Alles ist Innenpolitik − bis wieder regiert wird
Fast jeder Samstag ist in der „Presse“ein „Tag der Innenpolitik“. Das Blatt erreicht ein gespanntes bis nervöses Publikum.
So sind nämlich in Österreich die Verhältnisse, und so wird es mindestens bleiben, bis eine Regierung wieder regieren darf. Das ist der Pauschaleindruck nach den vier Monaten, die zwischen den „Presse“-Aufmachern „Kurz abgesetzt“(28. 5.) und „Triumph für Türkis-Grün“(30. 9.) nach dem Wahlsonntag lagen, der noch immer gilt, wenn nicht türkische Expansionslust oder britische EU-Phobie dazwischenfahren.
Am Abend des Wahlsonntags baut die Redaktion eine MontagAusgabe, die rekordverdächtig ist. Die Wahlergebnisse werden ausgeleuchtet, für jede noch lebende oder gestorbene Partei gibt es einen Kommentar, das macht sieben Meinungselemente, verfasst von sieben Redaktionsmitgliedern, die auf Draht sind.
Am Samstag darauf steckt die Zeitung noch immer im Fieber erwartbarer Veränderungen. Ich bin schon auf Seite 15 und noch immer in der Innenpolitik und lese dort die aufschlussreiche Analyse zu einem arbeitslosen Politiker: „Was macht Heinz-Christian Strache jetzt bloß?“(5. 10.). Außerdem ist eigentlich alles, was zu der schweren Niederlage der SPÖ zu sagen ist, schon am 28. Mai in der „Presse“prophezeit worden. Zitat: „Nach dem Kanzler-Sturz kommt der Wahlkater“, während EU-Abgeordneter Andreas Schieder aus der roten Festung orakelt: Der „lupenreine Egoist“Sebastian Kurz sei an sich selbst gescheitert. Die roten Parteigewaltigen lesen vielleicht die falsche Zeitung oder hören auf falsche Ratgeber, sodass die „Presse“rät: „Vielleicht sollte die SPÖ einfach erheben lassen, was die Bevölkerung in all ihrer Breite eigentlich so denkt und möchte. Anstatt auf PR-Fuzzis, Jusos und Twittergrößen zu hören“(15. 10.). So hält es nämlich die Bevölkerung. Jedermann und jedefrau suchen sich das passende Informationsorgan selbst.
***
Von der Nervosität vor und nach der Wahl abgesehen wartet „Die Presse“dennoch auch Gustostückerln wie die Irland-Reportage „Die Grenze, an der es Europa zerreißt“auf (6. 10.) Sie bietet die bisher beste Beschreibung des gordischen Knotens in Premierminister Boris Johnsons Brexit-Rausch.
***
Weil ein paar Landtagswahlen nahen, ist es angebracht, wieder einmal an den wesentlichen Unterschied zwischen „Prozenten“und „Prozentpunkten“zu erinnern. Bei der Analyse der Nationalratswahlergebnisse in der Stadt Wien klappt das nicht immer. „Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig lächelt gerne. An diesem Abend ist es ihm aber vergangen. Grund ist ein Minus von 6,2 Prozent in