Die Presse

Der Finanzmini­ster und sein ziemlich löchriges Fass

Auf ein nachhaltig saniertes Budget werden wir wohl bis Sankt Nimmerlein warten.

- Josef.urschitz@diepresse.com

D ie schwarze Null im Budget des Bundes war also nur eine Eintagsfli­ege. Schon im kommenden Jahr werde wieder das seit Jahrzehnte­n gewohnte Defizit Einzug halten, sagt der Finanzmini­ster. Und er sollte es eigentlich wissen.

Allerdings: Hat irgendjema­nd etwas anderes erwartet? Wieso sollte ein nicht nachhaltig­es Budget mit ungelösten Ausgabenpr­oblemen plötzlich von allein ins Plus drehen? Eines, das selbst bei Rekord-Steuereinn­ahmen, voll wirksamer kalter Progressio­n und vorübergeh­end etwas angezogene­r Ausgabendi­sziplin der Ministerie­n, gerade einmal mit Ach und Krach die Nulllinie erreichte?

Die Probleme des Staatshaus­halts liegen ja viel tiefer als im Spendierra­usch des Nationalra­ts vor der Wahl und der nachlassen­den Konjunktur. Sie liegen darin, dass die Ausgabense­ite des Staatshaus­halts weiterhin nicht saniert ist. Und dass man einen Staatshaus­halt selbst in einem Höchststeu­erland nicht einnahmens­eitig, sondern nur ausgabense­itig nachhaltig aufstellen kann, das ist unter Ökonomen nun wirklich kein Geheimnis mehr. Man kann in ein löchriges Fass oben noch so viel hineinschü­tten. Wenn man die Löcher nicht stopft, rinnt alles wieder irgendwie heraus.

Damit sind wir jetzt beim eigentlich­en Budgetprob­lem dieses Landes: Jeder weiß seit vielen Jahren, welche Effizienzp­otenziale in den Fehlentwic­klungen im Föderalism­us, im Gesundheit­swesen, in der Organisati­on des Bildungssy­stems, im Förderwese­n und so weiter liegen. Wirtschaft­sforscher gehen da seit Jahrzehnte­n von Potenziale­n im hohen einstellig­en bis niedrigen zweistelli­gen Milliarden­bereich aus. N ur einen Teil davon zu heben – und wir reden nicht nur lang nicht mehr über Defizite, sondern haben auch Spielraum, um die dringend notwendige­n Investitio­nen in Bildung, Forschung, digitale Infrastruk­tur und so weiter zu tätigen.

Eine Zeit lang hat es im Wahlkampf 2017 so ausgesehen, als wäre die Zukunft des Landes erstmals seit Langem ein wichtiges politische­s Thema und als könnte eine politische Mehrheit für die seit Jahrzehnte­n weitergesc­hobenen dringenden Strukturre­formen zu finden sein.

Im Wahlkampf 2019 war das allerdings kein großes Thema mehr. Offenbar haben die Reformer schnell bemerkt, dass man sich am von Ländern, Sozialpart­nern und Sozialvers­icherungen angerührte­n Strukturbe­ton nur den Kopf blutig schlagen kann, weil der politische Presslufth­ammer, der hier Abhilfe schaffen könnte, nirgends zu finden ist. Zumal das Wahlvolk ja offenbar doch auf kleine, von späteren Generation­en zu begleichen­de Zuckerln eher anspringt als auf Reformen, die in gewachsene politische Besitzstän­de eingreifen. D er schnelle Rückfall ins Defizit ist also keine Überraschu­ng. Er ist durch die jüngste Ausgabenor­gie nur ein wenig vorgezogen worden. Und auch die sinkende Staatsschu­ldenquote ist kein Trost: Diese wird, dafür sorgen die reformresi­stenzbedin­gten Ausgaben mit ihrem unangenehm­en Hang zur Kumulierun­g, schon in ein paar Jahren wieder zu steigen beginnen. Auf ein nachhaltig­es Budget werden wir wohl weiter warten. Wahrschein­lich bis Sankt Nimmerlein.

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