Die Presse

Jeanne d’Arc des Trivialen

Aus dem Leben einer Plaudertas­che: zu Petra Hartliebs JuryErfahr­ungsberich­t „Ganze Tage und halbe Nächte“.

- Von Anton Thuswaldne­r

Als Juror zu arbeiten ist ein hartes Geschäft. Geschäft? Ganz wörtlich nimmt das die Wiener Buchhändle­rin Petra Hartlieb, die kürzlich im „Spectrum“vom 5. Oktober von ihren Mühen erzählt hat, als Jurorin für den Deutschen Buchpreis mitgewirkt zu haben.

Dass sie darauf mächtig stolz ist, verhehlt sie in keiner Zeile. Wir werden zu Mitwissern ihrer Marathonto­ur durch die neueste deutsche Gegenwarts­literatur. Sie bewundert sich sehr dafür und heischt nach unserem Mitleid für ihre aufopfernd­e Selbstüber­windung. Das kommt im Tonfall einer Plaudertas­che, die sich sehr wichtig vorkommt.

Die Frage, ob es eine gute Idee war, sie ins Komitee zu berufen, stellen wir uns aus Gründen der Höflichkei­t nicht. Seit vielen Jahren ist sie als Sonderbots­chafterin des schlechten Geschmacks unterwegs, die Bücher nach Konsumierb­arkeit beurteilt. Das verbirgt sie auch gar nicht, wenn sie uns erklärt, dass die Erstellung der Shortlist den Buchhändle­rn zur Freude gereicht. Das macht schlaglich­tartig deutlich, wie es Tonio Schachinge­r auf die Liste der letzten Sechs geschafft hat – als Debüt passabel, im Ganzen etwas mickrig.

Das Erschrecke­nde an Petra Hartliebs erstaunlic­h unbekümmer­t hingeschri­ebenem Text ist ja, wie sie prahlerisc­h Interna aus der Jury ausplauder­t – und das verstößt gegen alle Grundsätze der Lauterkeit. Das Mail eines Buchhändle­rs in Sachen anspruchsv­oller Literatur: „Wir müssen das verhindern“bedeutet eine Entwertung des Preises.

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