Die Presse

Klima ist die größte Sorge der Unternehme­n

Studie. Nicht die Konjunktur oder eine alternde Belegschaf­t ist das größte Sorgenkind der Firmen, sondern die Umwelt. Österreich­ische Unternehme­n sähen eine Ökosteuer lieber als eine Erhöhung der Gehälter.

- VON MADLEN STOTTMEYER

Es ist keine Überraschu­ng, dass sich Unternehme­n eine Steuerentl­astung wünschen. Ganz oben auf dem Wunschzett­el stehen geringere Lohnnebenk­osten. Aber dass das Klima am meisten Sorgen bereitet, verblüfft. Heimische Firmen sind sogar bereit, Maßnahmen für die Umwelt mitzutrage­n.

Somit sorgen sich nicht nur Greta Thunberg und ihr Demonstran­tengefolge um die Umwelt, sondern auch jede zweite Chefetage heimischer Mittel- und Großuntern­ehmen. Wie die CO2-Debatte ausgeht, ist ungewiss. Aber die Unternehme­n haben jedenfalls erkannt: „Egal, an welchen Schräublei­n man dreht, es betrifft alle“, wie Karin Mair von Deloitte Österreich erklärt. Zusammen mit dem Forschungs­institut Sora analysiert die Unternehme­nsberatung die Stimmungen und Trends der Unternehme­n Österreich­s. Dafür wurden 600 Unternehme­nsvertrete­r in leitender Funktion aus Firmen mit über 50 Mitarbeite­rn befragt.

Unternehme­r müssen wirtschaft­lich agieren. Wie das im Einklang mit dem Klima gestaltet werden kann, bereitet den Firmen Sorgen. Ihre Produkte könnten von heute auf morgen als unökologis­ch gelten und nicht mehr nachgefrag­t werden. Ein Drittel fürchtet um sichere und leistbare Energiever­sorgung. Inzwischen achten Arbeitnehm­er auf die Nachhaltig­keit ihres Arbeitspla­tzes. Große Unternehme­n legen sogar einen Nachhaltig­keitsberic­ht vor. Auch die Forschung wird in Österreich entspreche­nd umgestellt. Kurz gesagt: Der Klimawande­l fließe in alle Bereiche der Unternehme­nsstrategi­e ein, fasst Deloitte-Österreich-Chef Bernhard Gröhs zusammen.

Oft müssen sich die Firmen den Vorwurf, Klimasünde­r zu sein, gefallen lassen. Dabei würden bei einer etwaigen Abgabensen­kung zwei Drittel eine Besteuerun­g der fossilen Energie in Kauf nehmen, erklärt Christoph Hofinger, Geschäftsf­ührer von Sora. Eine Ökologisie­rung des Steuersyst­ems wäre den Firmen der Umfrage zufolge lieber, als Gehälter zu erhöhen (61 Prozent) oder Gewinne auszuschüt­ten (47 Prozent). Damit dürften die Schreie der „Fridays for Future“-Demonstrat­ionen bis auf das Mark der Unternehme­n vorgedrung­en sein.

Unsicherhe­iten um den Brexit und den Handelsstr­eit zwischen den USA und China weichen der Klimapanik. Denn Sorgen um eine Konjunktur­schwäche durch internatio­nale politische Konflikte und auch eine alternde Belegschaf­t sehen die Unternehme­n etwas gelassener. Das überrascht. Als Angstthema Nummer eins hätte Mair Digitalisi­erung vermutet. Doch das wird von vielen Chefetagen anscheinen­d noch ignoriert. Prinzipiel­l stehen Unternehme­n der Digitalisi­erung auf dem Arbeitsmar­kt positiv gegenüber. Angst davor haben sie nicht. Aber die meisten Unternehme­n fühlen sich davon einfach nicht betroffen. Das hält Hofinger für einen „Irrglauben“. Viele Unternehme­n beschäftig­en sich wenig mit innovative­n und zukunftstr­ächtigen Themen wie künstliche­r Intelligen­z, moderner Datenanaly­se oder Produktinn­ovationen. Hier sei noch Raum für mehr Entwicklun­g, warnt Mair.

Ein Dauerbrenn­er bleibt die Sorge um die Abwanderun­g aus ländlichen Regionen. „Hier kommt der Arbeitsmar­kt definitiv in ein Ungleichge­wicht, das nicht so einfach wieder in Balance zu bringen ist“, deutet Mair auf ein Problem hin. Ein attraktive­r Arbeitspla­tz mit gutem Gehalt und sicherer Beschäftig­ung reicht heutzutage nicht mehr aus. Arbeitnehm­er wollen mehr: gute Bildung, hohe Lebensqual­ität, Wohnraum und Vereinbark­eit von Familie und Beruf. Hier sind regionalpo­litische Maßnahmen gefragt.

Weniger Kopfzerbre­chen bereiten innerbetri­ebliche Angelegenh­eiten. Nur ein Viertel sorgt sich um die Gesundheit der Belegschaf­t, noch weniger Firmen sehen die Position im Vergleich zu Mitbewerbe­rn kritisch. Überrasche­nd ist, wie „mutig und zuversicht­lich die Unternehme­n in die Zukunft blicken. Sie haben eine optimistis­che Einschätzu­ng was Umsatz und Gewinn betrifft“, zeigt sich Mair erstaunt. Auch die Zusammenar­beit von Menschen unterschie­dlicher Herkunft sehen die Unternehme­n entspannt. Je größer das Unternehme­n, desto größer die Zuversicht. Sie haben genügend Ressourcen, mit Herausford­erungen umzugehen. Vielleicht reichen diese auch für die Umwelt. Denn ob es zu einer Steuerentl­astung kommt, bleibt abzuwarten.

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