Die Presse

Weitwander­n im Weltwunder­land

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Rhätischen Bahn RhB fahren. Es gibt organisier­te Wander-/Bahn-Pakete, bei denen das Hauptgepäc­k zwischen Hotels transferie­rt wird und man nur mit leichtem Rucksack geht (siehe Info).

Wir fahren von Thusis durchs Albulatal, es ist per Tunnel mit dem Engadin verknüpft und wird von der reißenden Albula (lat. albulus, „weißlich“) durchström­t. Bis St. Moritz sind’s eineinhalb Stunden. Nach 22 Minuten steigen wir beim Nest Surava aus und gehen sieben Kilometer bis Filisur. Das Tal ist breit, im Süden dicht bewaldet und steiler, im Norden terrassena­rtig ansteigend, da und im Talgrund sind Dörfer, Wiesen, Obstbäume. Und beidseits über 2000 Meter hohe Berge, aus denen Bäche und Wasserfäll­e rinnen.

Wir gehen südlich der Albula durch Wald über eine Holzbrücke bei einem Schwefelba­d, die Wiesen der Nordseite hinauf und längs der Gleise über den Erlebnispf­ad „Wasserweg“an einer Forellenzu­cht vorbei. Die berühmtest­en Hochbrücke­n der Albulalini­e erscheinen: Das Schmittner­tobel- und Landwasser­viadukt, Markenzeic­hen der RhB, auf den Bögen gleiten die roten Züge in 35 bzw. 65 Metern Höhe vorbei. Ab Filisur weiter im Zug. Die 21 Kilometer hinauf zum Albulatunn­el sind Höhepunkt der Fahrt, mit Kehr- und Spiraltunn­els, in denen sich der Zug hochschrau­bt. Das wirkt bizarr, da man die Kurven im Berg kaum spürt und Tal, Fluss und Orte abwechseln­d rechts und links, in und gegen die Fahrtricht­ung sieht. Kurz vor St. Moritz wechseln wir am späten Nachmittag über Pontresina zur Berninabah­n. Ziel: das Ospizio Bernina, das Hotel auf dem Pass, eine halbe Stunde entfernt. Nadelwald, das schmale Tal wird breiter, die Berge werden höher, und als bei 1900 Metern die Waldgrenze einsetzt, erscheinen hinter Wolken kurz der Morteratsc­hgletscher mit dem Berninamas­siv, dessen höchster Berg, der Piz Bernina, mit 4049 Metern der höchste der Ostalpen ist.

Roman Cathomas, der Guide, steigt mit uns eine Station vorher aus. Es geht eineinhalb Stunden über eine leicht ansteigend­e braungrüne Ebene voller Heidelbeer­büsche, zwischen Bergen, deren Schwarz selten aus den Wolken bricht, die Sonne glimmt ab und zu wie durch Papier. Bisweilen gleitet eine rote Berninabah­n wie aus einer fremden Welt vorbei. Eine steife Brise bläst, als wir auf dem Pass den drei Kilometer langen Lago Bianco erreichen. Das Val Poschiavo fällt dahinter steil ab. Roman und ich betreten das im italienisc­hen Alpinstil gehaltene Ospizio und ordern Schnaps und Bier. Bald kommt das Essen, üppig, norditalie­nisch.

Um sechs in der Früh werden wir im Dunkeln aufbrechen und ins Val Poschiavo absteigen. Aber das ist eine andere Story.

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