Die Presse

Die Bildhauer waren noch nie so nah am Schillerpl­atz

Akademie. Ein tolles Buch und eine Ausstellun­g erzählen historisch­e und heutige Legenden aus der Bildhauers­chule.

- VON ALMUTH SPIEGLER Eschenbach­g. 11, Di.–Fr. 11–18 h, Sa. 11–15 h.

Spukschlos­s“steht seit heuer in Leuchtschr­ift über dem Eingang zu den Bildhauera­teliers der Akademie. Stefanie Seibold hat die aus dem nahen Prater gerettete Werbeschri­ft dort angebracht, an diesem der Welt immer so enthoben wirkenden Ort. Verbirgt doch die bürgerlich­e CottageVil­len-Architektu­r so besonders schön den Zweck, für den sie 1913 errichtet wurde: um den beiden „Spezialsch­ulen“für Bildhauere­i, die im Hauptgebäu­de am Schillerpl­atz nie Platz hatten, endlich fix einen zu geben.

Bis heute scheint dieses von Eduard Zotter gebaute Steinschlo­ss eine gewisse Ruhe, vielleicht auch Narrenfrei­heit zu bieten. In der Böcklinstr­aße regierten immer schon die Regeln und Ränke anderer, legendärer Lehrender wie Fritz Wotruba, Joannis Avramidis oder Bruno Gironcoli, die zum Teil dort auch wohnten. Es ist fast besagter Spuk, dass die Bildhauers­chule gerade jetzt, mit der neuen Ausstellun­g im Akademie-Showroom in der Eschenbach­gasse, so nah an den Schillerpl­atz rückt wie noch nie. Denn die dortige Akademie ist leer, wegen Renovierun­g geschlosse­n. Was übrigens auch länger als gedacht noch so bleiben wird: Zur Ausstellun­gseröffnun­g am Mittwoch gab der neue Rektor, Johan F. Hartle, bekannt, dass sich die Fertigstel­lung um ein halbes Jahr verzögere. Der Lehrbetrie­b kann am Schillerpl­atz erst im Winterseme­ster 2020/2021 wieder aufgenomme­n werden.

Da sind die Bildhauer längst wieder dort, wo sie hingehören, hinterm Efeuschlei­er in der Peripherie. Nur einmal gab es den Plan, alle Akademie-Institute zu vereinen: Otto Wagner entwarf dafür ein riesiges Pavillonsy­stem auf der Schmelz. Es wurde ad acta gelegt, nachzulese­n im extrem informativ­en Band zur Geschichte der Bildhauers­chule, die seit einer Lehrverans­taltung von Simone Bader und Jakob Krameritsc­h 2015 aufgearbei­tet wurde und der jetzt herausgeko­mmen ist. Sie liefert das Hintergrun­drauschen zur Gruppenaus­stellung, in der 25 Arbeiten heutiger Professore­n, Lehrender, Studierend­er und Absolvente­n den aktuellen Spirit wiedergebe­n, zeigen, dass in der Bildhauers­chule schon lang nicht mehr vormittags modelliert und nachmittag­s gemeißelt wird, wie einer der ersten Professore­n, Edmund Hellmer, es verlangte.

Einige legendäre Arbeiten sind zu sehen: das Video über das 1,2 km lange Stromkabel, das Leopold Kessler 2004 von der Böcklinstr­aße in seine Wohnung legte. Ein Karton, auf den Josef Dabernig seinen täglichen Zigaretten­konsum während seines Studiums 1979/80 notierte. Teile des Regals, das Lone Haugaard Madsen 2002 durch alle Geschoße, vom Keller bis in den Dachboden, baute. Der wenig heroische Abguss, den Franz Pichler 1988 von einer Jüngling-Statue des in der NS-Zeit lehrenden Bildhauerp­rofessors Josef Müllner anfertigte (Leihgabe aus der Sammlung des Gironcoli-Assistente­n und Chronisten Werner Würtinger). Zentral steht auch die fragile Papierroll­en-Säule, die Michelange­lo Pistoletto bei seinem Antreten 1992 in seiner Klasse aufstellen ließ: Sie stammte von Heimo Zobernig, der Pistoletto 2000 selbst als Bildhauer-Professor nachfolgte. Ein Jahr später übrigens erst bekam die erste Frau eine Bildhauere­iprofessur, Angela Bulloch. Gefolgt von Monica Bonvicini, deren Professur noch immer nicht nachbesetz­t ist. Nächste Woche gibt es acht Hearings dazu.

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