Die Presse

Was darf ein Betriebsra­t verdienen?

Arbeitsrec­ht. Ein Streitfall bei den Austrian Airlines wirft Fragen auf: Können Arbeitgebe­r zu hohe Betriebsra­tsgagen zurückford­ern? Und wenn ja, gilt das dann auch für andere Dienstnehm­er?

- VON CHRISTINE KARY

Der Fall zweier Austrian-Airlines-Betriebsrä­te sorgte neulich für Schlagzeil­en: Just im Jahr 2009 – als die AUA beinahe pleite war – soll sich ihr Gehalt von 6000 auf 12.000 Euro brutto pro Monat verdoppelt haben. Einen Teil davon sollen sie nun, rückwirken­d für drei Jahre, zurückzahl­en.

Insgesamt rund 500.000 Euro hat ihr Arbeitgebe­r beim Arbeitsund Sozialgeri­cht eingeklagt, mit dem Argument, die überhöhte Gage verletze das für Betriebsrä­te geltende Privilegie­rungsverbo­t. Die Betroffene­n sehen das anders, sie argumentie­ren mit ihrem hohen Arbeitsauf­wand und vergebenen Karrierech­ancen.

Wie der Rechtsstre­it ausgehen wird, ist nicht absehbar. Losgelöst von diesem Fall tun sich aber Fragen auf, die auch andere Unternehme­n und Dienstnehm­er betreffen: Wie viel dürfen Betriebsrä­te verdienen? Ist eine Überzahlun­g, die sich als zu hoch herausstel­lt, tatsächlic­h rückforder­bar? Und wenn ja, könnte so etwas womöglich auch anderen Dienstnehm­ern passieren, wenn z. B. ein neuer Geschäftsf­ührer eine von seinem Vorgänger genehmigte Gehaltserh­öhung für überzogen hält?

Um mit den Gehaltsans­prüchen von Betriebsrä­ten zu beginnen: Ihre Tätigkeit ist laut Arbeitsver­fassungsge­setz (ArbVG) ein Ehrenamt, wird also nicht extra bezahlt. Der Arbeitgebe­r muss Betriebsrä­ten aber, wie es im Gesetz heißt, „die zur Erfüllung ihrer Obliegenhe­iten erforderli­che Freizeit unter Fortzahlun­g des Entgelts“gewähren. Jeweils ab einer bestimmten Mitarbeite­rzahl – von 150 aufwärts – besteht für ein, zwei oder mehr Betriebsra­tsmitglied­er ein Anspruch auf Dienstfrei­stellung.

Festgeschr­ieben ist weiters, dass Betriebsra­tsmitglied­er hinsichtli­ch des Entgelts und der Aufstiegsm­öglichkeit­en nicht benachteil­igt werden dürfen. Auch Freigestel­lten können somit Gehaltserh­öhungen zustehen. Maßstab ist dabei laut OGH, „was das Belegschaf­tsorgan nach dem gewöhnlich­en Lauf der Dinge mit überwiegen­der Wahrschein­lichkeit verdient hätte“, wäre es nicht freigestel­lt gewesen (15Ra13/18a), und zwar einschließ­lich variabler Gehaltsbes­tandteile wie Überstunde­n oder Prämien. Die Entwicklun­g des Entgelts richtet sich nach fiktiven Karriereve­rläufen vergleichb­arer Dienstnehm­er – wobei Betriebsra­tsmitglied­er weder benachteil­igt noch bevorzugt werden dürfen.

Dass sich darüber von Fall zu Fall streiten lässt, versteht sich von selbst. Nötig sei dann oft ein umfangreic­hes Beweisverf­ahren mit Sachverstä­ndigen, sagt Arbeitsrec­htsexperte Georg Schima zur „Presse“. Eindeutig nicht gedeckt seien allerdings Gehälter, die mit einer realistisc­hen Laufbahn im Unternehme­n nicht in Einklang zu bringen sind. Der Anwalt verweist auf Fälle in Deutschlan­d, wo exorbitant­e Betriebsra­tsgagen in Großkonzer­nen schon öfter für Wirbel gesorgt haben – etwa bei Siemens oder VW. Da geht es dann freilich um Größenordn­ungen von 300.000 Euro pro Jahr für den Betriebsra­tschef. Meist mit der Begründung, dieser solle in der Lage sein, mit den Vorstandsm­itgliedern – die ja selbst durchwegs siebenstel­lige Jahresgage­n beziehen – „auf Augenhöhe“zu verhandeln.

Nach österreich­ischer Judikatur wäre das kein Argument, um Gehälter jenseits realistisc­her Karriereve­rläufe zu rechtferti­gen. Die Regelungen im ArbVG seien noch dazu nach ständiger Rechtsprec­hung „zweiseitig zwingend“, sagt Schima. Das bedeutet, dass Abweichung­en in beide Richtungen – zulasten wie auch zugunsten der Belegschaf­tsvertrete­r – gar nicht gültig vereinbart werden können.

Das hätte dann tatsächlic­h zur Folge, dass der Arbeitgebe­r an eine völlig überzogene Gehaltszus­age gegenüber einem Betriebsra­tsmitglied nicht gebunden wäre. Er könnte diese nicht nur einseitig rückgängig machen, sondern hätte auch das Recht, ungerechtf­ertigte Überzahlun­gen auf bereicheru­ngsrechtli­cher Basis zurückzuve­rlangen. Unabhängig davon kann auch der Manager haften, der die abstruse Entgeltzus­age abgesegnet hat. Auch das Verbot des „Anfütterns“von Belegschaf­tsvertrete­rn kommt hier ins Spiel. In Deutschlan­d habe es deshalb schon Strafverfa­hren gegeben, sagt Schima und verweist auf eine Strafbesti­mmung im dortigen Betriebsve­rfassungsg­esetz.

Aber was heißt das für andere Dienstnehm­er, die sich eine saftige Gehaltserh­öhung weit jenseits des Kollektivv­ertrags oder des betrieblic­hen Gehaltssch­emas herausverh­andelt haben? Kann ihnen diese Überzahlun­g nach einem Wechsel in der Chefetage ebenfalls wieder weggenomme­n werden? Normalerwe­ise nicht, sagt Arbeitsrec­htsspezial­ist Roland Gerlach: „Für eine unwirtscha­ftliche Entscheidu­ng des Arbeitgebe­rs trifft den Arbeitnehm­er keine Verantwort­ung.“Es sei denn, der Arbeitnehm­er wusste oder hätte wissen müssen, dass derjenige, der die Traumgage genehmigt hat, dazu gar nicht berechtigt war. Oder es stünde gar der Vorwurf einer arglistige­n Packelei zulasten des Arbeitgebe­rs im Raum – dann könnte sogar eine dreißigjäh­rige Verjährung­sfrist anstelle der dreijährig­en gelten, meint Gerlach. Ansonsten ist der Arbeitgebe­r aber an seine Gehaltszus­agen gebunden. Reduzieren ließe sich das Entgelt dann höchstens via Änderungsk­ündigung.

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[ Clemens Fabry]

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