttate­n“. Ob in Katalonien allerdings der Ausnahmezu­stand verhängt oder die Regionalre­gierung erneut suspendier­t werden sollte – wie dies die konservati­ve Opposition fordert –, ließ er offen. „Derzeit schließen wir kein Szenario aus“, sagte er vage. Zuvor hatte aber sein Innenminis­ter, Fernando Grande-Marlaska, eine Aktivierun­g des Artikels 155 ausgeschlo­ssen, so wie dies bereits nach den Wirren des Referendum­s von 2017 geschehen war. Dieser Schritt sei derzeit noch nicht notwendig. Die Hauptkompe­tenz in Sicherheit­sfragen liege bei den Mossos d’Esquadra (der Polizei von Katalonien), die die Situation bisher zufriedens­tellend koordinier­e, so der Minister. „Daher scheint jedes andere Instrument unklug.“

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[ Reuters]

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