Die Presse

„Die Athleten haben nichts zu sagen“

Ski alpin. Vincent Kriechmayr sieht sich als Speedfahre­r auch heuer gegenüber den Technikern benachteil­igt und findet deutliche Worte zu Weltcupkal­ender und Sturheit des Ski-Weltverban­ds.

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Nach dem Rücktritt von Seriensieg­er Marcel Hirscher ist der Kampf um den Gesamtwelt­cup neu eröffnet, so der Tenor vor dem Saisonstar­t am kommenden Wochenende in Sölden. Aus Sicht der Speedfahre­r stimmt das nicht ganz. „Ich glaube eher, die beiden Techniker, die die letzten Jahre hinter dem Marcel waren, sind wesentlich froher als wir“, sagte Vincent Kriechmayr mit Blick auf Alexis Pinturault und Henrik Kristoffer­sen. Der Oberösterr­eicher sieht sich und seine Kollegen in Abfahrt und Super-G angesichts des Programms vom Ski-Weltverban­d (FIS) einmal mehr im Nachteil: 24 Technikren­nen (inklusive Parallelev­ents) stehen lediglich 19 Speedbewer­be gegenüber.

Seit dem Schweizer Carlo Janka 2010 hat kein Speedfahre­r mehr die große Kristallku­gel zu Saisonende gestemmt – und die Durststrec­ke dürfte noch weiter andauern. Denn obwohl etwa Dominik Paris in der vergangene­n Saison ab Bormio acht von zehn schnellen Bewerben gewann, musste sich der Südtiroler in der Endabrechn­ung des Gesamtwelt­cups gleich drei Technikspe­zialisten geschlagen geben. Die Rechnung des Punkteschn­itts aber zeigt ein anderes Bild: Hinter Hirscher, der pro Start knapp über 70 Punkte sammelte und damit klar außer Reichweite war, hatte Paris mit fast 56 Zählern pro Rennen die bessere Ausbeute als der heuer ausschließ­lich in den technische­n Diszipline­n angetreten­e Kristoffer­sen (47) sowie Allrounder Pinturault (44), der auch in drei Super-G anschrieb.

Zumindest in der Kombinatio­n wurde die Gewichtung zugunsten der Speedfahre­r verschoben, indem die Schnellste­n heuer mit niedrigen Startnumme­rn im Slalom belohnt werden. „Wesentlich fairer“findet das Kriechmayr, selbst regelmäßig­er Kombi-Starter. Der 28-Jährige hätte aber einen noch radikalere­n Schritt befürworte­t: „Ich war immer Fan der Kombi, aber trotzdem hätte ich mir gewünscht, dass sie verschwind­et und dadurch mehr Speedrenne­n in den Kalender kommen.“Der zweimalige WM-Medailleng­ewinner plädiert für eine gleiche Rennvertei­lung unter den vier Kerndiszip­linen und eine Klassiker-Serie nach dem Vorbild der Vierschanz­entournee. „Man könnte Wengen, Kitzbühel und Garmisch zusammenfa­ssen und ein bisschen Preisgeld reinschmei­ßen.“

Die FIS aber verschließ­e bei alternativ­en Ideen Augen und Ohren, beklagte Kriechmayr: „Das Problem ist, dass wir Athleten bei der FIS gar nichts zu sagen haben, und deswegen ändert sich nichts.“Schon vor zwei Jahren hätten die Abfahrer zahlreiche Vorschläge gemacht. „Jeder war der Meinung, dass wir damit unseren Sport erstens sicherer und zweitens interessan­ter machen können“, sagte Kriechmayr. Das Ergebnis: „Es ist so ziemlich alles von der FIS abgeschmet­tert worden.“

Ähnlich ernüchtern­de Erfahrunge­n hat auch Hannes Reichelt in seiner langjährig­en Funktion als Athletensp­recher gemacht. „Das Verhältnis Speed/Technik passt nach wie vor nicht“, meinte der 39-Jährige, der das Amt dieses Frühjahr zurücklegt­e. „Ich habe mich relativ forsch dagegen aufgelehnt. Vielleicht muss man das diplomatis­cher machen.“Reichelts Nachfolger ist der Schweizer Daniel Yule. Im Kampf gegen die FISMühlen nimmt Kriechmayr auch seine Kollegen in die Pflicht, fordert mehr Zusammenha­lt und hofft auf die Bildung einer Fahrergewe­rkschaft. „Dann hätten wir Athleten wesentlich mehr Macht.“

Als heißeste ÖSV-Zukunftsak­tie für den Gesamtwelt­cup, wenn auch wohl noch nicht in diesem Jahr, wird Marco Schwarz gehandelt. Der Kärntner möchte sich nach seinem Kreuzbandr­iss aber noch Zeit lassen und wird deshalb Sölden auslassen. „Mir geht es schon sehr gut, aber ich bin noch nicht so weit, dass ich Ende nächster Woche ein Weltcupren­nen bestreiten kann“, so der 24-Jährige. (swi)

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