Mit Skepsis ist zu rechnen
Autozukunft. Michael Jost, Chefstratege des VW-Konzerns, stellt in Wien die Eckpunkte der Wolfsburger Elektro-Offensive vor.
Michael Jost hat eine Liste. Er nennt sie die „Aber“-Liste: zehn Punkte mit den dringlichsten Einwänden von allen, die der Elektromobilität mit Skepsis gegenübertreten. Das ist sozusagen sein Job: der Skepsis gegenübertreten.
Jost, Jahrgang 1961, hat maßgeblichen Anteil daran, dass sein Arbeitgeber Volkswagen die Wende zur Elektromobilität heute noch inbrünstiger anzupreisen scheint als selbst Tesla. Der Ingenieur und Manager wurde 2015 auf den Posten des obersten Strategen (CSO) im Konzern berufen – es war das Jahr des „Ground Zero“, als der Dieselabgasbetrug von VW aufgeflogen war und die Marke medial schon zu Grabe getragen wurde ( Spiegel- Titel: „Der Selbstmord“).
Jost hatte zuvor mehrere Jahre bei der Konzerntochter Skodaˇ an der Markenstrategie getüftelt. Nun sollte es nicht mehr um die Positionierung des einen oder anderen Modells gehen, sondern ums Ganze – um die Wandlung des Konzerns vom Saulus zum Paulus. Die „Rettung des Planeten“ist für Josts Agenda nicht zu tief gegriffen, jedenfalls nach eigenen Worten.
Was Konzernchef Herbert Diess mit Michael Jost und weiteren höchsten Kadern des Hauses bei einer Klausur 2015 als künftige
Strategie beschloss, ist sicherlich mehr als ein PR-Manöver. Davon zeugt das Fahrzeug, das Jost mit nach Wien gebracht hat. Am Donnerstag sprach er im Wiener Museumsquartier bei einer Tagung der Deutschen Handelskammer, und jener VW ID.3, der im Rahmen seines Auftritts kurzfristig einen Parkplatz im Hof fand, soll konventionelle Autos, also solche mit Verbrennungsmotor, selbst wie einen Fall fürs Museum erscheinen lassen. Von diesen freilich baute Volkswagen an jedem Tag des vergangenen Jahres etwa 44.000 Stück. Da ergeben sich mehr als nur zehn Fragen.
Die ersten musste er noch 2015 beantworten, als Arbeitnehmern und ihren traditionell mächtigen Vertretern in Wolfsburg die neue Strategie präsentiert wurde. „Es haben nicht alle Juhu gerufen“, so Jost, doch würde sie im Unternehmen inzwischen „mehrheitlich mitgetragen“. Vom Ende des Verbrennungsmotors will er mittlerweile auch nicht mehr reden, sondern „nur die Frage stellen, wie lang an ihm noch entwickelt wird.“Im Jahr 2040 wäre schließlich damit zu rechnen, dass er in vielen Ländern Europas nicht mehr zugelassen werden könne.
Der Schwenk zur Elektromobilität, für den der Konzern nach eigenen Angaben rund 30 Mrd.
Euro investiert, fußt auf dem Pariser Klimaabkommen von 2015. Volkswagen bekenne sich vollinhaltlich dazu, und dafür müsse der Anteil der eigenen CO2-Emissionen – „ein Prozent am globalen Ausstoß“, so Jost – auf null reduziert werden. Mit der Brennstoffzelle, sprich Wasserstoff, könne das nicht gelingen, spricht Jost einen Punkt auf seiner „Aber“-Liste an: „nicht in der gebotenen Eile und zu darstellbaren Kosten“. Die Hoffnung heißt ID.3, dem „50 weitere in unserer ersten Elektrifizierungswelle“folgen werden.
Unbestreitbar hat der Konzern mit dem kompakten Stromer, der Anfang 2020 in Österreich auf den Markt kommt, auf beeindruckende Weise gezeigt, was er zuwege bringen kann – in so kurzer Zeit die Schaffung einer komplett neuartigen Baureihe, die nach dem Prinzip der Skalierung nicht Plattform für ein Modell, sondern für Dutzende quer über viele Marken sein wird, das hat die Branche noch nicht oft gesehen.
Knapp unter 30.000 Euro soll das Golf-große Auto „mit dem Platzangebot eines Passat“kosten, „sauber, voll vernetzt“und mit „sagenhafter Beschleunigung“. Nicht „top down“wie bei der Konkurrenz (aber auch bei Audi und Porsche) denke man bei Volkswagen, sondern aus der „Mitte heraus“. Tesla, sagt Jost, „baut Autos für Millionäre, wir für Millionen“.