Auch Geister freuen sich über ein freundliche
Nordirland. Gärten für die Ewigkeit: Die botanischen Wunder des County Down verdanken sich außer dem milden Klima den Generationen besessener Gärtner.
Amelia trauert um ihren Bruder. Er fiel in der Schlacht von Waterloo, wo er an der Seite des Herzogs von Wellington kämpfte. Prinz Michael von Griechenland fand Amelia einmal weinend auf dem Bett sitzend, als er in Grey Abbey House zu Gast war. Allerdings lag der Tod ihres Bruders da bereits mehr als 150 Jahre zurück. „Wenn ein Mensch plötzlich ums Leben kommt, kann sein Geist in jemanden übergehen, der ihm nahesteht“, weiß Hausherr William Montgomery. „Wenn ich dieses Zimmer betrete, sage ich immer: Wie geht es dir, Amelia?“Seine Frau, Daphne, aber vergesse oft, sie anzusprechen; dann werde die Ahnin unruhig. Während der ersten Monate ihrer Ehe war dies das Schlafzimmer der Montgomerys. „Dann wollte Daphne, dass wir ein anderes nehmen, weil dieses sie traurig machte.“Seither muss sich Amelia das mit Himmelbett, grünen Tapeten und alten Stichen wohnliche Gemach nur gelegentlich mit Gästen teilen.
Das 1762 erbaute Grey Abbey House ist das dritte Haus der Montgomerys an dieser Stelle. Zwei Vorgängerbauten, deren erster 1606 fertiggestellt war, brannten ab. Die Ruine der Zisterzienserabtei aus dem zwölften Jahrhundert hat dem über dem Meeresarm Strongford Lough thronenden Haus den Namen gegeben. Das Haus hat keine Zentralheizung, dafür offene Kamine. Hier und da wellt sich eine Tapete, manche asiatische Brücke ist verschlissen. Zwischen schönen Bücherschränken wachsen auf Tischen, Hockern und Fensterbänken Bücherstapel in die Höhe: Lyrik, die Dramen Oscar Wildes, Bildbände über irische Gärten und
Herrenhäuser, Fachbücher über exotische Pflanzen.
Seit sieben Jahren führt Daphne Besucher durch die Gärten; rund dreißig Gruppen kommen im Jahr. Nach dem Spaziergang dürfen sie mit den Gastgebern im Dining Room der Familie speisen. „Das scheint sehr beliebt zu sein“, sagt Daphne ein wenig erstaunt. Die Ente ist kross gebraten, Gemüse und Kartoffeln aus eigenem Anbau schmackhaft, dazu strömt Rotwein in Kristallgläser.
William Howard Clive Montgomery, 1940 geboren, seit 1965 mit Daphne verheiratet und als Berater für Kunst- und Immobilienkäufe tätig, plaudert aus der Familiengeschichte. Seine Großmutter war mit der legendären Lady Edith befreundet, Marquise von Londonderry, Kämpferin für das Frauenwahlrecht, Schöpferin der berühmten Gärten von Mount Stewart und eine Nachbarin der Montgomerys. „Achten Sie auf die Stühle vom Wiener Kongress und das zu hoch gehängte Bild von dem Rennpferd im Treppenhaus“, empfiehlt er seinen Gästen. „Ein Pferd sollte nicht auf den Betrachter herabschauen. Es wirkt dann schief.“Dann spricht er von seinen Kindern und Enkeln und über das bedauerliche Brexit-Votum. Von der Wand schweigt ernst das Porträt seines Ahnen William Montgomery, der das Haus erbaute.
Die Gärten von Grey Abbey House sehen aus wie ein klassisches Landschaftsgemälde; allerdings wie eines voller exotischer Büsche und Bäume. Denn auf der Ards-Halbinsel herrscht auch für die vom Golfstrom gewärmte Küste ein besonders mildes Mikroklima. Frost gibt es nur selten. Daphne und Bill haben die Gärten restauriert und als jüngste Ergänzung einen Garten für Pflanzen der Südhalbkugel angelegt. „Einige finde ich nicht besonders schön, aber weil sie aus der südlichen Hemisphäre stammen, dürfen sie bleiben“, sagt Daphne. Sie deutet auf eine immergrüne Pflanze mit ledrigen Blättern, eine Griselinia aus Chile. „Manche Leute kommen nur ihretwegen. Ich finde sie langweilig, sie ist richtig hässlich. “Maiglöckchensträucher aus Chile und die mächtige kaukasische Flügelnuss aus Asien mit ihren hellgrünen Blütenketten wirken eindrucksvoller.
Mit dem Hund Seamus eilt Daphne durch die Parklandschaft und erinnert in ihrer Hose mit Blütendruck, Strohhut, Sonnenbrille, italienischen Sportschuhen in Schlangenoptik und dem Schal selbst an eine exotische Blume. Sie zeigt den Besuchern den Küchengarten, die Rosen und farbenprächtigen Sommerbeete.
Demnächst ziehen der älteste Sohn, Hugh, und seine Frau ein;
Daphne und William übersiedeln dann in ein kleineres Haus auf dem Anwesen. Ihre Touren für Garten- und Architekturinteressierte wird Daphne fortsetzen.
Weil der Garten ohnehin das Wichtigste ist, lassen die meisten Gartenbesitzer das Publikum nur hinter das Haus. So ist es auch in den Seaforde Gardens auf der anderen Seite von Strangford Lough. Charles Forde setzt hier das Lebenswerk seines verstorbenen Vaters, Patrick, fort. „Wir haben das Land 1625 gekauft“, erklärt er, und es klingt, als erinnere er sich daran. Wie sein Vater, der botanische Expeditionen nach Pakistan, Indien, Tibet und Vietnam unternommen hat, sammelt auch Charles an den Antipoden Pflanzensamen für die heimischen Gärten. Seine Leidenschaft gilt der Flora Japans.
Zwei Dutzend Pfauen stolzieren umher, schlagen Räder und halten die Schneckenpopulation unter Kontrolle. Charles hat am
Morgen das Zurückschneiden des Labyrinths überwacht, das seine Eltern 1975 pflanzten. Eine Wendeltreppe aus Eisen führt auf den Mogul Tower, von dem man in den Irrgarten hineinschauen kann. Als der entstand, begann Vater Patrick auch damit, den 20.000 Quadratmeter großen, etwas verwilderten Garten in Form zu bringen. Taschentuchbäume aus China wachsen hier, Schensi-Tannen aus Tibet, die weiß blühende Schima aus der Familie der Teestrauchgewächse, zartrosa blühende tasmanische Scheinulmen, Akazien und schließlich Seafordes Gigant: ein Riesenmammutbaum.
Der Garten erinnert auch an eine finstere Epoche aus Irlands Geschichte. „Als 1845 die Hungersnot ausbrach, suchte man nach Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen“, sagt Charles. Hungermauern waren die Antwort jener Landbesit