Kein Ausweg aus dem Absagen-Dilemma
Absagen von Tennisstars plagen Veranstalter und verärgern Fans. Wien muss gleich vier Hochkaräter vorgeben. Je länger eine Saison dauert, desto größer wird die Gefahr von Absagen.
Absagen von Tennisprofis sind so alt wie die Turniere, an denen sie ursprünglich teilnehmen wollten. Das am Montag mit dem Hauptbewerb startende ATPEvent in der Wiener Stadthalle hat es dieses Jahr besonders hart getroffen. Nach Juan Martin del Potro, Nick Kyrgios und Kei Nishikori sagte auch Daniil Medwedew seinen Start ab. Der Rückzieher des Russen ist besonders bedauerlich, weil in den vergangenen drei Monaten kein anderer Spieler mehr Schlagzeilen geliefert hat, Medwedew nicht zuletzt aufgrund seines US-Open-Finaleinzugs bis auf Platz vier der Weltrangliste vorgeprescht ist.
Dass der unglaubliche Erfolgslauf des Mannes aus Moskau seinen Tribut fordern wird, war abzusehen. Bei sechs Turnieren in Folge hatte Medwedew das Endspiel erreicht, seit
Ende Juli auf drei Kontinenten nicht weniger als 32 Matches bestritten. Schon bei den US Open in New York verblüffte Medwedew sämtliche Beobachter mit seinen Steherqualitäten, nach seinen Turniersiegen in St. Petersburg und Shanghai aber scheinen nun endgültig sämtliche Reserven aufgebraucht, körperlich wie mental.
Der 23-jährige Senkrechtstarter sagte vor Wien auch seine Teilnahme am dieswöchigen Turnier in Moskau ab. Die Erschöpfung sei zu groß, er fühle sich „völlig entkräftet“– die Gründe dafür liegen auf der Hand, sind nachvollziehbar. Fans schreien dennoch laut auf, sie beklagen in den sozialen Netzwerken die oftmals sehr kurzfristigen Absagen der Superstars. Teure Karten werden in der Regel frühzeitig gekauft, stets in der Hoffnung, die Weltbesten zu sehen.
Vorwürfe an Turnierveranstalter wie Herwig Straka sind dennoch völlig deplatziert, weil sie in einer solchen Causa stets die Ohnmacht plagt. Es gibt keine Verträge, auf deren Einhaltung man pochen könnte, wenn der Körper eines Spielers streikt. Die Absagen von del Potro (Knie), Kyrgios (Schulter), Nishikori (Ellbogen) und Medwedew sind allesamt wohl begründet, und je länger eine Saison dauert, desto wahrscheinlicher werden Verletzungen. Dahingehend hat Wien traditionell einen Terminnachteil gegenüber Turnieren in der ersten Jahreshälfte.
Trotz allen Ärgers über die Absagen wartet die Stadthalle ab Montag immer noch mit sieben Top-20-Spielern auf. Angeführt wird das Feld nach Medwedews Aus vom Weltranglistenfünften Dominic Thiem. Manch einer wähnt den Niederösterreicher aufgrund der jüngsten Entwicklungen schon in der klaren Favoritenrolle, doch nun den Heimsieg einzufordern, wäre absurd. Kein ATP-Turnier dieser Welt ist ein Selbstläufer.