Die Presse

Kein Ausweg aus dem Absagen-Dilemma

Absagen von Tennisstar­s plagen Veranstalt­er und verärgern Fans. Wien muss gleich vier Hochkaräte­r vorgeben. Je länger eine Saison dauert, desto größer wird die Gefahr von Absagen.

- E-Mails: christoph.gastinger@diepresse.com

Absagen von Tennisprof­is sind so alt wie die Turniere, an denen sie ursprüngli­ch teilnehmen wollten. Das am Montag mit dem Hauptbewer­b startende ATPEvent in der Wiener Stadthalle hat es dieses Jahr besonders hart getroffen. Nach Juan Martin del Potro, Nick Kyrgios und Kei Nishikori sagte auch Daniil Medwedew seinen Start ab. Der Rückzieher des Russen ist besonders bedauerlic­h, weil in den vergangene­n drei Monaten kein anderer Spieler mehr Schlagzeil­en geliefert hat, Medwedew nicht zuletzt aufgrund seines US-Open-Finaleinzu­gs bis auf Platz vier der Weltrangli­ste vorgepresc­ht ist.

Dass der unglaublic­he Erfolgslau­f des Mannes aus Moskau seinen Tribut fordern wird, war abzusehen. Bei sechs Turnieren in Folge hatte Medwedew das Endspiel erreicht, seit

Ende Juli auf drei Kontinente­n nicht weniger als 32 Matches bestritten. Schon bei den US Open in New York verblüffte Medwedew sämtliche Beobachter mit seinen Steherqual­itäten, nach seinen Turniersie­gen in St. Petersburg und Shanghai aber scheinen nun endgültig sämtliche Reserven aufgebrauc­ht, körperlich wie mental.

Der 23-jährige Senkrechts­tarter sagte vor Wien auch seine Teilnahme am dieswöchig­en Turnier in Moskau ab. Die Erschöpfun­g sei zu groß, er fühle sich „völlig entkräftet“– die Gründe dafür liegen auf der Hand, sind nachvollzi­ehbar. Fans schreien dennoch laut auf, sie beklagen in den sozialen Netzwerken die oftmals sehr kurzfristi­gen Absagen der Superstars. Teure Karten werden in der Regel frühzeitig gekauft, stets in der Hoffnung, die Weltbesten zu sehen.

Vorwürfe an Turnierver­anstalter wie Herwig Straka sind dennoch völlig deplatzier­t, weil sie in einer solchen Causa stets die Ohnmacht plagt. Es gibt keine Verträge, auf deren Einhaltung man pochen könnte, wenn der Körper eines Spielers streikt. Die Absagen von del Potro (Knie), Kyrgios (Schulter), Nishikori (Ellbogen) und Medwedew sind allesamt wohl begründet, und je länger eine Saison dauert, desto wahrschein­licher werden Verletzung­en. Dahingehen­d hat Wien traditione­ll einen Terminnach­teil gegenüber Turnieren in der ersten Jahreshälf­te.

Trotz allen Ärgers über die Absagen wartet die Stadthalle ab Montag immer noch mit sieben Top-20-Spielern auf. Angeführt wird das Feld nach Medwedews Aus vom Weltrangli­stenfünfte­n Dominic Thiem. Manch einer wähnt den Niederöste­rreicher aufgrund der jüngsten Entwicklun­gen schon in der klaren Favoritenr­olle, doch nun den Heimsieg einzuforde­rn, wäre absurd. Kein ATP-Turnier dieser Welt ist ein Selbstläuf­er.

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