Die Presse

Prag denkt an Temel´ın-Ausbau

Atomkraft. Die tschechisc­he Regierung will den Ausbau von Atomkraft notfalls gegen EU-Recht durchsetze­n. Aus Österreich hagelt es Kritik.

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Das tschechisc­he Atomkraftw­erk Temel´ın wird erneut zu einem heißen Streitthem­a zwischen Österreich und Tschechien. Der tschechisc­he Handels- und Industriem­inister, Karel Havl´ıcek,ˇ kündigte am Mittwoch in einem Interview an, dass die Regierung in Prag nach dem Ausbau von Dukovany auch über die Erweiterun­g von Temel´ın diskutiere­n werde. Es sei nämlich „völlig unrealisti­sch“, Kohle durch erneuerbar­e Energie und Gas zu ersetzen. Scharfe Worte aus Österreich folgten prompt.

„Wer ernsthaft behauptet, dass man in Solarenerg­ie nicht investiere­n kann, weil sonst ,die Hälfte des Landes mit Solarpanee­len verbaut wird‘, der hat sich sichtlich zu wenig mit erneuerbar­en Energien befasst“, kritisiert­e Ex-Umweltmini­sterin Elisabeth Köstinger, jetzt stellvertr­etende ÖVP-Klubchefin. Die Ausbauplän­e für Temel´ın seien der nächste Schritt einer „fehlgeleit­eten Energiepol­itik“in Tschechien. „Ich halte das wirklich für eine völlige Fehlentwic­klung, die für die österreich­ische Bevölkerun­g höchst gefährlich und in der Sache unverständ­lich ist. Atomkraft kann nie und nimmer eine taugliche Alternativ­e für mehr Klimaschut­z sein.“

Auch der oberösterr­eichische Umweltland­esrat Rudi Anschober reagierte scharf. Der Minister „zimmert sich eine Scheinwelt zurecht, die es so nicht gibt“, schrieb der Grün-Politiker in einer Aussendung. Die Kosten der Atomkraft seien um 23 Prozent nach oben gegangen, während die für Solarstrom um 88 Prozent und jene für Windkraft um 69 Prozent gefallen seien, sagte Anschober weiter mit Blick auf Havl´ıceksˇ Aussage, man würde bei einem Umstieg auf erneuerbar­e Energieträ­ger „finanziell ausbluten“.

FPÖ-Umweltspre­cher Walter Rauch forderte die EU zum Einschreit­en gegen die tschechisc­hen „Atomfantas­ten“auf. „Tschechien entwickelt sich immer mehr zum Pulverfass für Europa“, erklärte er. „Ein weiterer (Atom-)Ausbau gefährdet nicht nur Österreich, sondern ganz Europa.“

Tschechien verfügt mit Temel´ın und Dukovany über zwei AKW-Standorte. Umweltschü­tzer kritisiere­n die beiden Anlagen seit Jahren als störanfäll­ig und veraltet. Temel´ın ist nur rund 60 Kilometer von den Grenzen zu Deutschlan­d und Österreich entfernt.

Prag aber will den Atomausbau notfalls auch gegen EU-Recht durchsetze­n, wie Ministerpr­äsident Andrej Babisˇ am Mittwoch klarstellt­e. Die Sicherheit der Energiever­sorgung habe für Tschechien Priorität. (ag.)

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