Was darf ein Betriebsrat verdienen?
Arbeitsrecht. Ein Streitfall bei den Austrian Airlines wirft Fragen auf: Können Arbeitgeber zu hohe Betriebsratsgagen zurückfordern? Und wenn ja, gilt das dann auch für andere Dienstnehmer?
Der Fall zweier Austrian-Airlines-Betriebsräte sorgte neulich für Schlagzeilen: Just im Jahr 2009 – als die AUA beinahe pleite war – soll sich ihr Gehalt von 6000 auf 12.000 Euro brutto pro Monat verdoppelt haben. Einen Teil davon sollen sie nun, rückwirkend für drei Jahre, zurückzahlen.
Insgesamt rund 500.000 Euro hat ihr Arbeitgeber beim Arbeitsund Sozialgericht eingeklagt, mit dem Argument, die überhöhte Gage verletze das für Betriebsräte geltende Privilegierungsverbot. Die Betroffenen sehen das anders, sie argumentieren mit ihrem hohen Arbeitsaufwand und vergebenen Karrierechancen.
Wie der Rechtsstreit ausgehen wird, ist nicht absehbar. Losgelöst von diesem Fall tun sich aber Fragen auf, die auch andere Unternehmen und Dienstnehmer betreffen: Wie viel dürfen Betriebsräte verdienen? Ist eine Überzahlung, die sich als zu hoch herausstellt, tatsächlich rückforderbar? Und wenn ja, könnte so etwas womöglich auch anderen Dienstnehmern passieren, wenn z. B. ein neuer Geschäftsführer eine von seinem Vorgänger genehmigte Gehaltserhöhung für überzogen hält?
Um mit den Gehaltsansprüchen von Betriebsräten zu beginnen: Ihre Tätigkeit ist laut Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) ein Ehrenamt, wird also nicht extra bezahlt. Der Arbeitgeber muss Betriebsräten aber, wie es im Gesetz heißt, „die zur Erfüllung ihrer Obliegenheiten erforderliche Freizeit unter Fortzahlung des Entgelts“gewähren. Jeweils ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl – von 150 aufwärts – besteht für ein, zwei oder mehr Betriebsratsmitglieder ein Anspruch auf Dienstfreistellung.
Festgeschrieben ist weiters, dass Betriebsratsmitglieder hinsichtlich des Entgelts und der Aufstiegsmöglichkeiten nicht benachteiligt werden dürfen. Auch Freigestellten können somit Gehaltserhöhungen zustehen. Maßstab ist dabei laut OGH, „was das Belegschaftsorgan nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit überwiegender Wahrscheinlichkeit verdient hätte“, wäre es nicht freigestellt gewesen (15Ra13/18a), und zwar einschließlich variabler Gehaltsbestandteile wie Überstunden oder Prämien. Die Entwicklung des Entgelts richtet sich nach fiktiven Karriereverläufen vergleichbarer Dienstnehmer – wobei Betriebsratsmitglieder weder benachteiligt noch bevorzugt werden dürfen.
Dass sich darüber von Fall zu Fall streiten lässt, versteht sich von selbst. Nötig sei dann oft ein umfangreiches Beweisverfahren mit Sachverständigen, sagt Arbeitsrechtsexperte Georg Schima zur „Presse“. Eindeutig nicht gedeckt seien allerdings Gehälter, die mit einer realistischen Laufbahn im Unternehmen nicht in Einklang zu bringen sind. Der Anwalt verweist auf Fälle in Deutschland, wo exorbitante Betriebsratsgagen in Großkonzernen schon öfter für Wirbel gesorgt haben – etwa bei Siemens oder VW. Da geht es dann freilich um Größenordnungen von 300.000 Euro pro Jahr für den Betriebsratschef. Meist mit der Begründung, dieser solle in der Lage sein, mit den Vorstandsmitgliedern – die ja selbst durchwegs siebenstellige Jahresgagen beziehen – „auf Augenhöhe“zu verhandeln.
Nach österreichischer Judikatur wäre das kein Argument, um Gehälter jenseits realistischer Karriereverläufe zu rechtfertigen. Die Regelungen im ArbVG seien noch dazu nach ständiger Rechtsprechung „zweiseitig zwingend“, sagt Schima. Das bedeutet, dass Abweichungen in beide Richtungen – zulasten wie auch zugunsten der Belegschaftsvertreter – gar nicht gültig vereinbart werden können.
Das hätte dann tatsächlich zur Folge, dass der Arbeitgeber an eine völlig überzogene Gehaltszusage gegenüber einem Betriebsratsmitglied nicht gebunden wäre. Er könnte diese nicht nur einseitig rückgängig machen, sondern hätte auch das Recht, ungerechtfertigte Überzahlungen auf bereicherungsrechtlicher Basis zurückzuverlangen. Unabhängig davon kann auch der Manager haften, der die abstruse Entgeltzusage abgesegnet hat. Auch das Verbot des „Anfütterns“von Belegschaftsvertretern kommt hier ins Spiel. In Deutschland habe es deshalb schon Strafverfahren gegeben, sagt Schima und verweist auf eine Strafbestimmung im dortigen Betriebsverfassungsgesetz.
Aber was heißt das für andere Dienstnehmer, die sich eine saftige Gehaltserhöhung weit jenseits des Kollektivvertrags oder des betrieblichen Gehaltsschemas herausverhandelt haben? Kann ihnen diese Überzahlung nach einem Wechsel in der Chefetage ebenfalls wieder weggenommen werden? Normalerweise nicht, sagt Arbeitsrechtsspezialist Roland Gerlach: „Für eine unwirtschaftliche Entscheidung des Arbeitgebers trifft den Arbeitnehmer keine Verantwortung.“Es sei denn, der Arbeitnehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass derjenige, der die Traumgage genehmigt hat, dazu gar nicht berechtigt war. Oder es stünde gar der Vorwurf einer arglistigen Packelei zulasten des Arbeitgebers im Raum – dann könnte sogar eine dreißigjährige Verjährungsfrist anstelle der dreijährigen gelten, meint Gerlach. Ansonsten ist der Arbeitgeber aber an seine Gehaltszusagen gebunden. Reduzieren ließe sich das Entgelt dann höchstens via Änderungskündigung.