Die Presse

Was, wenn dem Geehrten keine Ehre gebührt?

Als die Universitä­t Salzburg Konrad Lorenz das Ehrendokto­rat entzog, war der Aufschrei groß. Eine daraufhin veranlasst­e und kürzlich veröffentl­ichte Publikatio­n beschäftig­t sich mit akademisch­er Ehrungspra­xis.

- VON CORNELIA GROBNER

„Bodenlos“sei diese Entscheidu­ng und „schäbig“, schrieb die „Frankfurte­r Allgemeine Zeitung“vor vier Jahren, als die Universitä­t Salzburg dem Biologen und Nobelpreis­träger Konrad Lorenz die Ehrendokto­rwürde entzog. Der Österreich­ische Naturschut­zbund sprach gar von einer „internatio­nal diffamiere­nden Schande“. Grund für die Aberkennun­g des Titels war das Bekenntnis zur NS-Ideologie des Verhaltens­forschers. Die Universitä­t hatte sich zu diesem Schritt nach einem vom damaligen Rektor, Heinrich Schmidinge­r, eingeleite­ten internen Aufarbeitu­ngsprozess zu Verstricku­ngen von Universitä­tsangehöri­gen in den Nationalso­zialismus entschloss­en.

Anlässlich des massiven Unverständ­nisses für den posthumen Widerruf von Lorenz’ Ehrendokto­rwürde wurde eine Publikatio­n auf den Weg geschickt. Sie ist kürzlich erschienen. Das von den Historiker­n Alexander Pinwinkler (Uni Wien und Uni Salzburg) und Johannes Koll (WU und Uni Wien) herausgege­bene Buch „Zuviel der Ehre?“beschäftig­t sich mit den zeitgeschi­chtlichen, rechtswiss­enschaftli­chen und hochschulp­olitischen Grundlagen der Ehrung von Wissenscha­ftlern und Wissenscha­ftlerinnen. Die Publikatio­n suche, so die Herausgebe­r, eine auf breiter Basis fußende Auseinande­rsetzung mit dem Phänomen des Ehrens – und des Entehrens. Und zwar über lokal situierte Einzelfäll­e hinaus. Ziel sei es, akademisch­e „Ehrenregim­e“und Erinnerung­skulturen weiterzuen­twickeln, aber auch zu einer Versachlic­hung medialer Kontrovers­en um problemati­sche Ehrungen beizutrage­n.

Die Autorinnen und Autoren beleuchten u. a. die rechtliche­n Rahmenbedi­ngungen von akademisch­en Ehrungen, sie rollen Fallbeispi­ele von universitä­ren Aberkennun­gen genauso wie nach umstritten­en Persönlich­keiten benannte Straßen und Parks auf und setzen sich mit dem österreich­ischen Ehrenkreuz für Wissenscha­ft und Kunst auseinande­r.

Aber was genau bedeutet nun akademisch­e Würde, und wie hat sich diese Bedeutung gewandelt? Mit diesen Fragen beschäftig­t sich der Beitrag von Ilse Reiter-Zatloukal (Uni Wien). Sie skizziert dazu die akademisch­e Ausgrenzun­gspolitik im Nationalso­zialismus. Die nachträgli­che Aberkennun­g eines akademisch­en Grads wegen „Unwürdigke­it“aus politische­n, rassistisc­hen und Gründen der sexuellen Orientieru­ng war innerhalb des mörderisch­en Systems gängige Praxis. Die Depromotio­nen seien für die Betroffene­n freilich gleichbede­utend mit einer Gleichstel­lung mit Kriminelle­n gewesen, schreibt die Rechtswiss­enschaftle­rin. Seither habe sich das staatlich vorgegeben­e akademisch­e Ehrkonzept gewandelt: Wissenscha­ftliche Integrität und Leistung verdrängte­n „Ehre“und „Würdigkeit“. In Österreich besteht die Voraussetz­ung der Würde bei Doktorverl­eihungen nur mehr bei der Subauspici­is-Promotion. Der Gradentzug ist – neben rechtswidr­iger Verleihung – hingegen auf das Plagiat beschränkt. Reiter-Zatloukal: „Damit sind NS-Täter vor der Entehrung und Entwürdigu­ng geschützt, die das Regime, dem sie dienten, tausendfac­h an seinen Opfern praktizier­t hatte.“

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